Erfurt/Jena, 7. Dezember 2020 – Schwerstkranken Menschen die verbleibende Lebenszeit erleichtern. Das ist das gemeinsame Ziel eines neuen Forschungsprojektes der Barmer und des Universitätsklinikums Jena mit dem Namen „pallCompare“. Eine zentrale Rolle beim Erreichen dieses Ziels spielen Krankenkassendaten.
Diese ermöglichen dem Jenaer Forschungsteam einen regionalen Vergleich von Nutzung, Qualität und Kosten der medizinischen Versorgung von Patienten, die so schwer erkrankt sind, dass Heilung nicht mehr möglich ist. „Mit der sektorübergreifenden und regional differenzierten Erhebung schaffen wir eine wichtige empirische Grundlage zum Weiterentwickeln der Palliativmedizin in ganz Deutschland“, sagt Dr. Ursula Marschall, leitende Medizinerin der Barmer. Für schwerstkranke Menschen, deren Lebenserwartung begrenzt ist, müsse eine angemessene medizinische Behandlung auf den Erhalt der bestmöglichen Lebensqualität in der verbleibenden Zeit zielen.
Um diesem Anspruch flächendeckend gerecht zu werden, ist das Gesundheitssystem in den vergangenen Jahren um neue palliative Versorgungsstrukturen erweitert worden. Die Palliativmedizin ist mittlerweile als Pflichtfach im Medizinstudium verankert, es gibt neue Palliativstationen in Krankenhäusern, Hospize, ambulante Palliativteams, spezielle Qualifizierungsmaßnahmen für Ärztinnen und Ärzte und in der Pflege sowie gesonderte Zulassungs- und Vergütungsregelungen.
Landkarte der Palliativmedzin wird erarbeitet
„Die Versorgungsstrukturen variieren regional sehr stark. Deshalb können regionale Vergleiche wichtige Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten geben“, so Dr. Antje Freytag vom Institut für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Jena (UKJ). Die Gesundheitsökonomin leitet das Projekt „pallCompare“, in dem auch eine detaillierte Landkarte für die Palliativversorgung erstellt wird. Inanspruchnahme, Qualität und Kosten der Palliativversorgung sollen darin im Zeitverlauf und bis auf die Ebene von Landkreisen aufgezeigt werden.
Die Datengrundlage dafür liefert die Barmer, bei der rund 9 Millionen Menschen in Deutschland und rund 216.000 in Thüringen versichert sind. Betrachtet werden die Krankenkassen-Routinedaten der von 2016 bis 2021 verstorbenen Versicherten aus deren letztem Lebensjahr: Klinikaufenthalte und Arztkontakte, verordnete Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, häusliche Krankenpflege und die jeweiligen Kosten.
Das Projektteam analysiert diese Daten, bewertet sie und führt sie in einem digitalen Berichtswesen zusammen. Ermittelt wird, wie oft die verschiedenen Formen ambulanter Palliativversorgung in Anspruch genommen werden, wer diese verordnet, welchen Umfang die Leistungen haben und wer diese erbringt.
Regionalkonferenzen zum Austausch über Forschungsergebnisse
Eine zentrale Frage ist, ob die palliative Versorgung erreicht, was sie soll – ob sie also das Leben der Schwerkranken erleichtert. Als Qualitätskriterien dafür erfasst „pallCompare“, wie häufig in den letzten Lebenswochen Notfallbehandlungen oder Klinikaufenthalte erfolgen, ob potenziell belastende Behandlungen wie Chemotherapien verordnet werden und auch, ob ein Patient im Krankenhaus, im Hospiz oder zuhause verstirbt. Auch Veränderungen der palliativmedizinischen Versorgung auf Grund der Covid-19-Pandemie werden sich darstellen lassen.
Mit Leistungserbringern, Kassenärztlichen Vereinigungen und weiteren Gremien der Selbstverwaltung sowie Berufsverbänden und Fachgesellschaften plant das „pallCompare“-Team Regionalkonferenzen, in denen es seine Ergebnisse vorstellt und diskutiert.
Vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss wird das Forschungsprojekt für drei Jahre mit insgesamt rund 900.000 Euro gefördert.