Vorhandene Daten sinnvoll für die Versorgung nutzen
Wie wichtig digitale Daten für die medizinische Versorgung sind, ist in der Corona-Pandemie noch einmal deutlich geworden. Allerdings zeigt sich, dass es im deutschen Gesundheitswesen Nachholbedarf bei der Nutzung und Verknüpfung von Daten gibt. Während der Corona-Pandemie konnten wichtige politische Entscheidungen nur auf Grundlage von Studien aus dem Ausland getroffen werden. Daten zur Effektivität der neuen Impfstoffe kamen aus Ländern wie England, USA und Israel. So konnten Studien mit ambulanten und stationären Daten aus israelischen elektronischen Patientenakten bereits nach wenigen Wochen abgeschlossen und veröffentlicht werden.
Deutschland verfügt im internationalen Vergleich über einen riesigen Schatz an sehr gut standardisierten Gesundheitsdaten, der noch immer nicht systematisch für die Versorgung genutzt wird. Anders als in anderen Ländern gibt es jedoch in Deutschland zu hohe administrative Hürden für den Zugang zu diesen Daten und zu ihrer Verknüpfung. Der Zugang zu Gesundheitsdaten muss in Zukunft deutlich erleichtert werden, auch um gesundheitspolitische Entscheidungen auf einer evidenzbasierten Grundlage zu erleichtern.
Krankenhäuser müssen bedarfsgerecht sein
Ein Beispiel für den dringenden Handlungsbedarf im Krankenhausbereich finden wir im Kreis Rendsburg-Eckernförde. Hier ist der Kreis Träger der imland-Kliniken und musste mit Kreismitteln in Höhe von ca. 18 Millionen Euro eine drohende Insolvenz der Häuser in Rendsburg und Eckernförde abwenden. Damit der hochdefizitäre Betrieb nicht jedes Jahr ein solch großes Loch in den Kreishaushalt reißt, hat der Kreis eine Bedarfsanalyse in Auftrag gegeben. Dieses Vorgehen ist absolut sinnvoll und sollte jeder Veränderungsplanung vorangehen – immer auch unter Berücksichtigung der regional vorhandenen ambulanten Kapazitäten.
Die für die imland-Kliniken vorgestellte Analyse soll als Grundlage einer Medizinstrategie in der Region dienen, über die Anfang nächsten Jahres entschieden werden soll. Erste Ergebnisse der Analyse liegen vor. Sinkende Fallzahlen machen beiden Häusern Sorgen, weil sich schon jetzt weniger als die Hälfte der Patienten aus dem Kreis an den Standorten Eckernförde oder Rendsburg behandeln lassen, sondern zum Beispiel den Maximalversorger UKSH in Kiel als Behandlungsstätte wählen. Den kleinen imland-Standort in Eckernförde schätzen die Gutachter bereits als nicht versorgungsrelevant ein. Allerdings könnte auch ein kompletter Wegfall des Standorts nicht kompensiert werden.
Es bleibt abzuwarten, wie die Entscheidung dort ausfallen wird. Wir als Barmer streben nach einer tiefgreifenden Strukturreform in diesem Sektor, in dem die Qualität der Versorgung für die Patienten im Vordergrund steht. In dieser Qualitätsoffensive sehen wir drei Versorgungsstufen, nämlich die Gewährleistung einer wohnortnahen Grundversorgung, die Konzentration von Versorgung beispielsweise von Schlaganfällen oder Herzinfarkten in leistungsfähigen Einrichtungen der Regelversorgung sowie die Maximal- und Spezialversorgung für komplexe und seltene Erkrankungen. Vielleicht birgt diese Region in Schleswig-Holstein eine Chance, um die Versorgung vor Ort zukunftsfähig und sektorenübergreifend zu gestalten.
Dass von Seiten der Kommunen unter allen Umständen am eigenen Vor-Ort-Krankenhaus festgehalten wird, ist gesundheitspolitisch nicht nachvollziehbar. Selbst die Belegschaft von betroffenen Krankenhäusern, wie etwa in Pinneberg und Elmshorn, sprechen sich für einen Neubau an einem neuen Standort aus.
Zur Absicherung von Krankenhäusern gehört aber auch eine ausreichende und verlässliche Finanzierung der Krankenhausinvestitionen. Diesbezüglich sind die Bundesländer ihrer gesetzlichen Verpflichtung in der Vergangenheit allerdings nur unzureichend nachgekommen. In Sachen Neubau wird deshalb noch viel Überzeugungsarbeit im Finanz- und Gesundheitsministerium zu leisten sein.
Es braucht eine umfassende Krankenhausstrukturreform
Um die Defizite im Bereich der stationären Versorgung zu beheben, ist eine konsequente und umfassende Reform der Krankenhausstrukturen in Deutschland notwendig. Eine Anpassung der Krankenhauslandschaft bildet aus meiner Sicht die Grundlage für eine Weiterentwicklung des DRG-Vergütungssystems, das sich als Finanzierungsinstrument aufgrund seiner Leistungsorientierung grundsätzlich bewährt hat. Da die Vorhaltekosten der Krankenhäuser in den Versorgungsstufen stark variieren, müssen diese in einem ersten Schritt vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) kalkuliert werden. Die DRG müssen dabei nach den Versorgungsstufen differenzierter ausgestaltet werden. Leistungen können auf diese Weise besser abgebildet und angemessen finanziert werden. Um die Grenzen zwischen dem ambulanten und stationären Bereich zu überwinden, muss auch das Vergütungssystem auf Dauer sektorenübergreifend ausgestaltet werden.
Lesen Sie auch unseren Artikel über die Vorschläge der Barmer zur Weiterentwicklung von Planung, Finanzierung und Vergütung im Krankenhausbereich.
Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung
Seit einigen Tagen liegt der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung vor. In den Ausführungen zur Krankenhausplanung und –finanzierung finden sich leider keine Hinweise zu Qualitätsaspekten in der Krankenhausversorgung. Die überwiegende Fokussierung auf die Erreichbarkeit eines Krankenhauses wird nicht zu einer dringend notwendigen Reform der Strukturen im Krankenhaussektor beitragen. Hier muss die vorgesehene Regierungskommission unbedingt nochmal nachjustieren.