Vor über zwei Jahren beschloss der Thüringer Landtag, dass Qualitätsvorgaben in Thüringens Kliniken gelten sollen. Messbar, transparent und - vor allem für die Patienten wichtig: vergleichbar. Nun liegt eine entsprechende Verordnung im Entwurf vor, die 2017 in Kraft treten soll.
Sie ist ein Meilenstein in der Krankenhausplanung und setzt auch bundesweit Maßstäbe. Erstmals rückt Thüringen von der Bettenplanung ab und definiert, welche strukturellen Vorgaben die Kliniken erfüllen müssen, um bestimmte Fachabteilungen und Leistungen erbringen zu dürfen.
Im Kern dreht sich die Debatte um eine Arztquote von mindestens 5,5 vollen Arztstellen in jeder Fachabteilung , drei müssen Fachärzte und fest angestellt sein. In vielen Krankenhäusern wird diese Entwicklung mit Argusaugen betrachtet - nach dem Motto: Wehret den Anfängen. Es ist der Anfang eines Qualitätswettbewerbs unter den Kliniken. Die Verordnung wird zwar von der Landesregierung erlassen, doch auch im Thüringer Landtag wird sie diskutiert und begleitet. Die Barmer hat deshalb alle gesundheitspolitischen Sprecher um Stellungnahme gebeten:
Jörg Kubitzki, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag
Ein Grund für diese Verordnung ist, dass die Fachabteilungen der Krankenhäuser an 365 Tagen im Jahr, 24 Stunden hohe Fachlichkeit für die Patienten vorhalten müssen. Deshalb wird darin eine Arztquote festlegt (5,5 Ärzte und davon 3 Fachärzte für jede Fachabteilung eines Krankenhauses). Damit haben die Patienten die Gewähr, dass zu jederzeit für sie ein Arzt in der Abteilung bereitsteht und eine hohe Fachlichkeit gegeben ist, sowie die Qualität für die Patienten erhöht wird. Diese Anforderungen werden von den meisten Fachabteilungen jetzt schon erfüllt. Eine Übergangszeit zur Umsetzung der Verordnung wird geregelt.
Birgit Pelke, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Thüringer Landtag
Der Freistaat verfügt über eine gesundheitliche Versorgung auf hohem Niveau. Eine wohnortnahe und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung für alle aufrecht zu erhalten ist erklärtes Ziel der SPD Fraktion. Eine herausragende Bedeutung haben dabei die Thüringer Krankenhäuser. Sie sind darüber hinaus ein wichtiger Standortfaktor in der Region sowie Ausbildungsstätten für den medizinischen Nachwuchs. Deshalb müssen alle Thüringer Krankenhäuser auch nach einer der demografischen Entwicklung folgenden Strukturveränderung erhalten bleiben.
Babett Pfefferlein, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90 Die Grünen im Thüringer Landtag
Mit der Erarbeitung des 7. Landeskrankenhausplanes und der Qualitätsverordnung für Thüringen stellen wir die Weichen für ein zukunftsfähiges Kliniknetzes, das am Patientenwohl orientiert ist. Die Qualität der Krankenhausversorgung soll weiter ausgebaut werden. Dies ist besonders im Hinblick der Gewährleistung einer umfassenden medizinischen Versorgung von Patientinnen und Patienten im ländlichen Raum notwendig. Die Erreichbarkeit muss dabei ebenso gewährleistet sein, wie ein hoher Qualitätsstandard in den einzelnen Häusern. Den Anforderungen an die Qualität möchten wir mit der Facharztquote für einzelne Fachabteilungen in den Kliniken gerecht werden.
Christoph Zippel, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag
Leider befindet sich die Gesundheitsministerin mit ihrer Rechtsverordnung zum Krankenhausplan auf einem Irrweg. Starre Facharztquoten und Personalschlüssel sind für eine moderne Krankenhausplanung nicht mehr zeitgemäß. Warum sollen die Krankenhäuser nicht selbst entscheiden, wie sie die gesetzten Qualitätsziele erreichen wollen? Ich plädiere dafür, stattdessen die Prozessqualität in den Mittelpunkt zu stellen. Krankenhäuser sollten belohnt werden, wenn sie Patienten qualitativ so hochwertig behandeln, dass diese schneller gesund werden und auch schneller wieder nach Hause können.
