Erfurt, 10. Oktober 2017 - Krebs ist eine der größten Herausforderungen für das Gesundheitssystem in Thüringen der nächsten Jahrzehnte: Die Zahl der Patienten steigt, Früherkennung wird zu wenig genutzt und für Medikamente werden Höchstpreise aufgerufen. „Wenn sich die Behandlungskosten weiter so entwickeln wie in den letzten Jahren, stößt unser Gesundheitssystem an Belastungsgrenzen“, warnt Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Thüringen. Seit 2011 sind die Kosten für Krebsmedikamente in Thüringen bei der Barmer um 48 Prozent gestiegen, obwohl die Anzahl behandelter Patienten „nur“ um knapp 7 Prozent zugenommen hat. Lagen die Arzneimittelkosten für eine typische Chemotherapie in den Neunziger Jahren umgerechnet noch bei wenigen Tausend Euro, so waren es zehn Jahre später einige Zehntausend Euro, und heute erreichen die Kosten in vielen Fällen eine Größenordnung von Hunderttausend Euro und mehr.
Sie übertreffen damit deutlich die Steigerungen der meisten anderen Arzneimittel. „Dieser Trend lässt sich nur zum geringen Teil durch mehr betroffene Patienten erklären“, erklärt Dziuk. „Auch bei onkologischen Arzneimitteln, so segensreich viele von ihnen wirken, sind faire Preise wichtig. Wir müssen aufpassen, dass diese Therapien nicht irgendwann unbezahlbar werden.“ In Thüringen kostet derzeit eine Behandlung mit neuartigen, biologisch hergestellten Krebsmedikamenten (sogenannte Biologika) im ambulanten Bereich pro Patient im Schnitt 27.700 Euro.
Thüringer Ärzte greifen seltener zu Generika
Nach einer aktuellen Auswertung der Barmer zahlt Deutschland im europäischen Vergleich für die meisten Krebsmittel Spitzenpreise. Im neuen Arzneimittelreport wurden 31 einschlägige Präparate in Europa, Australien und Neuseeland verglichen. Demnach liegen in Deutschland 90 Prozent der Medikamentenpreise über dem Mittelwert, bei acht war es der Höchstpreis. Es gibt zwar in vielen Fällen pharmazeutische Alternativen (Generika), doch zu oft werden noch teure Originalpräparate verschrieben. Darauf weist Studienautor Prof. Daniel Grandt von der Uniklinik Saarbrücken hin: „Thüringen hat die geringste Generikaquote bei Krebsmedikamenten bundesweit. Nur in 79 Prozent der Fälle werden generikafähigen Medikamente ersetzt.“ Neue Medikamente sollten daher aus Sicht der Barmer nach fünf Jahren auf ihren tatsächlichen in der Praxis gezeigten Nutzen überprüft und dann der Preis bestimmt werden, fordert Dziuk. „Wir setzen uns dafür ein, dass die Versichergelder sinnvoller für echte Verbesserungen in der Versorgung verwendet werden.“
Männer sind Vorsorgemuffel
Nachholbedarf besteht auch bei der Früherkennung. In Thüringen nutzen 43 Prozent der Frauen die Programme zur Früherkennung (Bund 40,6). Dagegen nur 11,7 Prozent der Männer (Bund: 11,5). Früherkennungsuntersuchungen gehören zum gesetzlichen Leistungskatalog bei Hautkrebs, Prostata-/Brustkrebs, Darmkrebs und
Gebärmutterhalskrebs. Dziuk: „Eine Krebsvorsorgeuntersuchung kann Leben retten. Je früher Krebs erkannt wird, desto eher ist er heilbar. Vor allem Männer sollten sich überlegen, häufiger zur Vorsorge gehen.“