Erfurt, 4. September 2024 – Mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen in Thüringen werden kieferorthopädisch behandelt. Dabei werden Zahn- und Kieferfehlstellungen bei Mädchen offenbar deutlich häufiger als bei Jungen behandelt. Das belegt eine Analyse im aktuellen BARMER-Zahnreport.
Demnach erhielten unter den Heranwachsenden im Land 56,5 Prozent eine entsprechende Behandlung auf Kassenkosten (Bund: 54,7 Prozent). Für die Analyse wurden erstmalig Daten von bundesweit mehr als 50.000 Achtjährigen, davon rund 1.200 aus Thüringen, über einen Zeitraum von zehn Jahren ausgewertet.
„Die Analyse legt unter anderem den Schluss nahe, dass Mädchen möglicherweise zu häufig kieferorthopädisch behandelt werden. Schönheitsideale, Gruppendruck und elterliche Fürsorge sind mögliche Gründe für eine höhere Nachfrage und Behandlungsrate“, sagt Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Thüringen. Es sei kein gutes Signal, wenn dahingehend ein gewisser Erwartungsdruck an Mädchen und junge Frauen entstehe.
So falle die Inanspruchnahme bei Mädchen in allen Bundesländern konstant rund zehn Prozentpunkte höher aus als bei Jungen. In Thüringen bekamen 60,9 Prozent aller Mädchen und 50 Prozent aller Jungen eine entsprechende Behandlung.
Regionale Unterschiede medizinisch nicht zu erklären
Der Analyse des Barmer Zahnreports zufolge hat Thüringen mit den genannten 56,5 Prozent bundesweit eine der höchsten Inanspruchnahmeraten von Kieferorthopädie. Den größten Anteil kieferorthopädisch behandelter Kinder und Jugendlicher gibt es in Baden-Württemberg und Bayern mit 57,3 beziehungsweise 59,7 Prozent. Die niedrigsten Raten gab es in Bremen (45,9 Prozent) und Niedersachsen (47,5 Prozent).
Auch innerhalb Thüringens variiert die Inanspruchnahme von kieferorthopädischen Behandlungen. Die höchste Rate gab es demnach mit 58,7 Prozent in Jena, die geringste im Kreis Nordhausen (51,2 Prozent). „Mit Kieferanomalien und Zahnfehlstellungen allein sind diese regionalen Unterschiede nicht erklärbar“, so Barmer-Landeschefin Dziuk. Ursächlich könnten Unterschiede bei der Bewertung einer Behandlungsbedürftigkeit nach den Kriterien der gesetzlichen Krankenversicherung sein, insbesondere liege aber ein Zusammenhang zwischen Angebot und Nachfrage nahe.
Thüringen im Hintertreffen
Dem Zahnreport zufolge ist der Zugang zur kieferorthopädischen Versorgung für Kinder und Jugendliche in Thüringen ausbaufähig. „Nach Umsatz geschätzt, finden in Thüringen rund 82 Prozent der kieferorthopädischen Behandlungen in fachzahnärztlichen Praxen für Kieferorthopädie statt, also genau dort, wo sie hingehören“, sagt Dziuk. Im Umkehrschluss bedeute das, dass etwa 18 Prozent der kieferorthopädischen Behandlungen von Praxen ohne kieferorthopädischen Schwerpunkt erbracht werden.
Um für gesetzlich Versicherte in Thüringen flächendeckend eine kieferorthopädische Versorgung sicherzustellen, müsse die Verfügbarkeit von Fachärztinnen und Fachärzten für Kieferorthopädie künftig versorgungspolitisch stärker in den Blick genommen werden. Thüringen müsse hierbei aufholen, denn im Bundesdurchschnitt würden lediglich rund 13 Prozent der kieferorthopädischen Behandlungen von allgemeinen Zahnarztpraxen ohne kieferorthopädischen Schwerpunkt erbracht.
Hintergründe zum Barmer Zahnreport
Für den Barmer Zahnreport wurden Abrechnungsdaten von Achtjährigen eines Jahrgangs bis zu einem Alter von 17 Jahren über einen Zeitraum von zehn Jahren (2013 bis 2022) wissenschaftlich analysiert; darunter die Daten von rund 1.208 Heranwachsenden aus Thüringen.