Eine Ärztin füllt eine Krankschreibung aus
STANDORTinfo Hamburg

Abschied vom Durchschnittsmenschen

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Aus dem kleinen Unterschied zwischen Frauen und Männern wird beim Thema Gesundheit ein sehr großer. So groß, dass er nicht mehr ignoriert werden darf. Das hat sich die Barmer bereits vor einiger Zeit auf die Fahnen geschrieben und fordert mehr Ungleichbehandlung sowie eine viel stärkere Geschlechtersensibilität.

Denn Frauen und Männer werden unterschiedlich krank, weshalb auch Diagnostik und Therapie unterschiedliche Ansätze verfolgen müssen. Diese These untermauert der Schwerpunkt im aktuellen Gesundheitsreport 2022, der Fehlzeiten aufgrund von Arbeitsunfähigkeiten analysiert hat. Demnach fallen Hamburgs Männer aufgrund von Verletzungen im Beruf durchschnittlich etwa 30 Prozent länger aus als Frauen, aufgrund von Herzerkrankungen fehlen sie sogar 42 Prozent länger. Frauen in der Stadt fallen dagegen wegen psychischer Störungen bis zu 65 Prozent länger aus als Männer. „Selbst wenn Frauen und Männer in identischen Berufsspektren arbeiteten, gäbe es auffällige geschlechtsspezifische Unterschiede. Diese sind auch bei der medizinischen Versorgung von Frauen und Männern relevant. Das bedeutet, dass beide Geschlechter unterschiedlich behandelt oder therapiert werden müssen. Doch das passiert leider noch viel zu selten. Die Medizin orientiert sich generell zu stark an einem Durchschnittsmenschen, den es so nicht gibt“, sagt Dr. Susanne Klein, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Hamburg. 

Insbesondere wenn jede Sekunde zählt, um Leben zu retten, sei der geschlechtsspezifische Blick von Ärztinnen und Ärzten gefordert. Beispielsweise kündige sich ein Herzinfarkt bei Männern häufig durch ein Druck- oder Engegefühl in der Brust sowie Schmerzen im linken Arm an. Bei Frauen gehören eher Übelkeit und Rückenschmerzen zu den typischen Begleiterscheinungen oder Vorboten. 

Ungleichbehandlung schon bei der Prävention 

Mehr Differenzierung zwischen den Geschlechtern könne die Gesundheitsversorgung für alle Menschen verbessern. Das beginne bereits bei der Prävention. Erforderlich seien geschlechtsspezifische Angebote für den jeweiligen Arbeitsplatz. Für mehr Arbeitssicherheit bedürfe es einer Verhaltensprävention, mit deren Hilfe etwa das Verletzungsrisiko für jüngere Männer möglichst gering bleibt. Bei ihnen sind nach Daten des Gesundheitsreports insbesondere Handverletzungen geschlechtstypisch, was mit einer häufigeren Tätigkeit von Männern im Handwerk zusammenhängen könnte oder mit einem möglicherweise anderen Risikoempfinden. Dem gegenüber haben Frauen mehr Fehltage aufgrund von psychischen Erkrankungen. 

Insgesamt haben die Menschen in Hamburg im vergangenen Jahr seltener krankheitsbedingt bei der Arbeit gefehlt als der Bundesschnitt. Der Krankenstand 2021 lag bei 4,12 Prozent (Bund: 4,79 Prozent). Eine ‚Erwerbsperson‘ (gemeint sind sozialversicherungspflichtige Beschäftigte oder ALG1-Bezieher) war durchschnittlich 15,05 Tage arbeitsunfähig (Bund: 17,5 Tage).
 

Bild: AdobeStock/Henrik Dolle