Hamburg droht in den kommenden Jahren ein größerer Pflegenotstand als gedacht. Bis 2030 wird es in der Hansestadt etwa 21.000 Pflegebedürftige mehr geben als bislang erwartet: Nach Prognosen aus dem im Februar vorgestellten Barmer Pflegereport werden in acht Jahren 112.000 Menschen auf Pflege angewiesen sein. Dafür werden bereits in fünf Jahren 4.000 Pflegekräfte mehr benötigt als es derzeit gibt – das sind noch einmal 1.000 mehr als bislang angenommen. „Die Situation in der Pflege wird sich weiter verschärfen. Bereits heute fehlen Pflegekräfte. Es müssen rasch die Weichen für eine verlässliche und hochwertige Pflege gestellt werden“, fordert Dr. Susanne Klein, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Hamburg.
Für die Berechnungen und Prognosen wurden erstmals nicht nur Demografie-abhängige Effekte, sondern auch die Auswirkungen der bisherigen Pflegereformen einbezogen. Aufgrund der gesetzlichen Änderungen sind inzwischen deutlich mehr Menschen leistungsberechtigt, etwa durch die 2017 vorgenommene Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade. Weil jedoch nicht von einem Tag auf den anderen alle Anspruchsberechtigten sofort die Leistungen einfordern, schreiben die Autoren der Studie von „Einführungseffekten“, die sich bis 2025 hinziehen würden. Bis dahin steige die Zahl der Pflegebedürftigen steil, danach konstant an – vorausgesetzt, es gebe keine weiteren Pflegereformen, die den Kreis der Leistungsberechtigten noch stärker ausweiten.
Auch mehr Pflegekräfte benötigt
Auch die Zahl der benötigten Pflegekräfte steigt – jedoch nicht exponentiell. Die Studienautoren begründen dies damit, dass es die Hauptzuwachsraten in den niedrigeren Pflegegraden eins und zwei gebe. Hier seien es oft Angehörige, die die Pflege übernähmen – aktuell bereits bei etwa 39.000 Bedürftigen mit relativ geringem Pflegeaufwand. „Mehr als 40 Prozent der pflegenden Angehörigen sind im erwerbsfähigen Alter. Diese Menschen sind ein unverzichtbarer Pfeiler des Pflegesystems. Sie müssen frühzeitig unterstützt, umfassend beraten und von überflüssiger Bürokratie entlastet werden. Unter dem Aspekt des allgemeinen Fachkräftemangels ist die Gesundheit pflegender Angehöriger auch in der Arbeitswelt ein wichtiges Thema“, so Klein. In weniger als zehn Jahren würden in Hamburg 50.000 Bedürftige ausschließlich von ihren Angehörigen gepflegt – ein Viertel mehr als noch 2020.
Verstärkte psychische Leiden bei Altenpflegekräften
Aufmerken lassen mit Blick auf krankheitsbedingte Ausfälle bei professionellen Altenpflegekräften in Hamburg die Zahlen des Barmer Gesundheitsreports: Im Jahr 2020 waren von 1.000 Beschäftigten der Branche 79 krankgeschrieben – und das im Schnitt fast 29 Tage. Damit liegen sowohl der Krankenstand als auch die Fehlzeiten von Altenpflegeinnen und Altenpflegern über dem Hamburg-weiten Schnitt (4,4 Prozent, bzw. 16,2 Tage). Auffällig außerdem: Die meisten Fehlzeiten gab es aufgrund psychischer Erkrankungen (26 Prozent) noch vor Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems. Als Folge daraus brauche es mehr Aufmerksamkeit für das Thema Mitarbeitergesundheit. „Die Gesundheitsförderung der Beschäftigten muss für Führungskräfte noch selbstverständlicher werden. Das kann nur erfolgreich gelingen, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv in die Ausgestaltung miteinbezogen werden. Darüber hinaus tragen ein gutes Betriebsklima und hohe Mitarbeiterzufriedenheit zur Gesundheit am Arbeitsplatz bei“, hebt Barmer-Landeschefin Klein hervor.