Der Krankenstand bei Beschäftigten des Landes Thüringen ist in den vergangenen drei Jahren um 16 Prozent gestiegen. So kamen im Jahr 2015 im Schnitt auf jeden Beschäftigten 18,1 krankheitsbedingte Fehltage, im Jahr 2012 waren es noch 15,6 Tage. Zu diesem Ergebnis kommt ein speziell für die Thüringer Landesbehörden angefertigter Bericht der Barmer GEK.
Erfurt (10.08.2016). Landesgeschäftsführer Hermann Schmitt überreichte den Report am 10. August im Rahmen einer Pressekonferenz an die stellvertretende Ministerpräsidentin und Finanzministerin Heike Taubert und den Landtagspräsidenten Christian Carius. Für die Untersuchung wurden die anonymisierten Daten von über 5.000 Versicherten in rund 650 Dienststellen repräsentativ ausgewertet, darunter Lehrer, Erzieher und Bürokräfte als größte Berufsgruppen – das entspricht gut 10,5 Prozent aller Landesbediensteten. Auffällig ist, dass Frauen mit 23 Tagen im vergangenen Jahr fast neun Tage länger fehlten als ihre männlichen Kollegen (13,9 Tage). In der Altersgruppe ab 50 Jahren lag die Dauer der Arbeitsunfähigkeit (AU) im vergangenen Jahr bereits bei 27,9 Tagen – das heißt, die älteren Beschäftigten fehlten krankheitsbedingt fast einen ganzen Monat.
Der Krankenstand ist bei den Thüringer Landesbedienstete seit 2012 um 16 Prozent gestiegen.
Hermann Schmitt: In einer älter werdenden Arbeitswelt, in der junge Fachkräfte fehlen, müssen wir mehr tun, damit die Beschäftigten, die wir haben, gesund bleiben. Unser Report liefert jetzt erstmals Zahlen, wie es um die Gesundheit der Thüringer Landesbediensteten tatsächlich bestellt ist. Damit können Maßnahmen zur Gesundheitsförderung noch zielgerichteter erfolgen.
Finanzministerin Taubert: Die Beanspruchung der Bediensteten der Landesverwaltung, etwa für Lehrer, Horterzieher, Straßenwärter, Laboranten, Waldarbeiter, Bürokräfte ist je nach Arbeitsfeld ganz unterschiedlich. Entsprechend ergreifen die Ressorts in eigener Regie für ihre Behörden gezielte Maßnahmen zur Gesundheitsförderung. In der Finanzverwaltung beschränkt sich Betriebliches Gesundheitsmanagement nicht nur auf körperliche Fitness und eine moderne und ergonomische Arbeitsplatzgestaltung. Auch Fragen der Arbeitsorganisation haben einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit. Deshalb können unsere Bediensteten seit letztem Jahr dank flexibler Arbeitszeitmodelle Beruf und Familie besser vereinbaren. Wichtig ist mir, dass Betriebliches Gesundheitsmanagement als fortdauernder Prozess verstanden wird. In Zusammenarbeit mit den Personalvertretungen und den Verantwortlichen des Gesundheitsbereiches baut die Thüringer Finanzverwaltung ihre Konzepte stetig aus und passt Maßnahmen an.
Landtagspräsident Carius: Eine gesunde Arbeitswelt ist wichtig, da wir einen großen Teil unserer Lebenszeit am Arbeitsplatz verbringen. Deshalb sind Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung auch Chefsache. Investitionen in die Gesundheit der eigenen Mitarbeiter sind Investitionen in das eigene Unternehmen – das gilt für die Privatwirtschaft und den öffentlichen Dienst. Deshalb haben wir Anfang dieses Jahres mit Unterstützung der Ernst-Abbe-Hochschule Jena eine Mitarbeiterbefragung zur Gesundheit am Arbeitsplatz durchgeführt. Ausgehend von den Ergebnissen werden wir nun konkrete gesundheitsfördernde Maßnahmen entwickeln und anbieten.
Barmer GEK Landesgeschäftsführer Hermann Schmitt (l.) übergibt den Gesundheitsreport für Thüringer Landesbedienstete an Vize-Ministerpräsidentin Heike Taubert und Landtagspräsident Christian Carius
Die Diagnosen: weniger Rücken, mehr psychische Erkrankungen
Die Gewichte im Ranking der Erkrankungen sind im Vergleich zur Thüringer Erwerbsbevölkerung sichtbar verschoben...
