Persönliche Daten sind ein sensibles Gut, Gesundheitsdaten erst recht. Damit die elektronische Patientenakte (ePA) zum Erfolg wird, braucht sie eine breite Akzeptanz und das Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer. Mit einer konsequenten Aufklärung können Versicherte in ihrer digitalen Mündigkeit gestärkt und zu einer informierten Entscheidung über die Nutzung der ePA befähigt werden. Ein Interview mit Regina Vetters, Leiterin der Innovationsabteilung Barmer.i und verantwortlich für die Entwicklung der Barmer-eigenen ePA – der eCare.
Frau Vetters, die Einführung der digitalen Patientenakte am 1. Januar 2021 gilt als ein Meilenstein in der Digitalisierung des Gesundheitssystems. Was wird sich für die Versicherten ändern?
Zu Beginn wird die elektronische Patientenakte in einer Basisvariante zur Verfügung stehen, in der unter anderem der elektronische Arztbrief, der bundeseinheitliche Medikationsplan, der Notfalldatensatz von Versicherten sowie Befunde, Diagnosen, Behandlungs- und Therapieberichte enthalten sind. Ihren vollen Nutzungsumfang wird die ePA in den kommenden Jahren entfalten, wenn immer mehr Funktionen hinzukommen. Ein wichtiger Effekt, der sich bereits zu Beginn einstellen wird, ist eine schubhafte Vergrößerung der Transparenz: Viele Nutzerinnen und Nutzer werden einen Einblick in medizinische Dokumente erhalten, der ihnen in dieser Form bisher kaum möglich war.
Was, glauben Sie, wird diese Transparenz bei den Versicherten auslösen?
Es ist wichtig, dass die Versicherten auf die Transparenz, die die elektronische Patientenakte schafft, vorbereitet werden. Viele Patientinnen und Patienten bekommen zum ersten Mal Einblick in Befunde, Diagnosen und Behandlungsberichte. Diese Detailtiefe kann, gerade wenn ein Krankheitsbefund vorliegt, auch überfordern und Fragen auslösen. Der Barmer ist es daher sehr wichtig, die Nutzerinnen und Nutzer in dieser Situation nicht allein zu lassen und gezielt Informations- und Aufklärungsangebote zu schaffen. Außerdem möchten wir unsere Versicherten ermutigen, inhaltliche Fragen mit den betreffenden Leistungserbringern, allen voran Hausärztinnen und Hausärzten, zu besprechen. So fördert die Transparenz einen offenen Dialog über die Gesundheitsversorgung und damit die Mündigkeit der Nutzerinnen und Nutzer.
Nun sind Daten zur eigenen Gesundheit überaus sensibel. Wie reagieren Sie auf Datenschutzbedenken von Versicherten?
Im Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) hat der Gesetzgeber klare Richtlinien für die konkrete Ausgestaltung der jeweiligen ePA-Angebote festgelegt. Diese Vorgaben erfüllt die Barmer eCare in vollem Umfang. Datenschutz und Sicherheit sind für die Barmer wichtige Grundvoraussetzungen für die Arbeit an digitalen Lösungen. Es ist mir jedoch wichtig zu betonen, dass Datenschutz und Sicherheit allein keinen klassischen Nutzungsanreiz darstellen. Deshalb legen wir bei der Weiterentwicklung der eCare zusätzlich einen stärkeren Fokus auf die Nutzerfreundlichkeit. Unser Anspruch an einen Mehrwert für die Versicherten steht in Einklang mit Umfrageergebnissen der Barmer, die zeigen, dass Informationen über die Funktionen und den Nutzen der eCare weit stärker nachgefragt sind als Informationen zum Datenschutz.
Wie erklären Sie sich diesen Zusammenhang?
Das Thema Datenschutz ist für unsere Versicherten vor allem ein Hygienefaktor. Sie erwarten zu Recht, dass Krankenkassen für den Datenschutz und die Sicherheit der elektronischen Patientenakte sorgen, und bringen der Barmer das erforderliche Vertrauen entgegen. Aufgrund dieses Vertrauens wollen Nutzerinnen und Nutzer die Datenschutzmechanismen in der ePA nicht ständig erleben. Zu kleinteilige Bewilligungsdialoge und häufige Warnhinweise schmälern die Nutzerfreundlichkeit und sollten nach unserer Ansicht eher vermieden werden.
Was sind die nächsten Schritte auf Ihrer Agenda?
Wir werden die eCare zunächst ab dem Sommer 2021 in einem neuen Design und noch nutzerfreundlicher anbieten und durch weitere Services anreichern. Genauso wichtig wie die technische Weiterentwicklung ist für die Barmer jedoch eine konsequente Aufklärung: Versicherte sollen die Funktionsweise der eCare und ihre Potenziale für eine bessere medizinische Versorgung verstehen, damit sie eine informierte Entscheidung über die Nutzung treffen können. Nur so erreichen wir eine breite Akzeptanz und Anwendung der elektronischen Patientenakte.