Erfurt, 16. Mai 2018 – Bewohner von Pflegeeinrichtungen in Thüringen müssen in den kommenden Jahren mit erheblich steigenden Eigenanteilen rechnen. Nach einer aktuellen Auswertung der Barmer liegt der Eigenanteil derzeit mit rund 1.200 Euro monatlich fast ein Drittel unter dem bundesweiten Durchschnitt (siehe Grafik). In Nordrhein-Westfalen müssen Pflegebedürftige mit rund 2.250 Euro fast doppelt so viel aus eigener Tasche finanzieren. „Es ist zu erwarten, dass sich Thüringen und andere ostdeutsche Bundesländer bei den Eigenanteilen an das Niveau der anderen Länder annähern werden. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir Pflege bezahlbar gestalten, ohne dass die Menschen durch zu hohe Eigenanteile in die Armutsfalle geraten“, sagt Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der Barmer, beim 1. Thüringer Pflegeforum in Erfurt. Ursache für steigende Eigenanteile sei das Teilkasko-Prinzip der Pflegeversicherung. Wenn die Löhne für Pflegekräfte steigen, was auch gewollt und richtig sei, wirkt sich dies unmittelbar auf den Eigenanteil der Bewohner in den Pflegeeinrichtungen aus.
Dziuk: „Gute Pflege kostet gutes Geld.“
„Die Einführung eines bundesweiten Personalbemessungsverfahrens und die notwendige Steigerung der Entgelte für Pflegekräfte, wird in Thüringen zu einem deutlichen Anstieg der Pflegesätze führen“, bestätigt Prof. Dr.-Professor Doktor Heinz Rothgang von der Universität Bremen. Er und sein Team haben den Barmer-Pflegereport verfasst. Hauptursachen hierfür seien das niedrigere Lohnniveau und die niedrigere Personalausstattung in thüringischen Pflegeheimen. Für die Zukunft sei zudem mit einem um Dimensionen größeren Pflegenotstand zu rechnen als bisher, sagt Rothgang: „Während der Umfang der Erwerbsbevölkerung zurückgeht, erwarten wir in den nächsten vierzig Jahren eine Steigerung der Zahl der Pflegebedürftigen um 70 bis 80 Prozent. Der Anteil der Erwerbspersonen der in der Langzeitpflege arbeitet, muss sich also verdoppeln, nur um die heutigen Betreuungsrelationen aufrechterhalten zu können. Die Folgen für Thüringen seien klar, so Dziuk: „Gute Pflege kostet gutes Geld. Dass Altenpfleger in Thüringen im Durchschnitt ein Drittel weniger verdienen als beispielsweise in Baden-Württemberg, wird sich in den kommenden Jahren ändern. Schon heute ist der Arbeitsmarkt leergefegt und wandern Fachkräfte ab.“
Fast jeder zehnte Pflegebedürftige bezieht „Hilfe zur Pflege“
Inzwischen springen Kommunen in Thüringen immer häufiger ein, wenn Pflegebedürftige den Eigenanteil nicht selbst finanzieren können. Laut Statistischem Landesamt erhält fast jeder zehnte Pflegebedürftige die sogenannte „Hilfe zur Pflege“ – in 2016 waren es 8.259 Personen. Davon lebten rund 6.000 Empfänger in Pflegeeinrichtungen. Dziuk plädiert für eine stärkere Entlastung der Pflegebedürftigen: „Es bestehen im heutigen System massive Fehlanreize: Derzeit müssen Pflegebewohner über den Eigenanteil sowohl Investitionskosten, beispielsweise für bauliche Modernisierungen, als auch Ausbildungskosten tragen“, erklärt Dziuk. Investitionen in die Ausbildung von Fachkräften und die Infrastruktur seien jedoch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der sich auch Bund und Länder beteiligen müssen. Gleichzeitig sei es erforderlich die Leistungen der Pflegekassen per Gesetz zu dynamisieren, damit steigende Kosten für die Altenpflege nicht allein von den Pflegebedürftigen getragen werden müssen, so Dziuk. „Wir müssen uns aber ehrlich in die Augen schauen: Dies wird angesichts der demografischen Entwicklung aber nicht ohne höhere Pflegebeiträge möglich sein.“
Wie hoch der Eigenanteil einzelner Pflegeanbieter ist, erfahren Sie beim Barmer-Pflegelotsen.