In Deutschland überrollt uns gerade eine Streikwelle nach der anderen. Die Lokführer streiken, die Flughafenmitarbeitenden, die Ärztinnen und Ärzte im ambulanten wie im stationären Sektor, Apothekerinnen und Apotheker und auch die Krankenkassenmitarbeitenden. Es geht um mehr Geld, bessere Arbeitsbedingungen und ein Absenken der Wochenarbeitszeit.
All das ist verständlich. Die Preise für den Lebensunterhalt sind enorm gestiegen und die bereits abgeschlossenen Tarifverhandlungen führen zu steigenden Personalkosten. Diese müssen die Unternehmen aufbringen. Für das Gesundheitssystem heißt das unter anderem steigende Kosten für Personal in den Kliniken aber auch in den ambulant tätigen Praxen. Die Forderungen nach einem Ausgleich hierfür sind ebenfalls verständlich. Aber wer bezahlt das? Am Ende die Versicherten, die aber bereits die höheren Lebenshaltungskosten zu tragen haben. Im freien Markt würden die Preise steigen. Das ist im Gesundheitssystem nicht so einfach, denn das System ist stark reguliert. Das gilt auch für die Preisanpassungen für die medizinischen Leistungen, die über Honorar- und Budgetverhandlungen ausgehandelt werden.
Mehr Geld ins Gesundheitssystem zu geben, ist schon lange keine Lösung mehr. Auf mehr Geld folgt innerhalb kurzer Zeit die erneute Forderung nach (noch) mehr Geld. Wir brauchen andere Lösungen, die wir ja auch diskutieren: Einsatz von Digitalisierung, Strukturanpassungen – zum Beispiel im Krankenhaussektor, aber vor allem auch in der Verzahnung von ambulant und stationär sowie bessere Steuerung von Patientinnen und Patienten etwa in der Notfallversorgung und vieles mehr. Doch wir tun uns schwer dabei, das auch umzusetzen. Zu viele unterschiedliche Interessen stoßen aufeinander. Wie lassen sich diese zusammenbringen? Es braucht Verständnis füreinander und Lösungsansätze, die – anstatt eines Gegeneinanders – ein Miteinander ermöglichen; es braucht Kooperation!
Tarifverhandlungen führen dann zum Erfolg, wenn die Verhandlungspartner aufeinander zugehen und jeder ein Stück von seinen Forderungen abweicht: man findet einen Kompromiss. So ist es auch im Gesundheitssystem. Es wird verhandelt, jeder weicht ein bisschen von seinen Forderungen ab und die Lösung ist ein Kompromiss. So läuft es beispielsweise gerade in der Diskussion um die Krankenhausstrukturreform. Nur: Ist dieser Kompromiss die beste Lösung? Und wenn ja, für wen? Für die Länder? Für die Kliniken? Für die Ärztinnen und Ärzte? Sollten nicht die Patienten im Mittelpunkt des Systems stehen? Wie sähe eine Lösung aus, wenn es tatsächlich um das Wohl der Patienten ginge – genau so oder doch anders? Was ist überhaupt das Wohl des Patienten? Das, was die professionellen Akteure im System definieren?
Auch hier gilt es, einen Kompromiss zu finden. Möchten die Patienten wahrscheinlich ihr Krankenhaus um die Ecke behalten, spricht doch vieles dagegen, wenn Fallzahlen zu gering sind, Mindestmengen nicht erfüllt werden können und damit die Qualität nicht ausreichend validiert ist. Denn Menge führt nun mal zu einer besseren Qualität in der Versorgung – zum Wohle der Patienten. Auch hier stoßen also unterschiedliche Positionen aufeinander und es braucht Verständnis füreinander, Aufklärung und Kooperation.