- Rund 23 Prozent aller krankheitsbedingten Fehlzeiten wurden 2015 durch Erkrankungen des Atmungssystems verursacht, sprich von der Erkältung bis zur chronische Lungenerkrankung. Bei der übrigen Erwerbsbevölkerung in Thüringen waren es mit 17,2 Prozent deutlich weniger Fehltage.
- Nur rund 15 Prozent der AU-Tage gingen auf Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems zurück, etwa Rückenschmerzen und Bandscheibenvorfälle (Land: 21,6 Prozent). Betroffene Erkrankte fehlten im Schnitt nur 14,8 Tage. Drei Tage weniger als im Land (17,9 Tage).
- An dritter Stelle folgten psychische Erkrankungen mit 13,8 Prozent aller Fehltage. Das waren etwas mehr als im Landesvergleich. Allerdings schwanken die Fehlzeiten in diesem Bereich von Jahr zu Jahr stark.
- Nur 4,8 Prozent der Fehlzeiten gingen auf Neubildungen (Tumore/Krebs) zurück. Die Tendenz ist jedoch steigend.
Ein weiterer überraschender Befund: Nicht Lehrer führen die Statistik an, sondern Bürokräfte. Deren Krankenstand lag im vergangenen Jahr bei 5,8 Prozent, das heißt, an jedem normalen Arbeitstag waren von 100 Bürokräften fast sechs Beschäftigte krankgeschrieben. Kindererzieher folgten mit 5,6 Prozent. Dagegen waren es an Hochschulen nur 2,3 Prozent.
Landesbedienstete lassen sich gern durchchecken
Überdurchschnittlich hoch ist die Bereitschaft der Landesbediensteten zur Früherkennung. Bei allen Tests liegt die Teilnahmequote über dem Durchschnitt. Insgesamt 53,9 Prozent nahmen im vergangenen Jahr an einer Früherkennung für Krebserkrankungen der Brust, Haut oder des Darms teil – landesweit lag die Beteiligung der Erwerbspersonen bei nur 48,3 Prozent. Wermutstropfen: Nur jeder dritte Mann ließ sich kostenlos durchchecken, wenngleich die Quote bei landesbediensteten Männern mit 36 Prozent etwas höher lag als bei den übrigen Männern im Freistaat (30,6 Prozent). Die höhere Bereitschaft zur Krebsfrüherkennung ist ein gutes Zeichen: Offensichtlich ist das Gesundheitsbewusstsein der Thüringer Landesbediensteten, vor allem bei den Frauen, stark ausgeprägt. Bei den Männern müssen wir noch etwas nachhelfen, so Schmitt. Hilfreich wäre womöglich eine gezielte Aufklärung über die Möglichkeiten der Früherkennung durch Arbeitgeber und Krankenkassen.
Weitere Fakten aus dem Report in Kürze
- Im Jahr 2015 waren 60,6 Prozent der Landesbediensteten mindestens einmal krankgeschrieben. Das heißt fast 40 Prozent waren das ganze Jahr über nie krank gemeldet.
- Hinter den Durchschnittswerten von 18,1 AU-Tagen verbergen sich viele Extreme: 32,7 Prozent aller Krankmeldungen dauerten maximal 3 Tage. Rund 60 Prozent dauerten maximal sieben Tage.
- Nur 4,7 Prozent aller Krankmeldungen verursachten 44 Prozent aller Fehltage. Das heißt, wenige Langzeiterkrankte wirken sich statistisch erheblich aus.
In die Untersuchung sind die Daten von 5.078 Landesbediensteten eingeflossen. Die strukturelle Zusammensetzung unterscheidet sich erwartungsgemäß im Vergleich zu allen Erwerbstätigen in Thüringen:
- 58,4 Prozent der Landesbediensteten sind 50 Jahre und älter (dagegen 38,6 Prozent der Erwerbsbevölkerung in Thüringen), nur 8,3 Prozent sind 30 Jahre und jünger (17,6 Prozent)
- Das Durchschnittsalter beträgt 49 Jahre (43,4 Jahre).
- 74,7 Prozent der Landesbediensteten sind Frauen (57 Prozent)