Das Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH) hatte in Zusammenarbeit mit der Barmer zum Landesfachtag Prävention eingeladen. Die große Resonanz von rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf die innerhalb weniger Tage ausgebuchte Fachtagung zeigte, dass das erstmalig aufgegriffene Thema die Schulen beschäftigt: Die psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern sowie der Lehrkräfte als einer wichtigen Grundlage des Lernens. In seiner Begrüßung wies der Direktor des IQSH, Dr. Thomas Riecke-Baulecke, darauf hin, dass psychische Auffälligkeiten und Probleme bei Schülerinnen und Schülern sehr ernst genommen werden müssten.
Kompetenzen für die Herausforderungen der Lehrkräfte
Dass es ein ernst zu nehmendes Thema ist, macht die aktuelle Studienlage deutlich: Mehr als ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen zeigt psychische Auffälligkeiten. Daraus resultieren weitreichende Beeinträchtigungen im familiären, schulischen und sozialen Umfeld. Auch Lehrkräfte sind damit massiv belastet. Es sei eine besondere Herausforderung für die Lehrkräfte, weil sich psychische Probleme oft unspezifisch äußerten, ergänzte Riecke-Baulecke. Lehrkräfte sollten daher unterstützt werden, Anzeichen wie Trauer, Kopf- und Bauchschmerzen, Wut oder Aggressionen und auch depressive Symptome ihrer Schülerinnen und Schülern richtig einzuordnen und ihnen dazu die nötigen Kompetenzen zu vermitteln, um dann pädagogisch sensibel und altersangemessen reagieren zu können.
Psychische Gesundheit stärken und gutes Schulklima entwickeln
Der Landesfachtag Prävention hat dazu in einem ersten Schritt in Vorträgen und Workshops unterschiedliche Aspekte psychischer Gesundheit in den Blick genommen, die wissenschaftliche Sicht präsentiert, gute Ideen und Konzepte vorgestellt und erste Schritte für eine Umsetzung benannt. „Unser Ziel ist es, die psychische Gesundheit von Schülern und Lehrkräften zu stärken und ein gutes Schulklima zu entwickeln. Hierzu fördern wir beispielsweise das Präventionsprogramm ‘MindMatters‘, mit dem Lehrkräfte die entsprechenden Konzepte und Kompetenzen erhalten: Zum Umgang mit psychischen Auffälligkeiten und Störungen der Schüler, zur Sensibilisierung für ihre eigene Gesundheit und damit zur psychischen Gesundheit in der Schule. Wir wollen zu einer guten, gesunden Schule kommen, in der ein Klima der gegenseitigen Wertschätzung herrscht und in der man gern ist“, so Ulrike Wortmann, gesundheitspolitische Referentin der Barmer in Schleswig-Holstein, auf der Fachtagung. Angesichts der hohen Zahl der von psychischen Auffälligkeiten betroffenen Kinder und Jugendlichen und der vielfach bis ins Erwachsenenalter fortbestehenden psychischen Probleme engagiert sich die Barmer intensiv zur Förderung der psychischen Gesundheit in der Schule.
Psychische Gesundheit Ressource für Bildung
„Die Bedeutung der psychischen Gesundheit von Schülerinnen und Schülern sowie von Lehrkräften für die Bildung wird immer noch unterschätzt“, sagte Prof. Dr. Peter Paulus von der Leuphana-Universität Lüneburg in seinem Vortrag „Psychisch gesund – so geht Schule heute“. „Forschungsergebnisse zeigen aber, dass sie eine Ressource für Bildung ist und nicht noch ein weiteres Thema, das der Schule aufgebürdet wird“, so Paulus. „Die Forschung zeigt allerdings auch, dass Schülerinnen und Schüler aus sozial benachteiligten Herkunftsfamilien eine erheblich höhere psychische Belastung aufweisen als Kinder aus anderen Familien. Um psychisches Leiden zu begrenzen und um einen Beitrag zur Verringerung der sozialen Ungleichheit zu leisten, sind deshalb vor allem präventive und gesundheitsfördernde Maßnahmen in den Schulen notwendig“, sagte Paulus. Umfassende, die Schule in ihrer Entwicklung unterstützende Konzepte seien die sinnvollsten und nachhaltig wirksamsten.
Unterschiedliche Ansätze und Aspekte in den Workshops
Neben Prof. Dr. Peter Paulus zeigte Prof. Dr.Ulrike Johannsen von der Europa-Universität Flensburg in ihrem weiteren wissenschaftlichen Impulsvortrag „Schule als Lebenswelt praktisch gestalten – individuelle Teilhabe fördern“ unterschiedliche Ansätze, wie psychische Gesundheit in der Schule gefördert werden kann. In Workshops wurden dann verschiedene Aspekte psychischer Gesundheit in den Blick genommen und Konzepte vorgestellt, die geeignet sind, Bildungsförderung an der Schule als einem wichtigen Lebensort von Kindern und Jugendlichen durch (psychische) Gesundheit nachhaltig zu gestalten.
Barmer fördert Konzepte: Verrückt? Na und!
Als weiteren Baustein zur Förderung der psychischen Gesundheit in der Schule unterstützt die Barmer auch das Präventionsprogramm „Verrückt? Na und!“ Der eintägige Präventionsworkshop vermittelt Jugendlichen Wissen über psychische Gesundheit und enttabuisiert das Thema seelische Krisen und Erkrankungen. Es kann ein Schulklima geschaffen werden, in dem psychische Probleme akzeptiert werden und Jugendliche Schwierigkeiten überwinden können. „Verrückt? Na und!“ bietet Schulen ein einfaches, lebensnahes und wirksames Projekt der Prävention und Gesundheitsförderung an, um mit seelischer Gesundheit gute Schule zu machen. Daher ist es auch gut als Einstieg oder zur Vorbereitung von MindMatters geeignet, wenn sich Schulen intensiver mit dem Thema psychische Gesundheit befassen möchten.
„Verrückt? Na und!“ richtet sich an Schülerinnen und Schüler zwischen 14 und 25 Jahren (ab Klasse 8) aller Schultypen sowie Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter, Schulpsychologen, Eltern und weitere Fachleute. Ein Team aus fachlichen und persönlichen Experten führt in den Schulen klassenweise eintägige Workshops zum Thema durch. Die Fachexperten sind Psychiater, Psychologen, oder Sozialpädagogen, die persönlichen Experten sind Menschen, die seelische Krisen erfahren und gemeistert haben. Besonders eindrucksvoll ist die Begegnung mit den persönlichen Experten. Durch ihre Lebensgeschichten bekommt das komplexe Konstrukt „seelische Gesundheit“ ein Gesicht, ist zum Greifen nah – und dabei ganz normal.
Weitere Informationen finden sich auch im aktuellen Newsletter des IQSH.