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Apps auf Rezept – Durchwachsene Nutzenbilanz für Digitale Gesundheitsanwendungen

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Frankfurt, 18. Juni 2024 - Seit 1. Januar 2020 können Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) von Behandlerinnen und Behandlern verordnet werden. Therapieerfolge bleiben allerdings oft hinter den Erwartungen der Patientinnen und Patienten zurück. Das zeigt der aktuelle Arztreport der Barmer. Im Jahr 2022 wurden in Hessen rund 17.000 DiGA verordnet, rund 2,6 Mal so viele wie im Vorjahr. Das entspricht rund 266 Verordnungen je 100.000 Menschen in Hessen. Laut bundesweiter Umfrage der Barmer unter 1.700 DiGA-Nutzerinnen und -Nutzern beendeten 47 Prozent die Anwendung der verordneten Apps vor Ablauf der vorgesehenen Erstanwendungsdauer von 90 Tagen. Rund 15 Prozent brachen die Behandlung mit ihrer DiGA schon im ersten Monat ab. Etwa 35 Prozent der Patientinnen und Patienten, die ihre Nutzung vorzeitig aufgaben, nannten als Grund, die Anwendung habe ihre Erwartungen nicht erfüllt. „Digitale Gesundheitsanwendungen bieten ohne Zweifel Mehrwerte und können unsere Versorgung erheblich verbessern. Derzeit bestehen aber noch Unsicherheiten und großer Orientierungsbedarf bei allen Beteiligten. Patientinnen und Patienten müssen zukünftig besser auf den Einsatz der Apps in ihrem Alltag vorbereitet werden. Dies gelingt mit Transparenz, guter Kommunikation und digitaler Gesundheitskompetenz“, sagt Martin Till, Landeschef der Barmer in Hessen.

Behandlerinnen und Behandler noch nicht fit für die DiGA

Viele Behandlerinnen und Behandler schätzen ihre Kenntnisse über DiGA noch als unzureichend ein. So zeigte die Umfrage der Barmer, dass zwar 95 Prozent der Befragten die Möglichkeit, eine DiGA zu verordnen, grundsätzlich bekannt war, rund ein Drittel schätzten ihren Kenntnisstand zum Thema DiGA jedoch als ‚schlecht‘ oder ‚sehr schlecht‘ ein. Das DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatten 45 Prozent der Behandlerinnen und Behandler nach eigenen Angaben noch nie genutzt. „Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz der Gesundheits-Apps sind umfangreiche Kenntnisse über Einsatz und Wirkung der digitalen Anwendungen bei allen Beteiligten“, so Till. Nur so könnten realistische Erwartungen über den therapeutischen Nutzen und ein effektiver Einsatz der Anwendungen entstehen. Es sei erwartbar, dass das Interesse an DiGA in der Bevölkerung rasch ansteige. Die hessischen Arztpraxen müssten dann eine verlässliche Anlaufstelle für erste Beratungen und einen Einstieg in die digitalen Anwendungen sein. „Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sollten schon während der Ausbildung stärker für das Thema digitale Gesundheitsversorgung sensibilisiert werden, um digitale Kompetenzen aufzubauen“, meint Till.

Rahmenbedingungen für erfolgreichen DiGA-Einsatz verbessern

„In Zukunft werden Digitale Gesundheitsanwendungen, als Teil einer insgesamt digitaleren Gesundheitsversorgung, eine zunehmende Rolle spielen. Die Umfrage der Barmer zeigt, dass schon jetzt mehr als 70 Prozent der befragten Behandlerinnen und Behandler von ihren Patientinnen und Patienten auf die DiGA angesprochen wurden. Es ist deshalb wichtig, jetzt die Rahmenbedingungen so zu verbessern, damit die Anwendungen in Zukunft ihr volles Potential entfalten können. Transparenz für alle Beteiligten ist ein entscheidender Faktor. Arztpraxen benötigen ausreichende und schnell verfügbare Informationen über DiGA in ihrer Praxissoftware, um eine bestmögliche Verordnungssicherheit und Beratung zu ermöglichen. Es sollte Behandlerinnen und Behandlern leicht gemacht werden, den neuen Informationsbedarf im oft herausfordernden Praxisalltag auch gerecht zu werden. Das DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sollte zukünftig die Inhalte und Funktionalität von DiGA einheitlich und verständlich darstellen. Click-Dummys, die einen Einblick in die Funktionsweise der Apps bieten, könnten eine wichtige Entscheidungshilfe für alle Interessierten sein. Keiner beteiligten Partei, am wenigsten den Patientinnen und Patienten, ist zudem geholfen, wenn die verordneten Gesundheitsapps überfordern oder den Erwartungen nicht entsprechen. Deshalb ist ein Testzeitraum von 14 Tagen für Patientinnen und Patienten sinnvoll, um die verordnete DiGA zunächst zu prüfen, bevor der übliche 90-Tage-Nutzungszeitraum beginnt. Wächst das Angebot, gewinnen DiGA-Nutzende in diesem Testzeitraum auch die Freiheit, sich für das individuell vielversprechendste Produkt auf dem Markt entscheiden zu können“, führt Barmer-Landeschef Till aus.


Hintergrund:
Für den Barmer Arztreport wurden Routinedaten der Barmer auf die Gesamtbevölkerung Deutschlands resp. Hessens hochgerechnet. Die Barmer versichert bundesweit rund 8,7 Mio. Menschen, rund 744.000 davon in Hessen. Die Einschätzungen und Erfahrungen von Patientinnen und Patienten sowie Behandlerinnen und Behandlern wurden im Jahr 2023 in zwei unterschiedlichen Befragungen erhoben. Es wurden bundesweit mehr als 1.700 Personen mit DiGA-Verordnung befragt, sowie 1.000 Behandlerinnen und Behandlern. Das durchschnittliche Alter der befragten Behandlerinnen und Behandler lag bei rund 54 Jahren. Das Durchschnittsalter in der Patientengruppe bei rund 49 Jahren.
Weitere Informationen, Recherchemöglichkeiten und Angaben zur Methode und Datengrundlage finden Sie unter: https://www.bifg.de/publikationen/reporte/arztreport-2024
 

Kontakt für die Presse:

Dr. Carlo Thielmann
Pressesprecher Barmer Hessen
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