Der Herbst des Lebens ist nicht automatisch ein goldener. Allzu häufig wechseln Arbeitende völlig unvorbereitet in die Rente. Ist das erste Urlaubsfeeling dann verflogen, macht sich mitunter eine Tristesse im Leben der neuen Rentnerinnen und Rentner breit, frisch gebackenen Pensionärinnen und Pensionären geht es da nicht anders. Begreift man den Übergang in den Ruhestand jedoch als Entwicklungsprozess, der aktiv vorbereitet wird, kann dieser Abschnitt zu einem der schönsten im Leben werden.
Der letzte Arbeitstag ist gekommen. Seit Jahren wurde er herbeigesehnt, und dann ist er plötzlich da, der wohlverdiente Ruhestand. Die ersten Wochen in Rente können sich mitunter wie ein zweiter Jahresurlaub anfühlen. Lange Ausschlafen, ein spätes Frühstück, ausgedehnte Spaziergänge mit dem Partner oder der Partnerin, Kaffeekränzchen mit den Freunden und Freundinnen. Doch nach ein paar Wochen kann sich Unzufriedenheit einstellen. Der Austausch mit den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen fehlt, die Hausarbeit erfährt keinerlei Wertschätzung, der Haussegen beginnt in Schieflage zu geraten und das Hobby, für das man früher auch keine Zeit hatte, hat der Rentner oder die Rentnerin leider nicht. Nein, so hatte man sich das arbeitsbefreite Leben nicht vorgestellt. Allein, genau so passiert es vielen. Nicht alle Beschäftigten, für die die Rente in Sichtweite gerät, machen sich vorab überhaupt Gedanken über diesen neuen Lebensabschnitt.
Fehlende Anerkennung und Kontakte
„Nicht mehr gebraucht zu werden, der Verlust eines geregelten Tagesablaufes, dazu die fehlende Anerkennung und das Wegbrechen der sozialen Kontakte, all das kann zu Ängsten und Unzufriedenheit führen“, erklärt Andrea Jakob-Pannier, Psychologin bei der BARMER. „Das Risiko für psychische und psychosomatische Erkrankungen ist dann erhöht.“ Was können zukünftige Rentnerinnen und Rentner also besser machen, um auch wirklich einen goldenen Herbst des Lebens zu erleben?
Früher Blick in die Zukunft
Idealerweise beginnt die Auseinandersetzung mit der Zeit nach dem Ende der Erwerbstätigkeit bereits einige Jahre vor dem finalen Datum. Der Abschied vom Job wird in den meisten Fällen nicht so leicht, da die Identifikation in aller Regel hoch ist. Sich vergegenwärtigen, dass dieser Abschnitt endlich ist und bald ein neuer beginnen wird, führt zu einer kontinuierlichen Auseinandersetzung mit dem neuen Lebensabschnitt. Ist es dann soweit, wird der Wechsel nicht als dramatisch einschneidend erlebt. Übrigens hat es sich auch als gut erwiesen, den Wechsel ins Rentnerdasein in Etappen anzugehen. „Wer seine Arbeitsstunden nach und nach verringern kann, bereitet sich möglicherweise besser auf den neuen Lebensabschnitt vor, als von 100 auf null zu fallen“, rät Jakob-Pannier.
Eigene Wünsche definieren
Wer sich bereits auf die Gedankenreise in den Ruhestand befindet, der sollte auch gleich überlegen, was er oder sie vom Ruhestand konkret erwartet. Was will ich mit meiner neugewonnenen Zeit anfangen? Möchte ich meine Eltern oder Schwiegereltern pflegen, eine Sprache erlernen, einem zeitintensiven Hobby nachgehen, oder muss ich meine Rentenkasse durch einen Job aufbessern? Die Pläne können natürlich jederzeit angepasst oder korrigiert werden. Wichtig ist, dass der Gedankenprozess an den Ruhestand in Bewegung bleibt. Wer hier eine positive Erwartungshaltung aufbaut, dem wird auch ein guter Übergang gelingen. Negative Gedanken an mögliche Erkrankungen im Alter und was vielleicht alles schiefgehen könnte, sind da eher hinderlich.
Partnerschaftliche Abstimmung
Naheliegend, aber oft vernachlässigt ist die zukünftige Beziehung zum Partner oder zur Partnerin. Immerhin wird man mit ihm oder ihr häufig einen Großteil seiner Zeit verbringen wollen. Sah man sich zu Arbeitszeiten nur wenige Stunden nach Feierabend oder an den Wochenenden, sollte in Gesprächen überprüft werden, ob sich die Erwartungen und Bedürfnisse beider zu großen Teilen decken. Welche Gemeinsamkeiten sind vorhanden? Wie viel Raum wird den individuellen Interessen eingeräumt? „Eine glückliche Zeit zu zweit kann besser funktionieren, wenn man miteinander redet und kompromissbereit ist, um auch in dieselbe Richtung zu gehen“, sagt Jakob-Pannier.
Engagements finden
Egal, ob es die Enkelkinder oder das Ehrenamt sind, freiwillige Engagements für andere können Freude bereiten und Anerkennung bringen. Zudem geben sie dem Alltag eine neue Struktur und wertvolle soziale Kontakte. „Keine Sorge, von der einst so kräftezehrenden 40-Stunden-Woche ist man weit entfernt“, so die Psychologin bei der BARMER.