Berlin, 7. Februar 2020 – Seit Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes im Jahr 2017 hat die Barmer bis Ende Januar dieses Jahres 14.986 Anträge auf Cannabis-haltige Arzneimittel erhalten. Davon wurden 10.255, also 68,4 Prozent bewilligt und 4.731 abgelehnt. Das geht aus einer aktuellen Analyse der Barmer anlässlich des dreijährigen Bestehens des Cannabis-Gesetzes hervor. „Cannabis ist ein hoch komplexes Arzneimittel, das medizinisches Spezialwissen erfordert. Richtig eingesetzt kann es für schwerkranke Patientinnen und Patienten eine wertvolle Therapieoption sein, allerdings kein Allheilmittel. Cannabis-haltige Arzneimittel sollten daher nur durch Ärzte verordnet werden, die sich mit der kompletten therapeutischen Breite des Medikamentes und seinen verschiedenen Inhaltsstoffen auskennen“, sagt Dr. Ursula Marschall, leitende Medizinerin bei der Barmer. Damit komme Cannabis als Medizin noch gezielter als bisher bei den Patientinnen und Patienten zum Einsatz, die davon tatsächlich profitieren. Auf diesem Wege dürften auch die Ablehnungsquoten weiter zurückgehen.
Zahl der Anträge über die Jahre gestiegen
Nach der Barmer-Analyse ist die Zahl der Anträge auf Kostenübernahme Cannabis-haltiger Arzneimittel in den vergangenen Jahren gestiegen. Während es sich von März bis einschließlich Dezember 2017 um 3.090 Anträge gehandelt habe, waren es im darauffolgenden Jahr 5.238 und im vergangenen Jahr 6.094 Anträge. Während die Bewilligungsquote im 2017er-Zeitraum bei 65 Prozent gelegen hatte, stieg sie im Jahr 2018 auf 72 Prozent an und ging im vergangenen Jahr zurück auf 67 Prozent. „Cannabis-Anträge werden zum Beispiel dann abgelehnt, wenn sie bei Krankheitsbildern zum Einsatz kommen sollen, für die andere Therapiealternativen noch nicht geprüft wurden“, sagt Marschall. Dagegen helfe Cannabis besonders gut bei speziellen Nervenschmerzen, die häufig stärker seien als Krebsschmerzen.
Deutliche regionale Unterschiede bei den Bewilligungen
Wie aus der Barmer-Analyse hervorgeht, wurden in den vergangenen knapp drei Jahren die meisten Anträge auf Kostenübernahme Cannabis-haltiger Präparate in Bayern mit 3.029 gestellt, gefolgt von Nordrhein-Westfalen (2.871) und Baden-Württemberg (1.310). „In Bayern gibt es auch deshalb so viele Cannabis-Verordnungen, weil es dort sei Mitte der 90er-Jahre einen Forschungsschwerpunkt an der Universität München gab. Dementsprechend erfahren sind die Ärzte mit der Formulierung der Anträge“, sagt Marschall. Dies sei nicht überall in gleichem Maße der Fall, wodurch es in manchen Regionen zu niedrigeren Bewilligungsquoten kommen könne. Diese reichten von 77,8 Prozent in Sachsen-Anhalt bis hin zu 56,4 Prozent in Hessen. „Wenn in manchen Regionen viel weniger Cannabis-Anträge bewilligt werden können als in anderen, kann dies auch an Informationsdefiziten und fehlerhaften Anträgen liegen. Hier ist zusätzliche Aufklärung erforderlich“, sagt Marschall.
Cannabis-Blüten bedenklich häufig verordnet
Laut der Analyse bekamen Barmer-Versicherte seit März 2017 fast 83.000 Packungen Cannabis-haltiger Präparate im Wert von etwa 35,3 Millionen Euro verordnet. Darunter waren fast 20.000 Packungen unverarbeiteter Cannabisblüten. „Die Nachfrage nach Cannabisblüten ist so hoch, dass es mitunter zu Lieferengpässen kommen kann. Dabei ist deren Einsatz nicht unproblematisch. Anders als Rezepturen und Fertigarzneimittel weisen sie sehr unterschiedliche Wirkstoffmengen auf und sind schwer dosierbar“, so Marschall. Hier sei vor allem das ärztliche Spezialwissen bei der sachgerechten Verordnung gefragt, damit die Blüten in ein therapeutisches Gesamtkonzept eingebaut würden. Zudem seien Cannabisblüten auch teurer als Cannabis-haltige Kapseln und Sprays.