Der achte Thüringer Krankenhausplan als einer der wesentlichen Bausteine für die Gesundheitsversorgung der Zukunft wirft seine Schatten voraus. Es herrscht Konsens und Miteinander wie lange nicht unter den Akteurinnen und Akteuren im Versorgungs- und gesundheitspolitischen Kontext des Freistaats. Ein Bericht vom 11. Nachmittagstalk der Barmer Thüringen zum Thema #ZukunftKrankenhaus.
„Aus Abwarten wird Abstrafen werden!“, warnt Dr. Ellen Lundershausen mit deutlichen Worten als sie Ende März zu Gast ist beim nunmehr 11. Nachmittagstalk der Barmer Thüringen. Der Prozess für den neuen Thüringer Krankenhausplan dauere ihr deutlich zu lange, schickt sie hinterher und fordert mehr Tempo. Die Versorgung müsse anders gedacht, anders strukturiert und der Fokus auf Qualität gelegt werden. Ansonsten verliere Thüringen massiv an Attraktivität und Ansehen als Standort für moderne Medizin.
An schlauen Worten, großartigen Ideen und sinnvollen Vorschlägen mangele es nicht. Nun müssten endlich Taten folgen. „Wir sind es den Menschen im Land schuldig, die Versorgung auf zukunftsfeste Beine zu stellen. Wenn das nichts wird, wird es am Ende auf den Schultern der Patientinnen und Patienten, der Ärztinnen und Ärzte und der Pflegekräfte ausgetragen.“
"Wir", das sind all diejenigen aus Politik und Gesundheitswesen, die gemeinhin als Expertinnen und Experten bezeichnet werden. "Wir", das sind aber auch all diejenigen, die oft ganz unterschiedliche Interessen und Absichten haben im komplexen Spannungsfeld Gesundheitswesen. Doch mit Blick auf sich bereits abzeichnende Schreckensszenarien hinsichtlich der medizinischen Versorgungslandschaft im schönen Thüringen wagen sie sich aus ihren Schützengräben. Den achten Thüringer Krankenhausplan sichtbar am nahen Horizont, ist das Haifischbecken zum Melting Pot geworden. Endlich.
Zeichen der Zeit sind erkannt
Die Finanzlage so mancher Klinik im Lande sieht alles andere als rosig aus. Erste Versorgungslücken werden sichtbar, beispielsweise angesichts von jetzt auf gleich geschlossener Geburtsstationen. Es mangelt an Personal, es mangelt an Investitionen. Und - auch das ist all diesen Expertinnen und Experten klar - es mangelt seit Jahrzehnten an politischem Willen, sich den längst bewusst gemachten Herausforderungen zu stellen und Veränderungen anzustoßen.
Doch seit einigen Monaten geht ein Ruck durchs Thüringer Gesundheitswesen. Unter den Akteurinnen und Akteuren herrscht Konsens wie lange nicht. Die Zeichen der Zeit sind erkannt, die Strukturen der medizinischen Versorgung müssen darauf angepasst werden. Birgit Dziuk, Gastgeberin der Nachmittagstalks und Landesgeschäftsführerin der Barmer in Thüringen, bringt es auf den Punkt: „Wir haben kein Erkenntnisdefizit. Wir haben ein Umsetzungsdefizit. Das gilt es zu beheben.“ Genau an dieser Stelle stehen alle Beteiligten im gesundheitspolitischen Thüringen.
Das ist soweit nichts Neues. Nun aber beabsichtigt das Thüringer Gesundheitsministerium, eine Zukunftswerkstatt auf die Beine zu stellen. Ziel ist, alle Sichtweisen, Meinungen und Ideen zu kanalisieren und gemeinschaftlich die Zukunft der medizinischen Versorgung im Freistaat auf den Weg zu bringen. Ein wesentlicher Baustein für diese Zukunft ist und bleibt die Krankenhausplanung, der ein Gutachten vorausgehen soll. Und bereits an dieser Stelle scheiden sich die Geister.
Ob nun zuerst das Gutachten oder zuerst die Zukunftswerkstatt starten soll, ist eine der unbeantworteten Fragen bei diesem Nachmittagstalk. Klar und einig steht allerdings die Aussage im Raum, dass der achte Thüringer Krankenhausplan am 1. Januar 2024 gelten muss - keinen Tag später. Klar und einig sind die Positionen auf allen Seiten auch, dass die Qualität der medizinischen Versorgung im Fokus aller Bemühungen stehen muss und dass dafür die notwendigen Strukturen geschaffen werden müssen.
Von stumpfen Schwertern und kluger Kommunikation
„Wenn wir herausragende Qualität liefern - und das können wir in Thüringen - muss das auch durch strukturelle Vorgaben deutlich werden“, spricht Dr. Ellen Lundershausen mit der Stimme der Ärzteschaft. Das würde dem Freistaat einen Standortvorteil bringen, das Vertrauen der Menschen gewinnen, junge Ärztinnen, Ärzte und medizinische Fachkräfte locken und halten.
Das Stichwort „Strukturen“ taucht immer und immer wieder auf in Gesprächsrunden wie diesen. Was es konkret bedeutet, wird bislang oft nur in Nebensätzen erwähnt. Die Thüringer Krankenhauslandschaft sei zersplittert, Zentren sprössen wie Pilze aus dem Boden, die Ambulantisierung biete neue Möglichkeiten, Digitalisierung und Kooperationen seien gefragt.
Dr. Kerstin Haase, Geschäftsführerin beim Verband der privaten Krankenhausträger in Thüringen, greift genau diese Punkte auf und macht deutlich: „Größere Einheiten halten mehr Fachrichtungen vor und können schon deshalb mehr Qualität bieten. Trotzdem braucht es eine parallele Grundversorgung überall im Land. Vergangene Gutachten zur Krankenhausplanung sind diesen Anforderungen nicht gerecht geworden.“
Angesichts dieses Statements wird sichtbar, was die oft angesprochene „Veränderung der Strukturen“ im Klartext bedeutet. So manch kleine Klinik auf dem Lande ist unter wirtschaftlichen und medizinischen Gesichtspunkten nicht mehr sinnvoll zu führen. Schnell schwebt das Damoklesschwert am Firmament. Doch es ist stumpf.
Alle Versorgungsstandorte sowie ihr Personal und ihre apparative Ausstattung werden auch in Zukunft gebraucht. An die Stelle der stationären Strukturen können regionale Versorgungszentren treten, die die Grundversorgung vor Ort sicherstellen und die bestmöglichen Behandlungsmöglichkeiten koordinieren. Im besten Falle auch mit Blick über den Thüringer Tellerrand hinaus.
Noch nicht ausgereift ist die Thematik der Finanzierung und Vergütung. Doch auch hier gibt es ausreichend kluge Ideen, damit Sektoren verbindende Arbeit auch Sektoren verbindend finanziert wird.
„Konsens in all diesen Dingen ist da, zumindest auf der Fachschiene. Von großer Bedeutung ist kluge Kommunikation, um diesen Konsens in die politische und gesellschaftliche Breite zu transferieren. Nichts tun ist keine Option, Veränderungen sind notwendig“, fasst Birgit Dziuk zusammen.
Sonst wird aus Abwarten Abstrafen werden.