STANDORTinfo Schleswig-Holstein – Ausgabe September 2024

Wie ich es sehe

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Dr. Hillebrandt - Rubrik wie ich es sehe - zu den Themen Versorgungsqualität, Telemedizin und Krankenhausabrechnung

Versorgungsqualität: Andere Länder sind besser

Ein Forschungsteam der Technischen Universität Berlin hat im Auftrag des BMG ein Verfahren erprobt, mit dem sich die Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems systematisch messen lässt. Im Ergebnis* zeigte sich, dass die Bevölkerung einen guten Zugang zum Gesundheitssystem hat. Auch die Verfügbarkeit und Erreichbarkeit von Leistungserbringenden sei hoch – und dies bei insgesamt niedrigen finanziellen Belastungen für Patienten. Blickt man aber über den Tellerrand, so schneidet Deutschland hinsichtlich der Sterblichkeit von Klinikpatienten teilweise sogar weit schlechter ab als die acht Vergleichsländer Belgien, Dänemark, Frankreich, Niederlande, Österreich, Schweden, Schweiz und das Vereinigte Königreich. Das finde ich schon recht bedenklich, gemessen an den hohen Kosten, die in Deutschland für die Gesundheit gezahlt werden. Es gelingt uns einfach nicht, die personellen und finanziellen Ressourcen möglichst gesundheitsgewinnbringend einzusetzen. So ist auch die Anzahl der Krankenhausfälle für eigentlich ambulant behandelbare Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes im internationalen Vergleich hierzulande recht hoch. Es muss doch möglich sein, endlich die Trennung zwischen dem ambulantem und dem stationären Sektor zu überwinden. Und damit den stationären Bereich mit ressourcenschonenderen ambulanten Behandlungen zu entlasten.

Telemedizin könnte Versorgungslücken schließen

Es wird ja weiterhin um die Krankenhausreform gerungen. Im Fokus der Öffentlichkeit stehen dabei immer wieder die negativen Auswirkungen hinsichtlich der Anfahrtszeiten, von denen insbesondere ländliche Regionen betroffen wären. Eine Machbarkeitsstudie** hat nun gezeigt, dass mit dem stärkeren Einsatz von Telemedizin diese Defizite zumindest reduziert und sogar ganz eliminiert werden könnten. Zudem sei der Ressourcenbedarf im Vergleich zum Status Quo geringer. Ich denke, dass die Integration von Telemedizin in die stationäre Gesundheitsversorgung nicht nur eine sinnvolle Ergänzung darstellt, sondern dass sie in vielen Fällen unerlässlich ist, um eine flachendeckende, qualitativ hochwertige medizinische Versorgung sicherzustellen. Die Studienergebnisse zeigen deutlich, dass Telemedizin ein fester Bestandteil in der Versorgung werden sollte, damit eine patientengerechte, wohnortnahe Behandlung auch in Zukunft möglich sein wird. Das wäre zudem eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Krankenhausabrechnung – Kein neues Experiment in Form der Stichprobenprüfung 

Ein Drittel ihrer Ausgaben (das sind über 90 Milliarden Euro) zahlen die gesetzlichen Krankenkassen jährlich aus Beitragsmitteln für die stationäre Behandlung ihrer Patientinnen und Patienten. Die Krankenkassen sind gesetzlich zur Abrechnungsprüfung verpflichtet. Dass das bestehende Prüfsystem vereinfacht werden muss, steht außer Frage. Und mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) soll die Prüfung von Krankenhausabrechnungen unbürokratischer werden. Ab dem 01.01.2027 sollen die bisherigen Einzelfallprüfungen durch strukturierte Stichprobenprüfung abgelöst werden. Dies würde allerdings bedeuten, dass die Krankenkassen nicht mehr wie bisher auffällige oder offensichtlich fehlerhafte Rechnungen aufgreifen und einer Prüfung unterziehen dürften, sondern der Medizinische Dienst (MD) Rechnungen lediglich stichprobenhaft prüfen darf. 

Die Vergütung von Krankenhausleistungen darf zukünftig kein beliebiger, unbeachteter und durchlaufender Posten werden, sondern bedarf weiterhin einer anlassbezogenen Abrechnungsprüfung. Ohne Plausibilisierung der Abrechnungen der Krankenhäuser werden die Ausgaben im stationären Bereich weiter überdurchschnittlich ansteigen. Perspektivisch wird die Abrechnungsqualität der Krankenhäuser durch den fehlenden Kontrollmechanismus unabsichtlich oder absichtlich sinken. Ausgabensteigerungen, und demzufolge Beitragssatzsteigerungen zu Lasten der Versicherten wären die direkte Folge.  

* Health System Performance Assessment (HSPA): Pilotierung einer systematischen Messung der Leistungsfähigkeit und Effizienz des deutschen Gesundheitssystems (Januar 2024)
** Machbarkeitsstudie Telemedizin in Baden-Württemberg im Auftrag des Bosch Health Campus (Juni 2024)