Cover Arztreport 2024
Barmer-Arztreport 2024

Apps auf Rezept bleiben hinter der Erwartung zurück

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Stuttgart, 10. Juli 2024 – Seit Oktober 2020 können Ärztinnen, Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) auf Kassenkosten verordnen. Doch bisher haben sich die Apps auf Rezept in Baden-Württemberg bisher nicht durchgesetzt. Sie haben weder die Versorgung in medizinisch strukturschwachen Regionen verbessert noch haben sie andere Behandlungsmethoden ersetzt. Das sind Erkenntnisse aus dem aktuellen Barmer-Arztreport.

Für diesen wurden die Verordnungsdaten der Jahre 2020 bis 2022 ausgewertet und auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet. In diesem Zeitraum wurde in Baden-Württemberg rund 43.000 Mal eine DiGA verschrieben. Und das bei mehr als 10 Millionen Arztkontakten jährlich. "Zwar hat sich die Zahl der verordneten DiGA von 2021 auf 2022 verdoppelt. Wenn ich mir aber das Gesamtergebnis ansehe und mir vor Augen führe, welches Potenzial in den Apps auf Rezept von manchen gesehen wurde, dann muss ich sagen, dass die DiGA hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben sind", sagt Winfried Plötze, Landesgeschäftsführer der Barmer in Baden-Württemberg.

DiGA werden vor allem in den Städten verordnet

Mit dem Inkrafttreten des Digitalen Versorgungsgesetzes wurde diskutiert, ob die DiGA die Versorgung in medizinisch strukturschwachen Regionen verbessern könnten. Doch das hat sich nicht bestätigt. Denn der Barmer-Arztreport zeigt, dass die DiGA vor allem in städtischen Lagen verordnet werden. An der Spitze der Tabelle der Bundesländer stehen die Stadtstaaten Berlin und Hamburg mit 337 und 328 DiGA-Verordnungen je 100.000 Einwohner, gefolgt von NRW mit seinen vielen Ballungszentren mit 302 Verordnungen je 100.000 Menschen. Auf den hinteren Plätzen landen dünner besiedelte Bundesländer wie das Saarland (188 Verordnungen je 100.000 Einwohner), Mecklenburg-Vorpommern (220) und Thüringen (231). Baden-Württemberg liegt mit 249 Verordnungen je 100.000 Einwohner auf Platz zehn.

Infografik zum Barmer-Arztreport 2024: Berlin DiGA Spitzenreiter

Wenig Wissen über DiGA

DiGA werden in Baden-Württemberg am häufigsten von den Hausärztinnen und Hausärzten verordnet. Und meistens werden die Apps auf Rezept in Kombination mit einer anderen Behandlungsmethode verschrieben. Eine substituierende Wirkung der DiGA ist also nicht erkennbar. In einer bundesweiten Umfrage der Barmer unter mehr als 1.000 verordnenden Behandlerinnen und Behandlern sagten rund 44 Prozent, dass sie noch nie eine DiGA verschrieben hätten. Ein Drittel bescheinigt sich selbst einen schlechten Kenntnisstand über die DiGA. "Diese Wissenslücke dürfte auch ein Grund dafür sein, dass die Apps auf Rezept bisher zurückhaltend und wenn, dann nicht selten falsch verordnet werden. Etwa unter Missachtung der Indikationsvorgaben oder einer vorliegenden Kontraindikation", sagt Plötze.

Infografik zum Barmer-Arztreport 2024: Wenig DiGA-Kenntnisse bei einem Drittel der Ärztinnen und Ärzte

Ein Drittel bricht die Nutzung der DiGA vorzeitig ab

Unter den mehr als 1.700 für den Arztreport befragten Versicherten nutzten etwa 600 Personen den digitalen Helfer nicht über die vorgesehene Erstanwendungsdauer von 90 Tagen, darunter 230 weniger als einen Monat. Der häufigste Grund: Die Anwendung habe ihre Erwartung nicht erfüllt. Ärgerlich ist, dass die DiGA aber automatisch für 90 Tage verschrieben und für diese Dauer auch von der Krankenkasse bezahlt wurde. Die Barmer plädiert deshalb für einen 14-tägigen Testzeitraum. In diesen zwei Wochen könnten die Versicherten prüfen, ob ihnen der Umgang mit der DiGA wirklich liegt und ob sie für sie persönlich hilfreich ist.

Kassen zahlen durchschnittlich 367 Euro für eine DiGA

Die Hersteller dürfen im ersten Jahr, in dem ihre DiGA ins Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte aufgenommen wird, einen x-beliebigen Betrag für ihr Produkt aufrufen. Das gilt auch für Anwendungen, die nur vorläufig in das Verzeichnis aufgenommen werden, weil deren Wirksamkeit noch nicht nachgewiesen wurde. Die Kassen müssen diesen Preis bezahlen. Im Mittel waren das 367 Euro für 90 Tage. "Hier muss ein Missstand behoben werden", sagt Winfried Plötze. "Die Krankenkassen sind keine Sparkassen. Aber wir sind auch keine Wirtschaftsförderer. Dass wir Versichertengelder für Produkte ausgeben müssen, die möglicherweise wirkungslos sind, das darf nicht sein."

Für den Arztreport 2024 wertete die Barmer die DiGA-Verordnungen ihrer bundesweit rund 8,5 Mio. Versicherten aus und rechnete die Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung hoch. In Baden-Württemberg versichert die Barmer rund 748.00 Menschen. Zusätzlich führte die Barmer eine repräsentative Umfrage unter 1.700 Versicherten und 1.000 Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in ganz Deutschland durch.

 

 

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