Eisenberg/Erfurt. Knie-OP ist nicht gleich Knie-OP und Hüft-OP ist nicht gleich Hüft-OP, sind sich die Barmer und die Waldkliniken Eisenberg einig. Den entscheidenden Unterschied macht die Qualität. Um die Versorgung für Patientinnen und Patienten zu verbessern, haben Waldkliniken Eisenberg, Barmer und das Tabea Krankenhaus Hamburg einen bundesweit einzigartigen Qualitätsvertrag für den Bereich Endoprothetik abgeschlossen. Damit sollen der medizinisch überflüssige Einsatz künstlicher Hüft- und Kniegelenke vermieden und die Komplikationsrate gesenkt werden. Wo Operationen tatsächlich medizinisch sinnvoll sind, wird die Behandlung optimal auf die Patienten angepasst, um nicht zu früh oder gar zu spät zu operieren.
„Jährlich erhalten rund 400.000 Menschen in Deutschland und mehr als 11.000 Menschen in Thüringen eine Hüft- oder Knie-Endoprothese. Dabei müssen höchste Qualitätsstandards gelten. Wir fordern diese Qualität nicht nur, wir fördern sie auch“, sagt Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Thüringen. Im Sinne der Patientinnen und Patienten gehe es insbesondere um ein Plus an Lebensqualität, zudem soll den Patienten unnötiges Leid erspart bleiben.
In Thüringen höhere Komplikationsraten als bundesweit
Zahlen der Thüringer Landesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung zufolge haben im Jahr 2019 insgesamt 5.939 Menschen ein neues Hüftgelenk erhalten. Weitere 5.199 haben ein neues Kniegelenk in einem Thüringer Krankenhaus bekommen. Laut Thüringer Krankenhausspiegel, an dem sich allerdings nicht alle Thüringer Kliniken beteiligen, lag die allgemeine Komplikationsrate beim Einsetzen von Hüftgelenksprothesen im Jahr 2018 bei 13,7 Prozent, bundesweit bei 11,1 Prozent. Beim Einsetzen neuer Kniegelenke betrug die Komplikationsrate in Thüringen, wie auch bundesweit, 1,4 Prozent. Beim Wechsel von Kniegelenk-Endoprothesen lag die Komplikationsrate in Thüringen bei 4,6 Prozent und bundesweit bei 3,2 Prozent.
Nachhaltige Therapien
Die Kooperation zwischen dem Deutschen Zentrum für Orthopädie an den Waldkliniken Eisenberg und der Barmer setzt an zwei Stellen an. Zunächst geht es um ein Qualitätsplus bereits bei der Indikationsstellung. Die Eisenberger Ärzte prüfen strukturierter und umfassender, ob und wie ein Patient tatsächlich operiert werden muss. Sofern es die Erkrankung zulässt, erfolgt zunächst eine konservative Therapie. Ist der Eingriff unvermeidbar, werden Patienten auf riskante Vorerkrankungen wie Diabetes oder eine durch Eisenmangel verursachte Anämie (Blutarmut) untersucht und dagegen behandelt. „Ohne eine Eisenmangelanämie sind beispielsweise die Komplikationsrisiken deutlich geringer. Zudem ist die Lebenserwartung höher, weil der Patient während des Eingriffs keine Bluttransfusion bekommt, die nicht frei von Risiken ist“, sagt Prof. Dr. Georg Matziolis, Ärztlicher Direktor am Deutschen Zentrum für Orthopädie an den Waldkliniken Eisenberg. Darüber hinaus werde die Rehabilitation noch intensiver in die Versorgung integriert, um den Therapieerfolg nachhaltig zu sichern. Die Rehabilitation beginne möglichst unmittelbar nach der Operation noch in der Klinik, bevor eine Anschlussrehabilitation folgt.
Generell sieht Professor Matziolis in der Endoprothetik beim Feststellen der Erkrankung und beim Vorbereiten der Operationen erhebliches Verbesserungspotenzial. Patientenspezifische Faktoren müssten besser berücksichtigt werden als bisher, da sie das Operationsergebnis erheblich beeinflussten. „Es wurde in den vergangenen Jahrzehnten unterschätzt, welchen Einfluss der Patient mit seiner Persönlichkeit, den Nebenerkrankungen und der Medikation auf das Behandlungsergebnis hat. Genau hier wollen wir gemeinsam mit der Barmer ansetzen und dieses Potenzial ausloten“, so Matziolis.
Patient im Mittelpunkt
Das durch den Qualitätsvertrag vorgesehene standardisierte präoperative Screening klärt daher nicht nur ab, welche weiteren Erkrankungen Patienten haben, ob ein Eingriff zwingend erforderlich ist und ob die Patienten gegebenenfalls vorher behandelt werden müssen. Es wird überdies auch dokumentiert, wie die Patienten ihre Lebensqualität zum Beginn der Behandlung und die Stärke der Schmerzen einschätzen. „Wir wollen im Sinne eines patientenzentrierten Ansatzes die individuellen Besonderheiten der Patienten erfassen und möglichst vor einer Operation optimieren und im Anschluss an die Operation die Rehabilitation so früh wie möglich integrieren“, macht Professor Matziolis deutlich.
Mit dem Ziel, die Versorgungsqualität und die Patientensicherheit deutlich zu erhöhen, läuft der Qualitätsvertrag zunächst bis Mitte des Jahres 2023. „Bewährt sich der Vertrag, soll er unbefristet weitergeführt werden“, so Barmer-Landeschefin Birgit Dziuk. Dafür müsse der Gesetzgeber einen rechtsverbindlichen Rahmen für die Gesetzliche Krankenversicherung schaffen.