Interview mit Dr. med. Wolfgang Karmrodt
Kinder und Jugendliche haben mitunter nicht nur Husten und Schnupfen, die der Kinderarzt vor Ort schnell kurieren kann. Wenn der Nachwuchs an einer seltenen Erkrankung leidet, sind Spezialisten gefragt. PädExpert steht für ein Expertensystem, das die allgemeinen Kinder- und Jugendärzte (Pädiater) mit spezialisierten Fach-Pädiatern telemedizinisch vernetzt. Es basiert auf einem speziell entwickelten Computerprogramm, mit dessen Hilfe Fach-Diagnosen und Therapieempfehlungen für Kinderarzt-Praxen in jeder Region in Deutschland schnell und zuverlässig zur Verfügung gestellt werden.
Zu den ersten Erfahrungen sprachen wir mit Dr.med. Wolfgang Karmrodt, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Mühlhausen, Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Thüringen.
- Mit „PädExpert“ ist in Thüringen eines der ersten Telemedizin-Projekte gestartet. Welche Erfahrungen haben Sie damit gesammelt?
PädExpert ermöglicht eine bessere Behandlung von Kindern und Jugendlichen, die beispielsweise unter seltenen Erkrankungen leiden. Auch ich als Facharzt hole mir dann gern eine zweite Meinung von einem spezialisierten Kollegen ein. Unklare Krankheitsbilder lassen sich wesentlich schneller klären, indem ich mich über die Online-Plattform von PädExpert mit Kollegen aus ganz Deutschland austauschen und auch die Befunde digital besprechen kann. Das hat mehrere Vorteile: Für den Patienten bedeutet es eine schnellere Diagnose und er spart sich womöglich den Termin und die Anfahrt zu einem Spezialisten. Und ich sichere mich ebenfalls ab.
- Haben Sie ein Beispiel, was das für die Kinder und ihre Familien heißt?
Es gibt in Summe viele Erkrankungen, die in der Praxis jedoch selten vorkommen. Ein Beispiel ist Rheuma, das ja eher für ältere Patienten typisch ist. In Deutschland gibt es nur sehr wenige auf Kinder spezialisierte Rheumatologen. Dort einen Termin zu bekommen, ist für die Patienten oft schwierig. Da eine Untersuchung vor Ort aber gar nicht immer nötig ist, erspart PädExpert nicht nur den Patienten, sondern auch den Eltern die Anfahrt, die Wartezeit und den Stress. Wenn der behandelnde Kinder– und Jugendarzt, der seine Patienten oft schon lange kennt, die Kommunikation mit dem Spezialisten übernimmt, bringt das ein hohes Maß an Konstanz. Und das ist gut für die Therapie.
- Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Facharzt?
Der behandelnde Kinder- und Jugendarzt kann über das System direkten Kontakt zu Spezialisten aufnehmen. Ein Ampelsystem zeigt an, welcher Facharzt genügend Kapazitäten hat – das gewährleistet eine schnelle Rückmeldung. Zunächst erhält der Spezialist grundlegende Daten zum Patienten wie Alter, Geschlecht, Größe und Gewicht. In Fragebögen werden außerdem Angaben zum Krankheitsbild erfasst. Manchmal kann der Experte gleich eine Einschätzung abgeben. Er kann aber bei Unklarheiten oder unbestätigten Vermutungen ganz konkret weitere Informationen wie Laborwerte oder Bilddokumente anfordern. Die dafür notwendigen Untersuchungen kann dann der behandelnde Arzt vor Ort veranlassen. Mit der Diagnose gibt es vom Spezialisten einen Therapievorschlag, so dass der Pädiater zeitnah und zielgerichtet mit der Behandlung beginnen kann.
DIGITALISIERUNG im Gesundheitswesen Kaum ein Thema elektrisiert das Gesundheitswesen derzeit wie die Digitalisierung. Experten erwarten von den digitalen Möglichkeiten einen Quantensprung - der Vergleich mit der „Elektrifizierung“ liegt daher nahe. Andere Branchen stecken bereits mitten im Strukturwandel, das Gesundheitswesen steht kurz davor. Selbst der Start der elektronischen Gesundheitskarte rückt näher. Klar ist für die Barmer: Der gesetzliche Auftrag bleibt trotz allem gleich, nämlich die Gesundheit aller Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Der Paragraph 1 im Fünften Sozialgesetzbuch ist und bleibt der Maßstab! Das heißt aber auch: Die Chancen des Wandels im Sinne der Versicherten zu nutzen. Thüringen arbeitet bereits an einer Digitalisierungs-Strategie und bindet dabei alle Akteure über Workshops mit ein. Ende des Jahres soll sie vorgestellt werden. Parallel sollen Modellprojekte angeschoben werden. Sachsen ist bereits einen Schritt weiter und hat eine Richtlinie zur Digitalisierung des Gesundheitswesens beschlossen. Wichtig aus Sicht der Barmer: Experimentieren ja, aber es darf kein Flickenteppich entstehen. Es bedarf einheitlicher Standards und Plattformen. Mehr Digitale Forderungen zur Bundestagswahl: www.barmer.de/u000032