Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Medikamente auf dem Markt, und Patienten und Ärzte setzen viele Hoffnungen in diese Präparate. Doch nicht alle Arzneimittel, die neu sind, sind tatsächlich besser. Das belegt der Barmer GEK Arzneimittelreport 2014.
Immer noch etwa 20 bis 30 Prozent der Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung Jahr für Jahr auf sogenannte Me-too-Präparate oder Scheininnovationen. "Diese Arzneimittel sind überflüssig und teuer, und für die Patienten, die auf eine bessere Behandlung hoffen, haben sie keinen erkennbaren Mehrwert", kritisiert Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Barmer GEK. Zudem wäre ein Einsparpotential von drei bis vier Milliarden Euro zu erreichen, wenn gleichwertige preisgünstige Generika mit bewährten Wirkstoffen verordnet werden würden.
Gutes Zeugnis für Amnog
Es sei sehr sinnvoll gewesen, mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (Amnog) einen Filter einzubauen, um echte Innovationen von Scheininnovationen zu trennen. Seit seinem Inkrafttreten vor drei Jahren gilt, dass für neue Arzneimittel mit nachweisbarem Zusatznutzen der Hersteller mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen einen Preis auszuhandeln hat. Hat es keinen Zusatznutzen, wird das Präparat automatisch einer Gruppe ähnlicher Medikamente zugeordnet, für die als Höchstpreis ein sogenannter Festbetrag festgelegt wird. "Das Amnog ist allen Kritikern zum Trotz keine Innovationsbremse", resümiert Schlenker. Das belege die aktuelle Drei-Jahres-Bilanz des Gemeinsamen Bundesausschusses. Demnach wurden rund 70 Präparate auf ihren Mehrnutzen gegenüber existierenden Präparaten überprüft, immerhin 14 wurde ein beträchtlicher Zusatznutzen bestätigt. Bei 23 Medikamenten sahen die Prüfer einen geringen, bei sechs einen nicht bestimmbaren Mehrwert.
Spätbewertung notwendig
Doch diese frühe Nutzenbewertung allein sei wohl nicht ausreichend, so Schlenker weiter. Bislang wird bei einem Medikament, wenn es einmal auf dem Markt ist, zu einem späteren Zeitpunkt nicht erneut der Nutzen überprüft. Neben der frühen Nutzenbewertung, wie im Amnog vorgesehen, sollte es eine regelhafte Spätbewertung geben. "Hier sollten Erkenntnisse aus dem Versorgungsalltag im Rahmen einer nachträglichen Kosten-Nutzen-Bewertung in die Bewertung einfließen", fordert Schlenker.
Einem großen Teil des Marktes fehlt Nutzenbewertung
Bislang hat das Amnog--Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz lediglich Einsparungen von etwa 180 Millionen Euro erbracht, statt der politisch angestrebten zwei Milliarden Euro. "Daher ist es besonders kritisch zu sehen, dass Arzneimittel, die vor Inkrafttreten des Amnog auf den Markt gekommen sind, anders als ursprünglich noch von der schwarz-gelben Koalition vorgesehen, doch nicht überprüft werden", betont Studienautor Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik der Uni Bremen. Das führe dazu, dass der Arzneimittelmarkt gespalten sei. Schließlich sei ein großer Anteil der originalen Arzneimittel nicht auf seinen Zusatznutzen geprüft. Der Barmer GEK Arzneimittelreport belege, dass die Krankenkassen dadurch noch viele Jahre mit hohen Ausgaben belastet werden. "Die Kassen zahlen für Arzneimittel mit zweifelhaftem Nutzen", so Glaeske weiter. Schließlich seien viele Scheininnovationen nach wie vor erfolgreich auf dem Markt und würden nicht verschwinden, wenn ihr Patent auslaufe. Dann blieben sie als generische Alternative erhalten. Damit sei die Chance verpasst worden, den Bestandsmarkt auf Me-too-Präparate zu scannen.
In dem Schwerpunktkapitel des Arzneimittelreports werden die Risiken neuer Medikamente zur Blutverdünnung thematisiert.