Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) werden in Mecklenburg-Vorpommern bisher kaum genutzt. Das ist ein Ergebnis des aktuellen BARMER Arztreports. Seit Herbst 2020 können Behandelnde die als umgangssprachlich bezeichneten Apps auf Rezept auf Kassenkosten verordnen. Im Arztreport wurden dahingehend Verordnungsdaten der Jahre 2020 bis 2022 ausgewertet und auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet. Demnach wurde in Mecklenburg-Vorpommern 5.400-mal eine App auf Rezept verordnet. „Ziel der digitalen Helfer ist es, Erkrankungen und damit verbundene Beschwerden zu lindern. Die Verordnungszahlen zeigen jedoch, dass DiGA noch nicht in der medizinischen Versorgung angekommen sind“, sagt Henning Kutzbach, Landesgeschäftsführer der BARMER in Mecklenburg-Vorpommern. Denn die Gesamtzahl der DiGA-Verordnungen innerhalb von drei Jahren sei nicht einmal halb so groß wie die Zahl der jährlich zur Krebsfrüherkennung durchgeführten Darmspiegelungen im Land (im Schnitt 13.000 pro Jahr). Allerdings habe sich die Gesamtzahl der Verordnungen im Nordosten von etwa 1.800 im Jahr 2021 auf 3.580 im Folgejahr nahezu verdoppelt. „Das Thema DiGA nimmt Fahrt auf. Das ist sehr positiv, denn die digitalen Anwendungen bieten eine echte Chance, die medizinische Versorgung auch in ländlichen Gebieten zu unterstützen“, so BARMER-Landeschef Kutzbach.
Zweitniedrigste Verordnungsrate in Mecklenburg-Vorpommern
Die Zahl der DiGA-Verordnungen fällt laut Analyse nicht nur in Mecklenburg Vorpommern, sondern bundesweit gering aus. Dennoch zeigen sich zwischen den einzelnen Bundesländern merkliche Unterschiede. So wurden in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2022 bezogen auf 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner 220 DiGA beantragt. Das ist die bundesweit niedrigste Rate nach dem Saarland mit 188 Verordnungen je 100.000. Die häufigsten Verordnungen gab es hingegen in Berlin und Hamburg mit 337 bzw. 328 je 100.000. „Es zeigt sich, dass DiGA in ländlich geprägten Gebieten seltener verordnet werden als in Städten. Auch wenn Apps auf Rezept theoretisch Versorgungslücken schließen könnten, werden sie bisher dahingehend anscheinend nicht verordnet“, so Kutzbach.
DiGA im Nordosten am häufigsten bei Tinnitus und Adipositas
Laut Arztreport entfällt ein Großteil der DiGA-Verordnungen, nämlich rund 70 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern auf Frauen. Überwiegend würden Apps auf Rezept zudem im mittleren Erwerbsalter zwischen 25 bis 59 Jahren beantragt. Die höchsten Antragszahlen ließen sich bei beiden Geschlechtern für 50- bis 54-Jährige ermitteln. Im höheren Lebensalter spielten DiGA hingegen kaum noch eine Rolle. Fast die Hälfte aller Verordnungen in Mecklenburg-Vorpommern (45 Prozent) entfielen im Jahr 2022 auf die Indikationen Tinnitus und Adipositas. Dem folgen Depressionen und Schlafstörungen (jeweils elf Prozent der Verordnungen). Am häufigsten verordnet werden die Apps auf Rezept von Hausärztinnen und Hausärzten. Knapp 43 Prozent aller in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2022 ausgestellten Verordnungen stammen von ihnen.
Blackbox DiGA?
Mehr Infos und Testzeiträume sinnvoll Für den Arztreport sind nicht nur Verordnungsdaten ausgewertet worden, sondern auch Ergebnisse aus Umfragen. Bundesweit wurden mehr als 1.700 Patientinnen und Patientinnen sowie 1.000 Ärzte und Psychotherapeuten zu ihren Erfahrungen mit DiGA befragt. Dabei zeigte sich, dass rund ein Drittel der Patienten (35,2 Prozent) den digitalen Helfer nicht über die vorgesehene Erstanwendungsdauer von 90 Tagen nutzte, darunter 15 Prozent sogar weniger als einen Monat. Als Grund für den Abbruch gab ein Drittel (34,5 Prozent) an, dass die Anwendung die Erwartungen nicht erfüllt habe. Die Umfrage unter den Behandelnden ergab, dass fast die Hälfte (44 Prozent) noch nie eine DiGA verordnet hat, ein Drittel bescheinigte sich selbst einen schlechten Kenntnisstand zum Thema. „Digitale Gesundheitsanwendungen sind sowohl für Nutzer als auch für Ärzte immer noch eine Blackbox. Zu wenig Detailwissen und falsche Erwartungen führen dazu, dass DiGA zurückhaltend verordnet werden und deren Einsatz oftmals vorzeitig abgebrochen wird“, erklärt Kutzbach. Neben einheitlichen und verständlicheren Infos im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), fordere er deshalb auch die Einführung eines vorgeschalteten Testzeitraums von 14 Tagen. In dieser Zeit könnten Versicherte prüfen, ob der Einsatz derDiGA ihnen wirklich liege.