Laut aktuellem Barmer Gesundheitsreport 2019 leiden in Sachsen mehr als 55.000 Beschäftigte, rund drei Prozent, unter ärztlich attestierten Ein- und Durchschlafstörungen. Dabei dürfte die Dunkelziffer noch höher liegen, wie eine repräsentative Befragung der Bevölkerung zur Schlafgesundheit 2018 vermuteten lässt. Hier geben rund 37 Prozent der Sachsen zwischen 15 und 74 Jahren an, nicht ausreichend lange zu schlafen.
Dresden, 19. September 2019 – Gesunder Schlaf fördert die Gesundheit, das Leistungsvermögen und die Produktivität am Arbeitsplatz. Allerdings treten immer weniger Menschen ihren Arbeitstag ausgeschlafen an. So kommt der Barmer Gesundheitsreport 2019 zu dem Ergebnis, dass in einem sächsischen Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten rund 28 nicht richtig ausgeschlafen sind. Im Freistaat leiden mehr als 55.000 Beschäftigte, rund drei Prozent, unter ärztlich attestierten Ein- und Durchschlafstörungen. Dabei dürfte die Dunkelziffer noch höher liegen, wie eine repräsentative Befragung der Bevölkerung zur Schlafgesundheit 2018 vermuteten lässt. Hier geben rund 37 Prozent der Sachsen zwischen 15 und 74 Jahren an, nicht ausreichend lange zu schlafen. „Anhaltender Schlafmangel macht krank oder verlangsamt das Gesundwerden. Wer nicht ausgeruht ist, kann sich schlechter konzentrieren. In der Folge erhöht sich die Fehlerquote im Arbeitsalltag. Im schlimmsten Fall sind unausgeschlafene Beschäftigte sogar ein Sicherheitsrisiko, etwa dann, wenn sie einen PKW oder LKW fahren“, mahnt Dr. Fabian Magerl, Landesgeschäftsführer der Barmer in Sachsen. Er fordert mehr Prävention von Schlafstörungen in Schule und Beruf sowie eine höhere Behandlungskompetenz bei Ärzten, Therapeuten und Angehörigen anderer Gesundheitsberufe.
Trend ist steigend: Schlafstörungen werden zur Volkskrankheit
2010 bekamen rund 38.000 Beschäftigte in Sachsen von ihrem Arzt die Diagnose Ein- und Durchschlafstörung, 2017 waren rund 55.000 betroffen. Erhielten 2010 noch 19 von 1.000 Beschäftigte die Diagnose Ein- und Durchschlafstörungen, erhöhte sich die Anzahl der Betroffenen 2017 auf 28. „Die aktuelle Entwicklung betrachten wir mit Sorge. Sind doch die Auswirkungen von Schlafstörungen auf die Gesundheit und das Leistungsvermögen von Beschäftigten bislang drastisch unterschätzt worden“, sagt Magerl. Denn stellt man die Befragungsergebnisse der Erhebung „Schlafgesundheit in Deutschland“ und die im Barmer Gesundheitsreport 2019 analysierten Diagnosezahlen gegenüber, wird sichtbar, dass weniger als die Hälfte der Betroffenen mit subjektiv empfundenen Schlafstörungen zum Arzt gehen. Nur 27 Prozent von ihnen erhielten nachfolgend auch eine entsprechende ärztliche Diagnose. Unter den Betroffenen finden sich mehr Frauen als Männer. Die Diagnosehäufigkeit steigt mit zunehmendem Alter.
Schlafmangel verlängert das Kranksein, begünstigt Demenz
Nach einer im Jahr 2016 veröffentlichten Studie* für fünf OECD Staaten lassen, sich bundesweit rund 210.000 Fehltage im Job auf Schlafstörungen zurückführen. Schlafstörungen sorgen neben der Verlängerung von Genesungsprozesse auch insgesamt für deutlich mehr Fehltage am Arbeitsplatz. „Eine reduzierte Schlafdauer und –qualität beeinträchtigt nicht nur das Befinden am Tage, sondern hat auch langfristige gesundheitliche Folgen, insbesondere für das Gehirn. Auch erhöhen dauerhafte Schlafstörungen im mittleren und höheren Lebensalter das Risiko, an einer Demenz zu erkranken“, sagt Dr. Moritz Brandt, Leiter des Neurologischen Schlaflabors am Uniklinikum Dresden. Laut Report waren im Vergleich zu ihren ausgeschlafenen Kollegen die ‚Schlafmangel-Geplagten‘ durchschnittlich 36 Tage pro Jahr mehr krankgeschrieben. Dabei führt die Kombination von Schlafstörung und psychischer Grunderkrankung zu einer signifikanten Erhöhung der Fehltage.
