STANDORTinfo für Thüringen

Große Koalition = Große Lösungen?

Lesedauer unter 5 Minuten

In Berlin hat sich mit SPD und CDU/CSU eine alte Koalition neu zusammengefunden. Die Kapitel des Koalitionsvertrags zur Gesundheitsversorgung und Pflege sind umfangreich, greifen zentrale Themen auf, bleiben in wichtigen Punkten aber im sprachlichen Schwebezustand des „Sollens“ und „Prüfens“. Die Barmer hat deshalb zwei Vertreter der Thüringer Landesgruppen gebeten, die aus ihrer Sicht für Thüringen vordringlichsten Vorhaben zu erläutern.

Manfred Grund

Manfred Grund

Abgeordneter der CDU/CSU-Fraktion, Vorsitzender der Landesgruppe Thüringen

Ziel bleiben hochwertige, flächendeckende Gesundheitsleistungen – von der Prävention und Zahnversorgung bis zum Krankenhaus, vom Kindergarten bis zum Pflegeheim, von der Stadt bis zum ländlichen Raum. Leistungserbringer wie Ärzteschaft, Kassen, Heilmittelerbringer und Pflegeverbände müssen kooperieren. Patienten sind aufgefordert zu Eigenverantwortung. Apotheken gehören vor Ort und nicht ins Internet. Die ambulante Versorgung auf dem Land ist Schwerpunkt der Anstrengungen. Gute Pflege erhält zentrale Bedeutung.

Alle Herausforderungen müssen jedoch auch finanziert werden, deshalb bleibt Wettbewerb wichtig. Zum 1. Januar 2019 wird die Parität der Finanzierung wieder eingeführt. Dies darf kleine und kleinste Unternehmen, wie in Thüringen typisch, nicht überfordern. Und die 5 Millionen Menschen im deutschen Gesundheitswesen, die täglich ihr Bestes geben, verdienen Anerkennung. Das beginnt bei der Ausbildung und endet nicht beim guten Lohn. Die Politik gewährt verbesserte Kooperation der Akteure, Aufwertung nichtärztlicher Gesundheitsberufe, Telemedizin und finanzielle Anreize.

Für Ostdeutschland ist im kommenden Jahrzehnt mit einer kontinuierlich wachsenden Zahl pflegebedürftiger Menschen zu rechnen. Gleichzeitig ist leider zu beobachten, dass viele Dörfer und Kleinstädte hierzulande für junge Menschen wenig attraktiv sind. Diese wandern zur Ausbildung, für das Studium oder den Berufseinstieg in Metropolregionen ab. Einzelnen ostdeutschen Regionen droht ein Mangel an Pflegefachkräften.

Aus ostdeutscher Perspektive begrüße ich, dass die unionsgeführte Regierung mehrere kurz- und mittelfristige Maßnahmen zur Stärkung der Pflege beschlossen hat: bessere Ausbildungs- und Vergütungsbedingungen, sowie hervorzuheben die Anpassung von Löhnen in Ost- und Westdeutschland.

Mindestens 8.000 neue Stellen sollen kurzfristig entstehen. Pflege ist durchfinanziert, beispielsweise über die Vollfinanzierung der Tarifsteigerungen. Es geht auch um die Arbeitsbedingungen, die von den Pflegerinnen und Pflegern momentan zu Recht beklagt werden. Deshalb hat die Politik bereits einen Pflegepersonalzuschlag eingeführt, der von 500 Millionen Euro auf 830 Millionen Euro jährlich angehoben wird. Diese Mittel werden auf die Krankenhäuser verteilt. Das trägt dazu bei, dass die Krankenhäuser keinen Druck haben, in der Pflege Geld zu sparen. Pflege muss uns etwas wert sein.

Die Digitalisierung kann beitragen, Medizin persönlicher zu gestalten und dem demographischen Wandel zu trotzen. Denken wir an digitale Assistenten, die Blutdruck oder Blutzuckerspiegel überwachen und Medikamentationen situationsbedingt anpassen. Mit Videosprechstunden kann z. B. ein Ärztegespräch dann erfolgen, wenn vor Ort kein Mediziner erreichbar ist. Deshalb braucht es flächendeckend schnelle Netze. Thüringen hat kaum andere Erwartungen als das Saarland oder Brandenburg. Die Vorbehalte gegen die elektronische Gesundheitsakte, gegen Datenweitergabe und ständige Überwachung müssen ernst genommen werden. Ziel sind nicht reine Kostenminimierung, sondern Patienten und Ärzte müssen vertrauen, dass elektronische Akten und Fitnessdaten tatsächlich vor Missbrauch und fremdem Zugriff geschützt sind.

