Erfurt, 18. Oktober 2017 - ADHS ist keine Kinderkrankheit: Die Zahl der Erwachsenen, die wegen einer Aufmerksamkeitsstörung (umgangssprachlich Zappelphilipp-Syndrom) therapiert werden, ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Dies geht aus einer bundesweiten Analyse der Barmer zur Verordnung von Methylphenidat (Ritalin) hervor. So wurden im vergangenen Jahr 7822 Versicherte der Barmer ab 18 Jahren mit Ritalin behandelt, das waren 1882 bzw. fast ein Drittel mehr als noch 2010. Deutlich höher sind die Steigerungsraten in Mitteldeutschland (siehe Tabelle). Wurde Ritalin bei Erwachsenen in Thüringen im Jahr 2010 erst 51 Mal verordnet, waren es im vergangen Jahr bereits 134 Versicherte der Barmer – ein Anstieg um 162 Prozent. Die Zahlen bewegen sich zwar auf niedrigem Niveau, doch der Trend ist eindeutig. Bei der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Störung, kurz ADHS, handelt es sich im Wesentlichen um eine Funktionsstörung im Gehirn.
Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Thüringen: „ADHS macht vor Erwachsenen nicht halt. Entgegen der landläufigen Meinung wachsen sich die Symptome nur bei einem Teil der betroffenen Kinder im Erwachsenenalter aus. Viele zeigen weiterhin die typischen Symptome wie Unaufmerksamkeit, Konzentrationsstörungen, Impulsivität und Unruhe und sind dadurch sowohl im Beruf als auch in der Alltagsgestaltung sowie ihrem Privatleben benachteiligt.“ Auffällig ist: Nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen sind etwa doppelt so viele Männer wie Frauen betroffen. In Thüringen bekommt fast jeder zwanzigste Jugendliche bis 19 Jahren (ca. 4,4 %) die Diagnose ADHS.
Gibt es Unterschiede zwischen Jung und Alt?
Die Hyperaktivität bei Erwachsenen äußert sich eher in einer starken inneren Unruhe und Nervosität. Viele leiden zusätzlich unter ausgeprägten Stimmungsschwankungen und zeigen riskantes Verhalten im Straßenverkehr. Ihre beruflichen und sozialen Bindungen sind oft unbeständig. Außerdem neigen sie zu Ängsten, Depressionen, Jähzorn, Alkohol- und Drogenmissbrauch und kriminellen Handlungen. Das Hauptproblem, mit dem erwachsene Betroffene sowohl im beruflichen wie im privaten Bereich zu kämpfen haben, ist jedoch ihr unorganisierter und chaotischer Alltag. ADHS ist bei Erwachsenen deutlich schwerer zu erkennen als bei Kindern. Die Auffälligkeiten werden deshalb oft falsch interpretiert. Birgit Dziuk mit Blick auf die Arzneimitteltherapie: „Regelmäßiger Sport und Stressbewältigungsübungen sind weitere Möglichkeiten mit der Erkrankung dauerhaft umzugehen.“
Mehr Informationen zu Untersuchungen und Behandlungsmöglichkeiten finden Sie unter: www.barmer.de/s000506
Eine ausführliche Studie aus "Gesundheitswesen aktuell": Aktuelle Trends und regionale Unterschiede bei Diagnose und Therapie von ADHS (PDF, 440 KB) von Thomas Grobe