Knapp 85 Prozent aller Patientinnen und Patienten über 65 Jahre werden in Deutschland nach einem Schlaganfall entweder rehabilitativ oder mit Heilmitteln behandelt. Allerdings klaffen weiterhin Lücken bei der ganzheitlichen und interdisziplinären Versorgung im Krankenhaus. So wird nur gut jeder Zweite auf einer speziellen Schlaganfallstation, einer sogenannten Stroke Unit, behandelt. Das geht aus dem Heil- und Hilfsmittelreport 2015 der Barmer GEK hervor.
Demnach bekam im Jahr 2012 nur gut die Hälfte der über 65-jährigen Schlaganfallpatienten eine neurologische Komplexbehandlung, die auf einer Spezialstation unter anderem mit Neurologen, Logopäden und Physiotherapeuten erfolgt. "Bei einem Schlaganfall kommt es auf Minuten und eine sehr individuelle Behandlung an, die eine Spezialstation am besten leisten kann. Hier scheinen noch Verbesserungen in der Akutversorgung des Schlaganfalls möglich zu sein", sagte der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Dr. Christoph Straub.
Laut Report bekamen von den betroffenen Schlaganfallpatienten 54,7 Prozent eine neurologische Komplexbehandlung und 7,1 Prozent eine Frührehabilitation im Krankenhaus. 90,8 Prozent der Patienten überlebten ihren Schlaganfall dank der guten medizinischen Versorgung in den Kliniken. Erstaunlich sei, dass lediglich 38,7 Prozent dieser Patienten eine Rehabilitation begannen, überwiegend direkt nach dem Klinikaufenthalt. In den ersten drei Monaten nach dem Krankenhausaufenthalt bekamen 21 Prozent der Patienten eine normale und 14,5 Prozent eine spezielle Krankengymnastik verordnet, 11,6 Prozent eine Ergotherapie.
Mangelhafte Therapie-Leitlinien
Nach Einschätzung des Reports ist die rehabilitative Versorgung nach einem Schlaganfall überwiegend kurzfristig ausgerichtet. In den medizinischen Leitlinien fehlen Empfehlungen, ob und unter welchen Bedingungen eine längerfristige Therapie sinnvoll ist. "Eine Überarbeitung der Schlaganfall-Leitlinien wäre sinnvoll, um die Therapie, so individuell sie auch sein mag und muss, nachhaltiger anzulegen", sagte der Autor des Barmer GEK Heil- und Hilfsmittelreports, Professor Gerd Glaeske vom Forschungsinstitut SOCIUM der Universität Bremen (früher Zentrum für Sozialpolitik ZeS). Der Report kritisiert zudem, dass die Leitlinien zu den rehabilitativen Maßnahmen nach einem Schlaganfall nicht den höchsten wissenschaftlichen Standards entsprechen. "Im Sinne einer bestmöglichen Patientenversorgung sind weitere Studien erforderlich, um die Leitlinien zur rehabilitativen Schlaganfallbehandlung zu optimieren", sagte Glaeske.
Steigende Ausgaben bei Heil- und Hilfsmitteln
Straub verwies zudem auf die teils großen Ausgabensteigerungen im Bereich der Heil- und Hilfsmittel im Jahr 2014. So sind die Kosten für Heilmittel, zu denen die Physio-, Ergo- und Logopädie gehören, in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) um 8,1 Prozent auf 5,69 Milliarden Euro gestiegen. Bei der Barmer GEK erhöhten sich die Ausgaben um 8,2 Prozent auf 760,5 Millionen Euro. Die höchsten Ausgaben kamen dabei in der Physiotherapie mit 66,59 Euro je Versicherten (plus 7,67 Prozent gegenüber dem Vorjahr) zustande, gefolgt von der Ergotherapie mit 12,37 Euro (plus 8,48 Prozent), der Logopädie mit 8,27 Euro (plus 8,62 Prozent) und der Podologie mit 1,60 Euro (plus 17,04 Prozent).
Umfassende Nutzenbewertung erforderlich
Bei den Hilfsmitteln, zu denen etwa Rollstühle und Hörgeräte gehören, stiegen die Kosten GKV-weit um 9,4 Prozent auf 7,44 Milliarden Euro. Bei der Barmer GEK schnellten sie um 10,9 Prozent auf 836,4 Millionen Euro nach oben. "Auch Hilfsmittel sollten umfassend einer Nutzenbewertung unterzogen werden, die Nutzen und Sicherheit für die Patienten klärt. Es ist nicht zielführend, nur Medizinprodukte mit einer hohen Risikoklasse zu prüfen, wie es das Versorgungsstärkungsgesetz vorgibt", sagte Straub.
Insgesamt haben im Jahr 2014 bei der Barmer GEK 1,9 Millionen Versicherte Heilmittel und 2,0 Millionen Versicherte Hilfsmittel verordnet bekommen. Das ist ein Anstieg um jeweils 3,2 Prozent innerhalb eines Jahres, der nach Einschätzung der Autoren nur schwerlich auf die demografische Entwicklung zurückgeführt werden kann.