Erfurt, 6. Mai 2024 – Immer mehr Menschen in Thüringen leiden an Essstörungen. Vor allem bei den Männern hat die Zahl der Betroffenen erheblich zugenommen. Wie aus Abrechnungsdaten der Barmer hervorgeht, ist der Anteil der an Essstörungen leidenden Männer binnen drei Jahren um 37,7 Prozent angestiegen. Bei den Frauen in Thüringen fällt der Anstieg mit elf Prozent in den Jahren 2018 bis 2021 deutlich geringer aus.
„Essstörungen können jeden treffen, auch Jungen und Männer. Es ist ein Trugschluss zu denken, dass an Krankheiten wie Bulimie oder Magersucht nur junge Frauen leiden“, sagt Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Thüringen. Obendrein sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.
Frauen suchen sich eher Hilfe
Den Auswertungen im Morbiditäts- und Sozialatlas des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg) zufolge sind in Thüringen durchschnittlich 5,1 von 1.000 Frauen von einer Essstörung betroffen. Drei Jahre zuvor lag der Wert bei 4,6 von 1.000 Frauen. Bei den Männern sind es im Schnitt 1,1 von 1.000 krankhaft essgestört, drei Jahre zuvor waren es 0,8 von 1.000. Dabei liegen die Peaks bei den Frauen in der Altersklasse der 18- bis 29-Jährigen, bei den Männern in der Zeitspanne zwischen dem 12. und 17. Lebensjahr.
„Die Daten zeigen vor allem eines, nämlich dass mehr Frauen in medizinischer Behandlung sind. Es ist zu vermuten, dass Männer eine höhere Hemmschwelle haben, sich eine als ‚weiblich‘ angesehene Krankheit einzugestehen und Hilfe zu suchen“, sagt Barmer-Landeschefin Birgit Dziuk. Das trage dazu bei, dass derartige Erkrankungen bei Männern seltener und auch später diagnostiziert würden.
Veränderungen erkennen und handeln
Da die Gründe für Essstörungen individuell und vielfältig sind, ist frühzeitiges Erkennen und Vorbeugen wichtig. In Bezug auf das Essen an sich können Eltern Einfluss nehmen, indem sie eine förderliche Esskultur vorleben und Vorbilder sind. „Werden beispielsweise Speisen in der Familie gemeinsam zubereitet und gegessen und wird dabei auch Rücksicht auf die Vorlieben des Einzelnen genommen, stärkt das die Identitätsentwicklung und das Selbstbewusstsein von Heranwachsenden“, sagt Birgit Dziuk. Außerdem böten gerade diese gemeinsamen Aktivitäten Raum für Gespräche über verschiedene Alltagsthemen. Wenn dann auch ein Austausch über die Zutaten, Herstellung und Herkunft von Speisen dazukomme, könne manchem Werbetrick großer Lebensmittelhersteller Paroli geboten, aber auch über die eigene Körperwahrnehmung und die Idealfigur diskutiert werden.
„Für ein selbstbestimmtes Essverhalten im Erwachsenenalter spielen Vorbildwirkung und das Vermitteln von Wissen eine entscheidende Rolle. Genauso wichtig ist es aber, auch negative Veränderungen im Essverhalten rechtzeitig zu erkennen und zu handeln“, so die Barmer-Chefin. Bemerkten Eltern, Lehrkräfte, Trainerinnen und Trainer oder Arbeitgebende starke Gewichtsveränderungen bei Betroffenen, sollten sie sich nicht scheuen, über Hilfsangebote zu informieren.