Frankfurt, 29. November 2022 – Alle Menschen in Hessen könnten die sichersten Krankenhäuser mit der höchsten Behandlungsqualität ohne Probleme erreichen, viele Behandlungen werden jedoch an Standorten mit geringerer Routine durchgeführt. Das zeigt der aktuelle Krankenhausreport der BARMER. Darin wurde für 5,6 Prozent der Hüft- und Knieeingriffe sowie für 4,3 Prozent der Herzinfarktbehandlungen in Hessen geprüft, ob sie sich von Standorten mit der geringsten Routine an Kliniken mit höheren Fallzahlen verlagern lassen, ohne dass unzumutbare Fahrtzeiten oder mangelnde Erreichbarkeit der Kliniken einen Hinderungsgrund darstellen. Laut Modellrechnung der BARMER können in Hessen 1.959 der insgesamt mehr als 37.000 Hüft- und Knie-Eingriffe und 796 der rund 28.400 Herzinfarktbehandlungen an anderen Standorten durchgeführt werden, ohne dass sich die Fahrzeit für die Patienten deutlich verlängert. Jeder vierte Krankenhausstandort in Hessen erbringt Leistungen, die ohne größere Fahrzeitnachteile konzentriert werden könnten. „Wer ein Krankenhaus betritt, geht oftmals von immer gleichen Qualitätsstandards aus. Doch Spitzenmedizin kann nicht jedes hessische Krankenhaus für jede Art der Behandlung bieten. Oft fehlt notwendiges Pflegepersonal oder Erfahrung. Werden Eingriffe an einem Standort nur selten durchgeführt, erhöht sich das statistische Risiko für Komplikationen und Mängel beim Behandlungsergebnis. Werden Eingriffe oft durchgeführt, haben die Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal in der Regel eine höhere Expertise und von dieser Qualität könnten noch mehr Menschen in Hessen profitieren“, erklärt Martin Till, Landeschef der BARMER.
Kliniken mit viel Erfahrung ohne zeitliche Nachteile erreichbar
Exemplarisch untersucht der BARMER Krankenhausreport zwei Bereiche, die Endoprothetik und Osteosynthese an Knie und Hüfte sowie die Kardiologie
und Kardiochirurgie zur Behandlung des Herzinfarkts. Im Rahmen einer Modellrechnung wurden Eingriffe aus den hessischen Krankenhäusern mit geringeren Fallzahlen in solche mit höheren Fallzahlen verlagert. Im Anschluss wurden die Fahrzeiten der Patientinnen und Patienten bestimmt und verglichen. Laut den Ergebnissen lassen sich die Hüft- und Knieendoprothetik- sowie Osteosyntheseeingriffe von 20 Standorten mit unter 187 Eingriffen pro Jahr verlagern, ohne dass maßgeblich längere Anfahrtswege entstehen. Lediglich bei einer Klinik in Hessen ist eine Verlagerung nicht möglich, ohne dass die Fahrzeit erheblich zunimmt. Bei den kardiologischen Eingriffen zeigen zehn Krankenhäuser Verlagerungspotential ohne spürbar längere Anreisen. Lediglich bei vier Kliniken wäre dies nicht machbar. „Die Verlagerung von vielen Krankenhausbehandlungen hat in Hessen kaum Einfluss auf die Fahrzeiten und Erreichbarkeit, sehr wohl aber auf die Qualität der Behandlung und die Patientensicherheit. Die besten stationären Versorgungsangebote sind in Hessen gut erreichbar. Für ein gutes Essen oder einen Konzertbesuch legen viele Menschen größere Entfernungen zurück“, ergänzt Till.
In Frankfurt erhebliches Verlagerungspotential
Im Frankfurter Stadtgebiet und Umgebung spielen Fahrzeitunterschiede nur eine untergeordnete Rolle. Höherwertige Behandlungsoptionen sind aufgrund der hohen Krankenhausdichte im Rhein-Main-Gebiet sehr gut erreichbar, die entsprechenden Verlegungspotentiale werden aber nur unzureichend ausgeschöpft. 42 Prozent der Krankenhausstandorte im Raum Frankfurt führen Prothetik- und Osteosyntheseeingriffe an Hüfte und Knie in geringer Fallzahl (187 p. a.) durch. 28 Prozent der Krankenhausbehandlungen an Hüfte- und Knie, die in Hessen durchgeführt werden und die laut Schwellenwert des BARMER-Reports im niedrigen Fallzahlsegment liegen, werden in Frankfurt erbracht. Damit liegt ein Viertel der hessischen Krankenhäuser, die Hüft- und Knieeingriffe mit hohem Verlagerungspotential durchführen, in Frankfurt. Bei den Standorten, die in Frankfurt kardiologische Eingriffe durchführen, liegen 30 Prozent unter dem Schwellenwert von 186 Eingriffen pro Jahr. Damit liegen 21 Prozent aller hessischen Kliniken mit Verlagerungspotential bei Herzinfarktbehandlungen in Frankfurt.
Verlagerungspotential ohne erhebliche Fahrzeitverlängerung
„Patientinnen und Patienten in Hessen sollten die bestmögliche Gesundheitsversorgung für sich beanspruchen und nicht die nächstgelegene. Es ist deshalb wichtig, dass Fragen der Behandlungsqualität und -routine vor einem planbaren Eingriff mit behandelnden Ärztinnen und Ärzten besprochen werden“, meint Martin Till. Für Interessierte seien auch eigenständige Recherchen möglich, etwa über die sogenannte Weiße Liste oder auch barmer-kliniksuche.de, eine Suchmaschine, in die Daten aus den Qualitätsberichten der Krankenhäuser einfließen, so Till. Für 52 Prozent der hessischen Bevölkerung ist ein Krankenhaus, das Hüft- und Knieeingriffe durchführt in weniger als 10 Minuten erreichbar. 94 Prozent der Menschen in Hessen erreichen ein entsprechendes Krankenhaus in unter 20 Minuten. Ein Klinikstandort für die Behandlung eines Herzinfarkts ist für knapp 40 Prozent der Hessinnen und Hessen in weniger als 10 Minuten erreichbar. 74 Prozent erreichen eine geeignete Klinik in weniger als 20 Minuten und knapp 97 Prozent in weniger als 30 Minuten. Würden Patientinnen und Patienten in Hessen Behandlungen ausschließlich in Krankenhäusern mit den höchsten Fallzahlen durchführen lassen, so würde bei Hüft- und Knieeingriffen für weniger als 0,4 Prozent der Bevölkerung die Fahrzeit auf über 30 Minuten ansteigen. Bei den Herzinfarktbehandlungen zeigt die Modellrechnung einen Anstieg für 0,6 Prozent der Menschen in Hessen auf eine Fahrzeit von über 30 Minuten.