Schlafkiller Schichtarbeit - ein Leben gegen den Rhythmus
Beschäftigte im Schichtdienst leben oft entgegen einem natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus. Sie arbeiten, wenn der Körper normalerweise schläft, und (sollen) schlafen, wenn er eigentlich auf Aktivität eingestellt ist. Auch ist ihr Schlaf am Tag im Schnitt um zwei Stunden kürzer als der normale Nachtschlaf. Das führt oft zu massiven Ein- und Durchschlafstörungen. Das mit Abstand größte Risiko unter den Beschäftigten dafür, haben Bus- und Straßenbahnfahrerinnen und Straßenbahnfahrer, gefolgt von Maschinen- und Anlagenführerinnen und Anlagenführen. Auch Beschäftigungen im Objekt-, Werte- und Personenschutz sowie Tätigkeiten in Callcentern bergen nach Analysen des Barmer-Reports ein großes Risiko für diese Störungen. In den genannten Berufen kommt Schicht- und Nachtarbeit vergleichsweise häufig vor. Hier finden sich oft überdurchschnittlich viele erkrankungsbedingten Fehlzeiten je Jahr. So sind zum Beispiel Menschen, die in Nachtschicht arbeiten, anfälliger für Erkrankungen des Verdauungsapparats, Magengeschwüre und Krebs. Auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Adipositas, Typ-2-Diabetes oder Depressionen kann sich durch Schichtarbeit erhöhen. „Die Arbeitszeiten in bestimmten Berufsfeldern werden stark von den Wünschen und Bedürfnissen der Verbraucher und Nutzer bestimmt. Nacht- und Schichtarbeit wird es zukünftig wohl häufiger und in noch mehr Berufsbranchen geben. Umso wichtiger ist es rechtzeitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Gesundheit zu fördern“, sagt Magerl.
Schichtarbeit - Auf der Suche nach erholsamen Schlaf
Wer schlecht einschlafen kann oder in der Nacht mehrfach aus dem Schlaf gerissen wird, kann sich schwer erholen. Um den Schlaf und damit die wichtige Erholung für den Arbeitsalltag zu verbessern, bedarf es präventiver Maßnahmen durch Arbeitgeber, Selbstdisziplin von Beschäftigten, aber auch rechtzeitiger medizinischer Diagnosen und Therapien. Dr. Moritz Brandt beschreibt die Situation so: „Das grundsätzliche Problem liegt darin, dass wir unseren Körper nicht überlisten und unseren Biorhythmus nicht komplett umstellen können. Es gibt aber durchaus Möglichkeiten bei der Dienstplangestaltung, Beachtung bestimmter Schlafenszeiten am Tage und auch Optimierung der Lichtverhältnisse am Arbeitsplatz Schlafstörungen in Folge von Schichtarbeit vorzubeugen.“
Neue Studien zeigen vielversprechende Lösungsansätze
Präventionsprogramme im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsprävention zeigen bei Schichtmitarbeitern mit Tagesschläfrigkeit, Schlafmangel und Schlafstörungen positive Effekte auf den Schlaf, die Wachheit und die Schichtakzeptanz. So gaben in Auswertung einer betrieblichen Gesundheitsmaßnahme mit einer Laufzeit von sechs Monaten 87,5 Prozent der Schichtmitarbeiter einen verbesserten Schlaf und eine bessere Schichtakzeptanz an. Auch im Bereich der Teleschlafmedizin werden neue Methoden klinischer Anwendungen erprobt. Prof. Hagen Malberg, Direktor des Instituts für Biomedizinische Technik der TU Dresden forscht im Bereich der Teleschlafmedizin: „Heute gibt es sehr viele Ansätze aus der Unterhaltungselektronik, die sich mit dem Thema Schlafen, Durchschlafen und Einschlafen befassen. Momentan ist dies eher im Fitness- und Wellness-Markt mit Smartphones und mobilem Messgeräten angesiedelt. Aber der Trend geht dahin, auch Assistenzfunktionen für Arbeitsprozesse zu entwickeln, beispielsweise an den Menschen angepasste Messungen der Vitalfunktionen - sogenannte cyberphysikalische Produktionssysteme“. Ob allerdings Schlafmangel durch technische Assistenzsysteme kompensiert werden sollte, lässt er offen. Darüber sollte in Zukunft ausgewogen diskutiert werden, empfiehlt er.
Schlafstörungen - Regionale Auswertungen
So schlafen die Sachsen – Unterschied zwischen Stadt und Land
Schaut man auf die Diagnosen, schlafen die Sachsen im bundesweiten Vergleich insgesamt besser als Beschäftigte in anderen Regionen Deutschlands. Dennoch gibt es auch Unterschiede in den einzelnen sächsischen Regionen. Bei Beschäftigte in Dresden, Chemnitz, Bautzen und Leipzig diagnostizierten Mediziner sachsenweit am häufigsten Ein- und Durchschlafstörungen. Hingegen im Erzgebirgskreis, Leipziger Landkreis und Meißen die wenigsten.
Datengrundlage: Analyse der Abrechnungsdaten von 3,9 Millionen Erwerbspersonen, entspricht 11,4 % aller Beschäftigten in Deutschland (Report, S. 210)
Zum Spezialthema Schlafstörungen wurden Diagnosen von Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien: F51.0, F51.9, G47.0/G47.9) von mehreren Millionen Menschen über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren (2005-2017) betrachtet.