Erfurt, 28. Mai 2018 – Gesundheitsförderung und Prävention werden in vielen Thüringer Unternehmen noch immer stiefmütterlich behandelt. In einer Studie der Barmer und der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin (DGAUM) gaben nur 60 Prozent der knapp 800 befragten Firmen an, dass sie betriebsärztlich betreut werden. „Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen sind oft nicht ausreichend versorgt. Das Thema Gesundheit am Arbeitsplatz ist aber keine schöne Kür, sondern gehört in meinen Augen zur Pflicht fürsorglicher und zukunftsorientierter Arbeitgeber“, sagt Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Thüringen. Als häufigste Gründe für ein mangelndes Engagement im Feld der betrieblichen Prävention nannten einige Arbeitgeber, ihre Firma sei zu klein, habe zu wenige Mitarbeiter oder sei ein Familienbetrieb. Jeder vierte sagte auch ganz offen, man sehe „bisher keinen Bedarf“, in jedem zehnten Fall gaben die Firmen jedoch auch an, es sei gar nicht so einfach einen Betriebsarzt mit freien Ressourcen zu finden. Die Befragungsergebnisse sind Teil des Modellprojekts „Gesund arbeiten in Thüringen“, das die Barmer im vergangenen Jahr mit der DGAUM initiiert hat.
„Selbst gesetzliche Maßnahmen nicht flächendeckend umgesetzt“
Vize-Präsident der DGAUM, Prof. Dr. Stephan Letzel, beobachtet jedoch eine Trendwende: „Viele Betriebe und Unternehmen haben den Handlungsbedarf schon erkannt und entsprechend reagiert, denn es gilt im Wettbewerb um Arbeitskräfte auch in Zukunft zu bestehen.“ Es gebe allerdings noch Handlungsbedarf: „Selbst gesetzlich vorgegebene Maßnahmen wie beispielsweise die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung oder die arbeitsmedizinische Vorsorge, vor allem unter Einbeziehung der psychischen Belastungen, oder ein betriebliches Eingliederungsmanagement werden in Thüringen noch nicht flächendeckend umgesetzt. Für die kleinen und mittelständischen Unternehmen sollten spezielle Angebote für eine bessere Information und Beratung geschaffen werden.“ Die Befragung diene nun als wichtige Grundlage für das Modellvorhaben, um maßgeschneiderte Angebote zu entwickeln. Birgit Dziuk ergänzt: „Viel zu lange hat sich Gesundheitsförderung auf große Unternehmen konzentriert. Wir wollen aber alle erreichen. In Thüringen arbeiten über 90 Prozent der Beschäftigten in kleinen Betrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern.“
Knapp 50 Prozent der befragten Unternehmen hatten weniger als zehn Beschäftigte, ein weiteres Drittel bis zu 49 Mitarbeiter. Nur 1,2 Prozent der Betriebe gaben an, einen eigenen Betriebsarzt zu beschäftigen, knapp 40 Prozent arbeiten mit einem externen Betriebsarzt oder betriebsärztlichen Dienst zusammen, weitere 16 Prozent sind über eine Berufsgenossenschaft betriebsärztlich versorgt. Auf der Homepage des Modellprojekts „Gesund arbeiten in Thüringen“ können sich Betriebe kostenlose Informationen einholen, etwa zu Themen wie Mutterschutz, Erste Hilfe im Betrieb, Arbeitsunfälle oder Unterweisungen. Ab sofort bietet die DGAUM kostenfrei interaktive Online-Module zu arbeitsmedizinischen Themen an. Dieses Angebot richtet sich sowohl an Ärzte als auch an Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Sicherheitsbeauftragte. Das erste Modul befasst sich mit dem Thema „Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)“. Weitere Module zu unterschiedlichen Themen folgen im Laufe der kommenden Monate.