Mädchen mit Zahnspange lächelt
STANDORTinfo Mecklenburg-Vorpommern

Zu viel Kieferorthopädie bei Mädchen?

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Mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern werden kieferorthopädisch behandelt. Das belegt eine Analyse im aktuellen BARMER Zahnreport, die jüngst in Schwerin vorgestellt wurde. Demnach erhielten unter den Heranwachsenden im Land 53,7 Prozent eine entsprechende Behandlung auf Kassenkosten (Bund: 54,7 Prozent). Für die Analyse im Zahnreport wurden erstmalig Daten von bundesweit 50.000 Achtjährigen über einen Zeitraum von zehn Jahren, also bis zum 17. Lebensjahr, ausgewertet. „Unsere Auswertung legt den Schluss nahe, dass Mädchen in Mecklenburg-Vorpommern möglicherweise zu häufig kieferorthopädisch behandelt werden. Schönheitsideale, Gruppendruck und elterliche Fürsorge sind mögliche Gründe dafür, dass Zahn- und Kieferfehlstellungen bei Mädchen häufiger nachgefragt und behandelt werden als bei Jungen“, sagt Henning Kutzbach, Landesgeschäftsführer der BARMER in Mecklenburg-Vorpommern. Es sei kein gutes Signal, wenn dahingehend ein gewisser Erwartungsdruck an Mädchen und junge Frauen entstehe. So falle die Inanspruchnahme bei Mädchen in allen Bundesländern konstant rund zehn Prozentpunkte höher aus als bei Jungen. In Mecklenburg-Vorpommern bekämen 59,2 Prozent der Mädchen und 48,6 Prozent der Jungen eine entsprechende Behandlung.

Höchste Behandlungsraten in Schwerin und Rostock 

Der Analyse des Zahnreports zufolge gab es vor allem in den südlichen Bundesländern eine hohe Inanspruchnahme von Kieferorthopädie. Im Norden fällt diese eher geringer aus. Ausnahmen sind Hamburg (55,2 Prozent) und Schleswig-Holstein (55,7 Prozent). Den größten Anteil kieferorthopädisch behandelter Kinder und Jugendlicher haben Baden-Württemberg und Bayern mit 57,3 beziehungsweise 59,7 Prozent. Die niedrigsten Raten gab es in Bremen (45,9 Prozent) und Niedersachsen (47,5 Prozent). Auch innerhalb Mecklenburg-Vorpommerns variiert die Inanspruchnahme von kieferorthopädischen Behandlungen. Die höchsten Raten gab es demnach in Schwerin (59 Prozent) und Rostock (57 Prozent), die geringste im Kreis Vorpommern-Greifswald (fast 51 Prozent). Mit Kieferanomalien und Zahnfehlstellungen allein seien diese regionalen Unterschiede nicht erklärbar, sagt Kutzbach. Ursächlich könnten vielmehr Unterschiede bei der Bewertung einer Behandlungsbedürftigkeit nach den Kriterien der gesetzlichen Krankenversicherung sein.

Zugang zur Kieferorthopädie in MV insgesamt zufriedenstellend 

Trotz der Unterschiede werden in allen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns mehr als 50 Prozent der Heranwachsenden kieferorthopädisch behandelt. „Die relativ geringen Unterschiede in den Behandlungsraten sind ein Hinweis, dass der Zugang zur Kieferorthopädie im Land aktuell insgesamt zufriedenstellend ist“, so Henning Kutzbach. Die Analyse im Zahnreport zeige zudem, dass Anteile der kieferorthopädischen Versorgung auch von allgemeinen Zahnarztpraxen übernommen werden. Bundesweit liege dieser Anteil bei 13 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern mit 17,6 Prozent deutlich höher. „In den sehr ländlich geprägten Regionen ist der Zugang zur Kieferorthopädie möglicherweise teilweise schwieriger, so dass die Versorgung von einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt übernommen wird“, so der BARMER-Landeschef. In diesem Zusammenhang begrüße er Maßnahmen des Strukturfonds der Kassenzahnärztlichen Vereinigung M-V, durch die sowohl die zahnärztliche als auch die kieferorthopädische Versorgung in ländlichen oder strukturschwachen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns gestärkt werden sollen. Dazu gehöre beispielsweise die Möglichkeit, bei Praxisübernahme oder Neugründung Finanzmittel in nicht unerheblichem Maße zu erhalten.

Kinder in MV zu selten bei der Vorsorge in der Zahnarztpraxis

Neben der kieferorthopädischen nahm die Analyse im Zahnreport auch die zahnmedizinische Versorgung von Heranwachsenden in den Blick. Demnach sind Kinder und Jugendliche im Land zu selten bei Früherkennungsuntersu-chungen in der Zahnarztpraxis. Vor allem im Kleinkindalter findet noch zu wenig Vorsorge statt. Lediglich ein Drittel der Kinder bis zum Ende des vierten Lebensjahrs (36,4 Prozent) waren bei einer entsprechenden Untersuchung. „Prophylaxe ist wichtig, um Zahn- und Kieferkrankheiten möglichst frühzeitig zu entdecken und behandeln zu lassen“, so der BARMER-Landeschef. Er rate Eltern, mit ihren Kindern diese Prophylaxe-Untersuchungen regelmäßig wahrzunehmen. Bestenfalls sollte der Besuch in der Zahnarztpraxis mit dem Durchbruch des ersten Milchzahns zur Routine werden.

Hintergründe zum BARMER-Zahnreport

Für den BARMER-Zahnreport wurden Abrechnungsdaten von Achtjährigen eines Jahrgangs bis zu einem Alter von 17 Jahren über einen Zeitraum von zehn Jahren wissenschaftlich analysiert. Darunter die Daten von rund 1.700 Heranwachsenden aus Mecklenburg-Vorpommern. „Der Wert unserer Ergebnisse liegt vor allem darin, dass wir nun erstmals derart valide Daten zum Anteil kieferorthopädisch behandelter Kinder und Jugendlicher zur Verfügung haben. Diese Zahlen fehlten bisher“, sagt Report-Autor Walter.