Düsseldorf, 17. November 2022 – Mehr als 8.600 Patientinnen und Patienten in Nordrhein-Westfalen könnten von mehr Qualität bei Hüft-, Knie- und Herzoperationen profitieren und vor Gelegenheitschirurgie bewahrt werden. Dabei müssten nur wenige von ihnen geringfügig längere Fahrzeiten zur Klinik in Kauf nehmen. Das geht aus dem aktuellen Krankenhausreport der Barmer hervor. Darin wurde für 5,8 Prozent der Hüft- und Knieoperationen sowie für 3,1 Prozent der kardiologischen Eingriffe in NRW geprüft, ob diese sich von Standorten mit der geringsten Routine hin zu Kliniken mit höheren Fallzahlen verlagern lassen. Dort haben die Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal in der Regel eine höhere Expertise. Bereits bei diesen niedrigen Schwellenwerten könnten in NRW pro Jahr über 6.200 der insgesamt rund 107.000 Hüft- und Knie-OPs an besser qualifizierten Standorten durchgeführt werden, ohne dass sich die Fahrzeit für die Patientinnen und Patienten deutlich verlängert. „Auch vor der angestrebten Reform der Krankenhausversorgung können bereits heute durch die konsequente Verlagerung von Operationen in Kliniken mit mehr Erfahrung und besserer Ausstattung Qualität und Patientensicherheit deutlich erhöht werden. Diese Potenziale gilt es jetzt im Sinne der Patientinnen und Patienten konsequent zu heben“, sagt Heiner Beckmann, Landesgeschäftsführer der Barmer in NRW.
Knie und Hüfte: 69 von 70 Standorten haben Verlagerungspotenziale
Immer noch gebe es in Nordrhein-Westfalen viele Kliniken, die in einzelnen Leistungssegmenten nur sehr wenige Behandlungen pro Jahr durchführten. Exemplarisch wurden im aktuellen Krankenhausreport zwei Bereiche analysiert, nämlich die Endoprothetik und Osteosynthese an Knie und Hüfte sowie die Kardiologie und Kardiochirurgie zur Behandlung am Herzen. Für die Berechnungen seien Eingriffe hypothetisch aus den Krankenhäusern mit wenigen Fallzahlen in solche mit höheren Fallzahlen verlagert worden. Im Anschluss hätten die Autoren des Reports die Fahrzeiten der Patienten bestimmt. Laut den Ergebnissen ließen sich in Nordrhein-Westfalen 6.208 Hüft- und Knieeingriffe von 69 Standorten mit unter 187 Eingriffen pro Jahr verlagern, ohne dass maßgeblich längere Anfahrtswege entstünden. Nur bei einem Krankenhaus seien keine Verlagerungen möglich. Hinsichtlich der Eingriffe am Herzen ließen sich 2.439 Eingriffe von 47 Krankenhäusern, die weniger als 186 Eingriffe jährlich vornehmen, ohne spürbar längere Anreisen verlagern. Bei fünf Kliniken wäre dies nicht machbar. „Die Verlagerung von Operationen hat nur einen geringfügigen Einfluss auf die Fahrzeiten. Dem stehen erwartbare Qualitätssteigerungen in der Behandlung gegenüber. Wo immer eine Verlagerung möglich ist, sollte sie daher erfolgen. Unsere Berechnungen haben dabei berücksichtigt, dass sich die Fahrzeit für niemanden auf über 40 Minuten erhöht“, sagt Beckmann. „In der Verlagerungs-Simulation erhöht sich in NRW mit seinen vielen Ballungszentren die Zahl der Patientinnen und Patienten, die mehr als 30 Minuten zu einem Standort fahren müssten, nur äußerst geringfügig.“ Bei der Verlagerung von Eingriffen an Knie und Hüfte erhöhe sich die Zahl der Betroffenen, die länger als eine halbe Stunde zu einer Klinik fahren, demnach nur um 0,08 Prozent.
Barmer unterstützt die angestrebte Klinikreform in NRW
Die Autoren des Reports stellen heraus, dass NRW neben den Stadtstaaten Berlin und Hamburg über das größte Verlagerungspotenzial verfügt. So könnten 99 Prozent der überprüften Knie- und Hüftoperationen sowie 80 Prozent der geprüften kardiologischen Eingriffe an Standorten mit größeren Fallzahlen und somit höherer Qualität durchgeführt werden. „Die Qualität der Behandlung und damit die bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten muss stets im Mittelpunkt stehen“, so Beckmann. „Der Report belegt, dass die Konzentration von Leistungen und damit eine Erhöhung der Behandlungsqualität problemlos möglich ist.“ Unter diesem Gedanken sollte nun auch der weitere Weg der angestrebten Krankenhausstrukturreform in NRW angegangen werden. Bei der Reform im bevölkerungsreichsten Bundesland steht die Abkehr vom Bett als Planungsgröße hin zu einer Planungssystematik eingeteilt in Leistungsbereiche und diesen zugeordneten Leistungsgruppen im Mittelpunkt. „Zukünftig darf nicht mehr jedes Krankenhaus jede Leistung anbieten. Die Kliniken dürfen nur noch die Leistungen erbringen, für die sie die qualitativen Voraussetzungen erfüllen. Zudem muss ein Bedarf bestehen“, erklärt der Barmer-Landeschef zum Start der Verhandlungen zur neuen Planungssystematik auf regionaler Ebene. „Diesen eingeschlagenen Weg unterstützen wir als gesetzliche Krankenkasse ausdrücklich. Nun ist es wichtig, dass die anstehenden Verhandlungen nicht unter parteipolitischem Einfluss stehen“, so Beckmann. „Es darf einzig um die Verbesserung der Versorgungsqualität für die Patientinnen und Patienten in Nordrhein-Westfalen gehen.“