Kiel, 24. Oktober 2024 – In Schleswig-Holstein haben trotz Impfempfehlung rund 36 Prozent der 17-jährigen Mädchen keine ausreichende HPV-Impfung erhalten, was jährlich etwa 4.700 betroffene Mädchen im Land entspricht. Bei den Jungen bis 13 Jahren liegt der Anteil ohne entsprechenden Schutz sogar bei 72,4 Prozent. Diese Erkenntnisse stammen aus einer Analyse des aktuellen Barmer-Arzneimittelreports, der die Versichertendaten der Kasse auswertet. Dr. Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der Barmer in Schleswig-Holstein, weist darauf hin: „Das humane Papillomavirus ist für die Hälfte aller virusbedingten bösartigen Tumore und für fast 100 Prozent der Fälle von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich. Eine HPV-Impfung kann diese Krebserkrankung verhindern und Todesfälle vermeiden“. Besorgniserregend sei der erhebliche Rückgang der Impfquote bundesweit zum Ende der Corona-Pandemie. Der Report zeigt, dass die Impfaktivität zwischen 2021 und 2022 deutlich abgenommen hat. In Schleswig-Holstein verringerte sich die Rate bei Mädchen und jungen Frauen um 22,4 Prozent und bei Jungen und jungen Männern sogar um 31,9 Prozent. Ein möglicher Grund für diesen Rückgang könnte ein mangelndes Bewusstsein über die Bedeutung der HPV-Impfung sein.
Auch Jungen profitieren von der Schutzwirkung der HPV-Impfung
Gebärmutterhalskrebs zählt in Schleswig-Holstein zu den häufigsten Tumorerkrankungen bei Frauen, nach Brust-, Haut- und Darmkrebs. Die Ursache für diesen Krebs ist fast immer eine HPV-Infektion, die mit einer Impfung vermieden werden kann. HPV-bedingte Krebsarten wie Anal- oder Rachenkrebs können auch bei Jungen und Männern auftreten, wenn auch seltener als bei Frauen. Darüber hinaus können auch beim männlichen Geschlecht sehr unangenehme Genitalwarzen entstehen. Außerdem sind Jungen und Männer potenzielle Überträger des Virus und können mit der Impfung nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Partnerinnen und Partner schützen. Seit 2018 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut die HPV-Impfung auch für Jungen und junge Männer. Eltern sollten ihre Kinder gemäß STIKO unabhängig vom Geschlecht bereits ab dem Alter von neun Jahren impfen lassen.
Kinderärzte führen immer häufiger HPV-Impfung durch
Laut dem Barmer-Arzneimittelreport hat sich das Impfverhalten der beteiligten Ärztinnen und Ärzte in den vergangenen Jahren geändert. Im Jahr 2015 führten Kinderärzte 50,6 Prozent der Erstimpfungen bei Mädchen durch. Bis 2022 stieg dieser Anteil auf 68,1 Prozent. Im Vergleich dazu blieb der Anteil der Hausärzte konstant, die etwa jede sechste Erstimpfung vornahmen. Bei Gynäkologen hingegen sank der Anteil von 32,7 Prozent im Jahr 2015 auf 18,2 Prozent im Jahr 2022. "Die Empfehlung des Robert Koch-Instituts aus dem Jahr 2014, die HPV-Impfung bereits ab dem neunten Lebensjahr durchzuführen, hat die Rolle der Kinderärzte weiter gestärkt. Sie sind mittlerweile die primären Ansprechpartner für HPV-Impfungen bei Jungen und Mädchen", erklärt Hillebrandt.
Schleswig-Holstein bei Impfquoten im Westen auf Platz zwei
Der Barmer-Arzneimittelreport zeigt große regionale Unterschiede bei den HPV-Impfquoten. Spitzenreiter ist Sachsen-Anhalt, wo 75,7 Prozent der Mädchen und jungen Frauen vollständig geimpft sind. Schleswig-Holstein erreicht mit einer Impfquote von 64,4 Prozent hinter Rheinland-Pfalz (64,9 Prozent) die zweithöchsten vollständigen Impfraten unter den westdeutschen Bundesländern. Trotzdem sind mehr als ein Drittel der Mädchen und jungen Frauen in Schleswig-Holstein nicht ausreichend geschützt. Auch bei den Jungen (bis 13 Jahren) liegt die Impfquote in Schleswig-Holstein mit 38,2 Prozent über dem bundesweiten Durchschnitt. Es besteht weiterhin Nachholbedarf in der Aufklärung über die Risiken einer HPV-Infektion und die Schutzwirkung der Impfung.
Zusätzliche Früherkennungsuntersuchung bis zehn Jahre sinnvoll
Um die Akzeptanz und Sensibilität für die HPV-Impfung zu steigern, hält die Barmer die Einführung einer zusätzlichen Kindervorsorgeuntersuchung im Alter von neun bis zehn Jahren (U10) für sinnvoll. Diese Untersuchung könnte genutzt werden, um den Impfstatus zu überprüfen und über den Nutzen sowie die Risiken fehlender Impfungen aufzuklären. „Ein Erinnerungssystem für nicht und unvollständig HPV-Geimpfte kann zusätzlich dazu beitragen, die Impfquote zu erhöhen. Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) könnte hierbei sehr hilfreich sein, um ungeimpfte Kinder zu identifizieren und rechtzeitig über die Impfung zu informieren“, sagt Hillebrandt. Dies sei besonders wichtig angesichts sinkender Impfquoten. Die Barmer schicke deshalb Mitte November eine HPV-Impferinnerung an Eltern von Kindern, deren HPV-Impfschutz nicht vervollständigt wurde.