STANDORTinfo Schleswig-Holstein – Ausgabe Juni 2024

Wie ich es sehe

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Dr. Hillebrandt - Rubrik wie ich es sehe - zu den Themen Erwartungen an den neuen KV-Vorstand, mehr Kompetenzen für Pflegefachkräfte und Ineffiziente Prozesse im Gesundheitswesen

Erwartungen an den neuen KV-Vorstand

Die Vorstandsvorsitzende der KVSH, Frau Dr. Monika Schliffke, beendet nach zwölf Jahren ihre Tätigkeit. Auch der langjährige Stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Ralph Ennenbach hört auf. Damit geht Ende Juni eine Ära zu Ende. Die bislang immer gute Vertragspartnerschaft möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen und mich herzlich dafür bedanken. Ab dem 1. Juli übernimmt Dr. Bettina Schultz den KV-Vorsitz. Mit ihren beiden Vorstandsmitgliedern Karsten Brandstetter und Alexander Paquet geht sie in die nächste Amtszeit von sechs Jahren. Es wird keine leichte Zeit, denn große Herausforderungen müssen bewältigt werden. Da ist nicht nur die demografische Entwicklung, die große Lücken in die ärztliche Versorgung reißt, sondern auch die hausärztliche Versorgung, die insbesondere auf dem Land sichergestellt sein will. Neue Konzepte und Ideen sind gefragt. In diesem Zusammenhang wird auch die Digitalisierung eine große Rolle spielen. Allerdings nicht nur in Hinblick auf das ärztliche Personal, sondern auch mit Blick auf die medizinischen Fachangestellten. Der Fachkräftemangel lässt grüßen. Gute Ansätze, wie man dieser Situation begegnen kann, gibt es bereits im Land. Arbeiten wir gemeinsam daran, sie zu verstetigen.

Mehr Kompetenzen für Pflegefachkräfte – Aufgabenverteilung neu justieren

Im Jahresbericht 2023 der Ausbildungsfonds für Pflegeberufe Schleswig-Holstein GmbH steht es schwarz auf weiß: Die Zahl der neuen Auszubildenden im Pflegebereich ist hierzulande von 2021 bis 2023 um 13,8 Prozent von 1.951 auf 1682 zurückgegangen. Auch wenn der weibliche Anteil in der Pflegeausbildung bei gut 70 Prozent liegt, ist bemerkenswert, dass die Zahl der Frauen, die die Ausbildung beginnen, rückläufig ist, während die Zahl der Männer vergleichsweise konstant ist. Insgesamt sind das keine guten Aussichten für die Pflege, die ohnehin vom Fachkräftemangel bedroht ist. Da stimmt es positiv, dass mit dem Pflegekompetenzgesetz Pflegefachkräfte im ambulanten Bereich sowie in stationären Einrichtungen mehr Kompetenzen erhalten sollen, um eigenverantwortlich und selbstständig heilkundliche Tätigkeiten ausführen zu können. Die vorhandenen knappen Fachkräfteressourcen könnten so zielgerichteter und effizienter zum Einsatz kommen. Ich bin davon überzeugt, dass damit der Pflegeberuf attraktiver wird, auch für Bewerberinnen und Bewerber aus dem Ausland, wo die Ausübung selbstständiger heilkundlicher Tätigkeiten vielfach lange etabliert ist. Wichtig ist an dieser Stelle, dass es eine rechtssichere Umsetzung der Übertragung heilkundlicher Tätigkeiten mit einer Regelung im Sozialgesetzbuch V gibt. Ein wesentlicher Unterschied zur Delegation liegt ja darin, dass die nichtärztlichen Gesundheitsberufe in eigener Haftung arbeiten. Die entsprechenden Rahmenvorgaben sowie den pflegerisch-medizinischen Katalog der substituierbaren Leistungen könnte dabei der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) definieren.

Ineffiziente Prozesse im Gesundheitswesen – Fachkräfte nachhaltiger einsetzen

„Wir werden keine abgespeckten Bagatellreformen machen“, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gesagt. Dass es konsequente und radikale Strukturreformen braucht, ist auch die einzig logische Schlussfolgerung angesichts des Berichts des Sachverständigenrats Gesundheit und Pflege. Darin wird das gravierende Ausmaß des Personalmangels im Gesundheitswesen beschrieben. Und es wird deutlich, dass es längst nicht mehr ausreicht, neue Wege für die Personalgewinnung zu erschließen, beispielsweise aus dem Ausland. Erstaunlicherweise hat das deutsche Gesundheitswesen im internationalen Vergleich trotz bedrohlicher demografischer Entwicklung noch immer eine gute Stellung, was die Ausstattung mit Personal angeht. So liegt die Zahl der Beschäftigten im Gesundheitsbereich relativ zur Einwohnerzahl in Deutschland eher in der Spitzengruppe. Aber ineffiziente Strukturen führen dazu, dass dennoch erhebliche Engpässe entstehen: weil wir zu viele Krankenhäuser haben, weil wir zu viel stationär behandeln, weil wir bei der Ambulantisierung der Leistungen noch nicht genug Fortschritte machen, weil zu viel Bürokratie der effizienten Versorgung im Wege steht. Das alles zeigt, wie erschreckend kurzsichtig der verbissene Widerstand der Krankenhausgesellschaft und mancher Länder gegen die Krankenhausreform ist. „Die Arbeit im Gesundheits- und Pflegesektor muss neu organisiert und intelligent gestaltet werden“ und „Wir sind brutal umständlich organisiert in Deutschland“, sagt Michael Hallek, der Vorsitzende des Sachverständigenrats – dem stimme ich voll und ganz zu. Das Ziel müssen weniger unnötige Notfalleinsätze, weniger Aufnahmen im Krankenhaus sowie kürzere Aufenthalte der Patienten in der Klinik sein. Ich bin davon überzeugt, dass es im Gesundheitswesen aktuell noch Reserven gibt, wenn die einzelne Arbeitskraft besser eingesetzt wird. So ließen sich allein mit dem Halbieren des bürokratischen Aufwands rund 70.000 Vollzeitkräfte für direkte Patientenversorgung gewinnen.