Thüringens Ärztinnen und Ärzte verschreiben zunehmend sogenannte Biosimilars. Dabei handelt es sich um den Musterpräparaten nachempfundene, ebenfalls biologisch hergestellte Medikamente. In Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit sind sie gleichwertig. Verordnet werden sie vorrangig bei Krebs- und Rheuma-Erkrankungen.
Auswertungen der Barmer haben ergeben, dass Thüringer Ärztinnen und Ärzte überall da, wo es möglich ist, mittlerweile mehr als 50 Prozent Biosimilars verschreiben anstatt auf die Erstpräparate zu setzen. Noch im ersten Quartal des vergangenen Jahres lag die Quote bei lediglich knapp über 40 Prozent.
„Für die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten sind das sehr gute Nachrichten, es geht hierbei letztlich um das Geld der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Angesichts steigender Arzneimittelgesamtausgaben wird der Druck immer größer, eine bestmögliche Versorgung zu bezahlbaren Preisen zu gewährleisten. Biosimilars sind hier ein zentraler Baustein“, sagt Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der Barmer Thüringen.
Mit dem verstärkten Einsatz von Biosimilars seien allein in Thüringen jährlich Einsparungen in Höhe von mehr als 25 Millionen Euro möglich. Geld, das in der Versorgung dringend benötigt werde. Die Quote müsste dazu allerdings annähernd 100 Prozent erreichen. Bundesweit könnten die gesetzlichen Krankenkassen Schätzungen der Barmer zufolge jährlich mehr als 650 Millionen Euro einsparen, bei unverändertem Qualitätsniveau.
Erhebliche Unterschiede in den Bundesländern
Die Thüringer Biosimilar-Quote von 50,5 Prozent ist im Vergleich zu anderen Bundesländern jedoch deutlich geringer. Beispielsweise Niedersachsen und Schleswig-Holstein erreichen eine Quote von mehr als 60 Prozent. Die rote Laterne hat Mecklenburg-Vorpommern mit einer Quote von lediglich 43 Prozent. Der bundesweite Schnitt liegt bei 54 Prozent. „Dass die Quoten in Thüringen mittlerweile beinahe auf dem gesamtdeutschen Niveau sind, ist das Ergebnis sehr guter Aufklärungsarbeit durch Kassenärztliche Vereinigung und die ärztlichen Berufs- und Fachverbände einerseits sowie positiver Erfahrungen in der Ärzteschaft andererseits“, betont Thüringens Barmer-Chefin.
Die Unterschiede in den Bundesländern seien allerdings medizinisch nicht zu begründen und sind in einigen Fachbereichen erheblich. Zahlreiche Studien belegen, dass die Biosimilars den Musterpräparaten absolut gleichwertig sind und dass es keinerlei Unterschiede in Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit gibt. Auch die Sicherheit der Umstellung einer laufenden biologischen Therapie auf ein Biosimilar ist vielfach wissenschaftlich belegt.
„Trotz jahrelanger Erfahrungen und obwohl Biosimilars im Schnitt 20 bis 40 Prozent günstiger sind als die Referenz-Biologika, ist im Verordnungsverhalten mancher Arztpraxen noch immer Zurückhaltung zu spüren“, so Birgit Dziuk weiter. Offenbar gebe es noch immer Vorbehalte und Wissensdefizite bei Ärzten und Patienten. Und das, obwohl selbst die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft sowohl bei Erstverordnung als auch bei Folgeverordnung die Auswahl der wirtschaftlicheren Biosimilars empfiehlt.
Thüringer und sächsische Onkologen bundesweit Spitze
Mit Blick auf die Fachbereiche der Dermatologie und Onkologie ist die Biosimilar-Quote in Thüringen laut Barmer sogar deutlich höher als im bundesweiten Schnitt. Dermatologen verordnen in 69 Prozent der Fälle das günstigere Nachahmerpräparat (Bund: 55 Prozent). Onkologen erreichen die gleiche Quote und sind damit bundesweit beinahe Spitzenreiter. Nur Sachsen toppt den Wert mit einer Quote von 70,5 Prozent. Der gesamtdeutsche Schnitt der Onkologen liegt bei 59 Prozent.
Anders gestaltet sich die Situation im Bereich der Rheumatologie und Gastroenterologie. Wie die Auswertungen der Barmer zeigen, hat sich die Biosimilar-Quote bei den Rheumatologen, im Gegensatz zu allen anderen Fachbereichen, im Verlauf des Jahres 2020 kaum verändert. Sie stagniert bei 59,5 Prozent. Bundesweit liegt die Quote bei 69 Prozent.
Wesentlich niedriger ist der Anteil der Biosimilars, wenn Thüringer Gastroenterologen ihren Patienten biologisch hergestellte Medikamente verschreiben. Der Anteil lag Anfang 2020 bei lediglich 21 Prozent, ist aber im Verlauf des Jahres auf 34 Prozent gewachsen. Die bundesweite Biosimilar-Quote in diesem Fachbereich beträgt 64 Prozent. „In Thüringen ist hier noch viel Luft nach oben. Alle anderen Bundesländer sind mit Quoten von bis zu 85 Prozent deutlich weiter“, sagt Birgit Dziuk.
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Die Daten basieren auf Abrechnungsdaten der Barmer aus dem Auswertungszeitraum Januar bis Oktober 2020.
Dieser Artikel ist erstmalig erschienen im Thüringer Ärzteblatt, Ausgabe 3/2021.