Digitalen Graben zwischen Kliniken und Praxen überwinden
Die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung hat in den vergangenen Monaten große Fortschritte gemacht – durch politische Initiativen aber auch aufgrund der Corona-Pandemie. Durch Deutschland zieht sich allerdings ein Graben, wenn es um den Einsatz digitaler Technologien im medizinischen Alltag geht. Aus einer aktuellen Umfrage des Hartmannbundes unter mehr als 500 Ärzten geht hervor, dass 86 Prozent der Klinik-Ärzte in der Digitalisierung primär Chancen für das Gesundheitswesen sehen und nur zehn Prozent ein Risiko. Bei den Praxis-Ärzten sieht dies hingegen ganz anders aus. Dort sieht lediglich rund die Hälfte Chancen, aber 39 Prozent schauen auf die Risikoperspektive. Jede zweite Praxis-Arzt sieht auch eine schwierige Integration der elektronischen Patientenakte (ePa) in den eigenen Behandlungsalltag. Das ist erschreckend, denn die ePa ist ein Kernstück der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Mit ihr können Befunde, Diagnosen und Behandlungsberichte digital geteilt werden und bieten damit allen weiterbehandelnden Ärzten einen schnellen und besseren Überblick. Auch Medikationspläne sind enthalten und sorgen für mehr Sicherheit beim Patienten. Damit das alles gelebter Medizinalltag wird, muss aus Praxis- und Klinikärzten eher mittel- als langfristig ein Team werden, das gemeinsam an einer digitalen Zukunft arbeiten will. Die Patienten erwarten es bereits heute.
Wer soll das bezahlen?
Wie Sie wissen, bin ich ein Befürworter der digitalen Gesundheitsanwendungen, kurz DiGA oder auch „Apps auf Rezept“. In der letzten Ausgabe der STANDORTinfo wies ich aber auch darauf hin, dass die Preise dafür im Auge behalten werden sollten. Hersteller können im ersten Jahr die DiGA-Preise frei wählen. Der Nutzen der Anwendungen muss erst innerhalb des ersten Jahres nachgewiesen werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entscheidet dann erneut über ihre Zulassung. Nach Ablauf des ersten Jahres sollen aber nicht mehr die frei gewählten Preise gelten. GKV-Spitzenverband und Herstellerverbände verhandeln aktuell eine Rahmenvereinbarung zur Preisgestaltung. Als Kriterien sind unter anderem die Anzahl der Verschreibungen der DiGA sowie der aktuelle Preis und Rabatte für die Anwendung für Selbstzahler und in europäischen Märkten im Gespräch. Darüber hinaus muss darauf geachtet werden, dass aus den DiGA-Verordnungen kein kurzfristiges Geschäftsmodell wird und sich Hersteller, deren DiGA nach der Erprobungsphase vom BfArM gestrichen werden, mit den Gewinnen vom DiGA-Markt zurückziehen.
Änderung am Notfallsanitätergesetz schafft mehr Rechtssicherheit
Mit dem MTA-Reform-Gesetz wird mehr Rechtsklarheit für Notfallsanitäter geschaffen: Sie dürfen künftig bis zum Eintreffen des Notarztes oder bis zum Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung heilkundliche Maßnahmen eigenverantwortlich durchführen. Mit der Neuregelung kommt der Gesetzgeber langjährigen Forderungen sowohl der Bundesländer als auch der Berufsgruppe der Notfallsanitäter nach. Die Ausbildung zum Notfallsanitäter qualifiziert seit Inkrafttreten des Notfallsanitätergesetzes auch zur Ausübung von Heilkunde bei der Erstversorgung im Notfall. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass Notfallsanitäter das Erlernte auch in einem rechtlich gesicherten Rahmen anwenden dürfen. Bisher handelten Notfallsanitäter hier in einer rechtlichen Grauzone. Ich sehe in der Neuregelung eine wichtige Initiative, die zur Rechtsicherheit für Notfallsanitäter beitragen kann und damit letztlich den Patienten im Notfall zugutekommen wird.
Ambulantes Operieren auch außerhalb der Regelversorgung
Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27.01.2021 dürfen gesetzliche Krankenkassen im Rahmen der Besonderen Versorgung Selektivverträge zum Ambulanten Operieren abschließen, auch wenn die Leistung (noch) nicht im vertragsärztlichen Leistungskatalog enthalten ist. Durch das Urteil wurde eine seit geraumer Zeit bestehende Rechtsunsicherheit bei der Anwendung der Regelungen der besonderen Versorgung beendet. Die Barmer hat sich seit Jahren immer wieder für die aufsichtsrechtliche Anerkennung dieser nunmehr vom BSG bestätigten Rechtsauffassung eingesetzt. Ich halte es für längst überfällig, dass diese Leistung nun den Patientinnen und Patienten zugutekommt. Sie profitieren neben einer kürzeren Verweildauer und einer hieraus resultierenden geringeren Infektionsgefahr auch davon, dass die Operation oftmals vom Arzt ihres Vertrauens vorgenommen werden kann.