Geboren am 3. Juli 1955 in Zeitz; römisch-katholisch; vier Kinder.

  • Studium der Elektrotechnik an der Technischen Universität Dresden; 1980 bis 1990 Bereichsingenieur im Energiekombinat Erfurt, Betriebsteil Bleicherode;
  • Oktober 1990 bis Juni 1994 Erster Kreisbeigeordneter und Dezernent in der Kreisverwaltung Heiligenstadt.
  • Seit Oktober 1994 Mitglied des Bundestages
  • Ausschüsse (ordentliches Mitglied): Auswärtiger Ausschuss; Ältestenrat; Gemeinsamer Ausschuss

Elisabeth Kaiser

Elisabeth Kaiser

Abgeordnete der SPD-Bundestagsfraktion, Wahlkreis Gera-Greiz-Altenburger Land

Gerade auf dem Land wird der Weg zum nächsten Haus- oder Kinderarzt in manchen Regionen immer länger. Selbst in der Stadt müssen Patienten teilweise monatelang auf einen Termin z. B. bei einem Augenarzt warten. Das kann doch nicht sein! Deshalb wollen wir die Terminservicestellen stärken, mehr Medizin-Studienplätze an unseren Universitäten anbieten und mit einer Landarztquote die Versorgung in der Fläche verbessern. Auch die Prävention von Suchterkrankungen und ein besserer Schutz für Kinder von Suchtkranken sind mir sehr wichtig.
Es ist gut, dass wir mit einem Sofortprogramm deutschlandweit 13.000 neue Fachkraftstellen in der Pflege schaffen. Stellen sind aber nur die eine Seite. Thüringen leidet schon jetzt ganz besonders unter einem Mangel an Pflegefachkräften, auch wegen der Konkurrenz mit anderen Bundesländern. Darum ist es so dringend, dass wir die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen deutlich verbessern. Ein erster Schritt ist, das Schulgeld in der Ausbildung abzuschaffen. Als nächstes wollen wir, dass Tarifsteigerungen bei der Pflege im Krankenhaus komplett refinanziert werden, wenn sie nachweislich bei den Beschäftigten ankommen. Darüber hinaus setzen wir uns für eine Angleichung des Ost-Pflegemindestlohns auf West-Niveau und eine bessere Honorierung der Wegzeiten bei längeren Anfahrtswegen in ländlicheren Region ein.

Krankheit und Pflege sind etwas sehr privates, deshalb steht für mich der Schutz der Daten von Patienten und Pflegebedürftigen an oberster Stelle. Wenn das gesichert ist, sollten wir die vielen Chancen der Vernetzung und der elektronischen Patientenakte ausloten. Thüringer kann sich hier als Modellregion aufstellen, in der viele verschiedene Anwendungen ausprobiert werden. Daneben setze ich auch auf verbesserte Möglichkeiten der Fernbehandlung durch Telemedizin, vor allem für strukturschwächere Regionen.

  • Geboren am 4. März 1987 in Gera. Studium der Staatswissenschaften und der Politik- und Verwaltungswissenschaften
  • 2013 bis 2014 Büroleiterin der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung e. V.
  • bis 2017 Pressesprecherin der SPD-Fraktion im Thüringer Landtag.
  • Ausschüsse (ordentliches Mitglied): Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen; Ausschuss für Inneres und Heimat

 Die Barmer bezieht Position

Gesundheitspolitische Positionen der Barmer Landesvertretung Thüringen


Druckfrisch ist im Juni die gesundheitspolitische Positionierung der Barmer Landesvertretung Thüringen erschienen. Gebündelt auf zehn Seiten finden Sie dort die wichtigsten Aussagen, Positionen und Forderungen der Barmer zu den relevanten Themen in Thüringen. Darunter:

  • Versorgung sektorenübergreifend gestalten
  • Notfallversorgung
  • Stationäre Versorgung
  • Ambulante Versorgung
  • Nachhaltigkeit in der Pflege
  • Digitale Vernetzung intensivieren
  • Prävention

Das Heft können Sie kostenfrei bestellen unter robert.buessow@barmer.de

Aktuelle Informationen und Bewertungen zur Gesundheitspolitik finden Sie auch in unserem Newsletter „Berlin-Kompakt“ unter www.barmer.de/p004184

Kontakt für die Presse:

Patrick Krug
Telefon: 0361 78 95 26 01
Mobil: 0160 9045 70451
E-Mailpresse.th@barmer.de
Twitter: twitter.com/BARMER_TH