Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Die Linke.) schildert ihre Erwartungen an die mittel- und langfristige Versorgungswirklichkeit im Freistaat. Als erstes und dringlichstes Thema einer Zukunftswerkstatt nennt sie die Krankenhausplanung. Zwei Fragen, zwei Antworten.
Frau Ministerin Werner, was erwarten Sie sich von der Zukunftswerkstatt für die mittel- und langfristige Versorgungswirklichkeit in Thüringen?
Gesundheitspolitik ist mir ein überaus wichtiges Anliegen. Wir stehen aktuell vor vielen Herausforderungen, die unser Handeln fordern und es gleichzeitig erschweren, die künftige Gesundheitspolitik so zu planen, wie wir es uns vorstellen. Beispielhaft genannt sei hier die Corona-Pandemie mit den noch auszuwertenden Erkenntnissen für die Zukunft. Denn obwohl die Pandemie noch nicht vorbei ist, steht uns diese Aufgabe - also die Bewertung unserer Erfahrungen in den unterschiedlichsten Bereichen der medizinischen Versorgung - jetzt bevor, wenn wir vorausschauend zukunftsträchtige Strukturen schaffen wollen. In der Diskussion bewegen wir uns oftmals zwischen unterschiedlichen Polen.
Noch im Eindruck der vergangenen zwei Jahre wird viel über ambulante und stationäre Versorgung geredet, aber meines Erachtens zu wenig über Gesundheitsförderung und Prävention. Die Behandlung erkrankter Menschen steht im Fokus, weniger der Schutz vor Erkrankung. Für eine nachhaltige Fortentwicklung und Sicherung der Versorgung brauchen wir eine Debatte darüber. Und damit verbunden auch einen Perspektivwechsel, wie wir den Fokus des Gesundheitssystems auf die Gesunderhaltung der Menschen ausrichten können.
Dabei ist mir wichtig, die Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen. Die Zusammenarbeit zwischen den Patientinnen und Patienten und dem Helfersystem muss gestärkt werden. Voraussetzung dafür ist die Stärkung der Gesundheitskompetenz, sowohl auf individueller Ebene als auch auf organisatorischer Ebene.
Wir reden häufig auch über die Qualität der Gesundheitsversorgung, was unbestritten ein wichtiges Thema ist. Zu wenig kommt aber der Aspekt der Ungleichheit in der Versorgung in den Diskussionen mit zum Tragen. Dabei geht es zum einen um die Erreichbarkeit medizinischer Versorgungseinrichtungen, zum anderen aber auch um Unterschiede zwischen strukturstärkeren und strukturschwächeren Regionen. Zu diesen Aspekten in der aktuellen Diskussion kommen weitere Gesichtspunkte hinzu. Als Beispiele möchte ich hier die demografische Entwicklung, den Fachkräftemangel, den technischen Fortschritt - mit dem Stichwort Digitalisierung - aber auch die Herausforderungen des Klimawandels nennen.
Und nicht zuletzt müssen alle Veränderungen und Entwicklungen im Gesundheitssystem auch finanzierbar sein.
Um ein tragfähiges Gesundheitssystem der Zukunft entwickeln und gestalten zu können, müssen wir die unterschiedlichen Pole in der Diskussion überwinden und gemeinsame Ziele finden. Die Herausforderung wird sein, aus dem stark "säulenhaften" und zum Teil auch durch Abgrenzung geprägten Denken herauszukommen und in einer offenen und transparenten Diskussion den unterschiedlichen Interessenlagen und Blickwinkeln Raum zu geben.
Für diesen Diskussionsprozess wird in Thüringen die Werkstatt "Zukunft.Gesundheit.Thüringen.2030" etabliert.
Mit Hilfe dieses neuen Formates soll ein dialogisch orientierter, längerfristig angelegter Prozess der gemeinschaftlichen Neuorientierung und Umgestaltung im Gesundheitswesen auf den Weg gebracht werden. Dieser Werkstattprozess berücksichtigt die technische Entwicklung (unter anderem Digitalisierung) und ist am Bedarf orientiert. Sowohl die Perspektive der Bürgerinnen und Bürger, Patientinnen und Patienten als auch die der Beschäftigten wird in den Prozess einbezogen. Wesentliche Leitgedanken für diesen Prozess sind die Aspekte der Wertschätzung, der Qualität sowie des vernetzten sektorenübergreifenden Arbeitens.
Ziel ist es, unter Einbeziehung von Fachexpertise und Wissenschaft Bedarfe zu ermitteln, Konzepte zu analysieren und zu diskutieren. Auf dieser Basis wollen wir gemeinsam Ideen und Lösungen entwickeln, um das System der Gesundheitsversorgung in Thüringen zukunftsorientiert weiterzuentwickeln. Diese Ideen und Lösungsvorschläge sollen dann Eingang in die Planungs- und Steuerungsprozesse auf Landesebene finden. Für Themen, die nicht auf Landesebene weiter bearbeitet werden können, geht es darum, Wege zu beschreiben, um diese auf Bundesebene zu transportieren.
Was ist aus Ihrer Sicht das dringlichste Thema, das als erstes und schon kurzfristig angegangen werden muss?
Die Werkstatt "Zukunft.Gesundheit.Thüringen.2030" wird sich in mehrere Teilprozesse gliedern, die aber in einem wechselseitigen Austausch zueinander stehen.
Der erste inhaltliche Schwerpunkt wird die Krankenhausplanung in Thüringen sein. Ziel ist es, inhaltliche Impulse und Fragestellungen im Vorfeld der Erstellung des 8. Thüringer Krankenhausplanes gemeinschaftlich zu entwickeln. Dabei kann und wird auch auf die Erfahrungen, die in anderen Bundesländern mit inhaltlich ähnlich gelagerten Fragestellungen gemacht wurden, zurückgegriffen werden.