Corinna Herold, gesundheitspolitische Sprecherin der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag
Für die vielen Probleme der Thüringer Krankenhauslandschaft hält die Landesregierung keine gesundheitspolitischen Pläne parat. Weder für das steigende Durchschnittsalter noch die schrumpfende Bevölkerung oder fehlende Haushaltsmittel bieten der aktuelle Krankenhausplan und die Qualitätsverordnung Lösungen. Die Landesregierung verpasst die Gelegenheit, um mit zukunftsorientierten Strukturvorgaben eine Spezialisierung der Krankenhäuser und bessere Ausstattung der Fachabteilung zu ermöglichen.
Aus Sicht eines Krankenhauses: David-Ruben Thies, Geschäftsführer Waldkrankenhaus Eisenberg
Die derzeit in Thüringen diskutierten neuen rechtlichen Rahmenbedingen bieten eine weitere Möglichkeit, die ohnehin schon ausgezeichnete medizinische Versorgungsqualität durch klar definierte, insbesondere personalbezogene Vorgaben unverändert aufrecht zu erhalten. Auch wenn diese Vorgaben für kleinere Fachabteilungen gegebenenfalls schwierig umsetzbar sind, so stellen sie aus unserer Sicht doch ein klares Signal für den politischen Willen hin zu einer standortbezogenen Konzentration medizinischer Leistungen dar. Diese ist nicht zuletzt unter dem Aspekt des anhaltenden Kostendruckes notwendig.
Aus Sicht der Barmer: Landesgeschäftsführer Hermann Schmitt
Bei einer Fachdiskussion der CDU-Landtagsfraktion unter dem Titel „Thüringer Krankenhauslandschaf - Kranke Landschaft?!“ erklärte der Münchner Professor Günter Neubauer ein scheinbares Paradox: Zwar gehen die meisten Patienten bei planbaren stationären Eingriffen überwiegend NICHT in das ihnen nächste Krankenhaus. Trotzdem wollen sie es behalten und sind auch gegen die Schließung von Fachabteilungen. Warum? Der Bürger sorgt sich um die Klinik als wichtigen Wirtschaftsfaktor, als betroffener Patient wiederum geht er in das Klinikum, das er für das bessere hält. Verständlich. Angesichts der heutigen Mobilität sind viele Patienten bereit, auch längere Strecken zurückzulegen. Zumal im Notfall der Einsatzwagen überall schnell vor Ort ist.
Die Zeiten kleiner Kliniken mit einem Bauchladen an Abteilungen sind gezählt. Der Trend zur Spezialisierung ist nicht aufzuhalten. Doch was passiert stattdessen? Die Thüringer Kliniken beantragen für den 7. Krankenhausplan über 70 neue Fachabteilungen! Das geht am Bedarf vorbei und ist Wildwuchs. Schon heute hat Thüringen nach Bremen die höchste Versorgungsdichte. Würde man die Zahl der Betten auf Bundesniveau absenken, wären dies 2900 Betten weniger. Und jedes Bett entfaltet eine gewisse „Sogwirkung“, sagte Prof. Neubauer. Genau deshalb braucht der Krankenhaussektor (anders als die freie Wirtschaft) einen politisch gesetzten Rahmen.
Um den drohenden Boom neuer Fachabteilungen zu verhindern, muss das Land Mindeststandards setzen. Nicht mit Betten-, sondern mit Qualitätsvorgaben. Den Anfang machen Strukturkriterien etwa zur Arztquote – damit wird auch das Unwesen von ständig wechselnden Honorarärzten begrenzt. Als Ziel aber muss Ergebnisqualität zum entscheidenden, transparenten Messkriterium werden.