Schneller Termine zur ambulanten Behandlung
Das viel diskutierte und jetzt in seinen ersten Teilen in Kraft getretene Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) hat allen Beteiligten im Laufe des Gesetzgebungsprozesses so einiges abverlangt. Eine Vielzahl eingebrachter Änderungsanträge machte eine 2. Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages notwendig, viele Neuregelungen wurden äußerst kontrovers diskutiert, einige verschoben oder auch zurückgezogen. Geblieben ist der Kern des Gesetzes, Wartezeiten auf Behandlungstermine in der ambulanten Versorgung zu verkürzen und die Mindestsprechzeiten von niedergelassenen Ärzten auszuweiten. Der Ausbau der Terminservicestellen (TSS), die spätestens ab 2020 rund um die Uhr unter der einheitlichen Telefonnummer 116 117 erreichbar sein und auch Akutfälle in eine unmittelbare ärztliche Versorgung vermitteln sollen, ist ein richtiger Schritt, um den Zugang gesetzlich Versicherter zur vertragsärztlichen Versorgung zu verbessern. Mit der Verpflichtung der Vertragsärzte, ihre freien Termine an die TSS zu melden, wird das Verfahren außerdem verbindlicher. Besonders hilfreich wird aus meiner Sicht sein, wenn freie Arzttermine – wie von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bereits angekündigt – in naher Zukunft via App gefunden und unmittelbar gebucht werden können. Nicht zuletzt bleibt beim TSVG aber abzuwarten, ob die Ausweitung der extrabudgetären Vergütung von Vertragsärzten und die damit verbundenen Mehrausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung tatsächlich auch zu einer verbesserten Versorgung der Patienten führen werden.
Weitere Schritte zur Digitalisierung
Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) werden außerdem weitere umfangreiche Maßnahmen zur stärkeren Digitalisierung des Gesundheitssystems ergriffen. Bereits ab Dezember 2019 müssen die Krankenkassen die elektronische Gesundheitskarte (eGK) für ihre Versicherten mit einer kontaktlosen Schnittstelle (NFC) ausstatten. Es ist gut, den Versicherten den Zugriff auf ihre Daten auch mit der eGK zu erleichtern und dazu künftig den Datenaustausch zwischen eGK und mobilen Endgeräten, wie beispielsweise Tablet oder Smartphone, zu ermöglichen. Dezember 2019 halte ich aufgrund der dafür notwendigen Zulassungsverfahren der gematik und der Sicherheitszertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik für einen sehr ambitionierten Termin. Das TSVG sieht ferner zum 01.01.2021 nicht nur die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) verpflichtend vor, sondern außerdem ein verbindliches elektronisches Verfahren zur Übermittlung von Arbeitsunfähigkeitsdaten durch die Ärzte an die Krankenkassen. In beiden Punkten ist die Barmer perfekt aufgestellt. Da erst seit kurzem Klarheit über die technischen Anforderungen insbesondere zur Kompatibilität vorliegen, wurde Ende April die Ausschreibung zur ePA der Barmer veröffentlicht. Neben den Kernfunktionen der Akte wie beispielsweise eArztbrief, Medikationsplan und Notfalldaten wird die ePA der Barmer viele weitere wichtige und nützliche Zusatzfunktionen umfassen, die von den Versicherten genutzt werden können. Die elektronische Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung direkt vom Arzt an die Krankenkasse wird von der Barmer in Schleswig-Holstein aktuell bereits erprobt. Hierzu verweise ich auf den separaten Bericht in diesem Newsletter.
Krankenkassen-Finanzausgleich und Organisationsrecht
Mit dem Entwurf des „Faire-Kassenwahl-Gesetz“ (GKV-FKG) hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Reform des Kassenfinanzausgleichs (Morbi-RSA) auf den Weg gebracht. Die Einführung einer Regionalkomponente, die Weiterentwicklung des Klassifikationsmodells hin zu einem differenzierten Vollmodell und die Einführung eines Risikopools unterstützen die Zielsetzung des Morbi-RSA. Denn der Finanzausgleich soll ja dazu führen, dass finanzielle Belastungen zwischen Krankenkassen, die durch die Versichertenstruktur, den Wohnort oder Krankheitslasten verursacht werden, ausgeglichen und Risikoselektionsanreize vermieden werden. Eine Regionalkomponente verhindert dann, dass regionale Unterschiede zu massiven Verzerrungen im Wettbewerb der gesetzlichen Kassen und zu Marktkonzentrationen führen. Vielmehr fließen die Beitragsgelder damit zielgenauer dorthin, wo sie für die Versorgung der Patienten tatsächlich benötigt werden. Ein nach Schweregrad der Krankheiten gewichtetes und abgestuftes Vollmodell, das möglichst noch über Arzneimittel abgesichert wird, und ein Hochrisikopool sind wichtige Reformelemente. Daneben halte ich es für einen fairen Wettbewerb unter den gesetzlichen Krankenkassen ebenso für unverzichtbar, dass einheitliche Rahmenbedingungen bei der Rechtsaufsicht geschaffen werden. Denn dass die heutige unterschiedliche Aufsichtspraxis auf Bundes- und Länderebene zu wettbewerblichen Verwerfungen in der Krankenkassenlandschaft führt, ist hinlänglich bekannt. Versorgung funktioniert im Übrigen immer nur regional, für die Menschen an ihrem Wohnort, egal wo das ist. Dafür ist die Barmer seit jeher perfekt aufgestellt und gestaltet auch in Schleswig-Holstein zum einen die im Krankenkassen-Kollektiv vereinbarten Leistungen aktiv mit und bietet ihren Versicherten darüber hinaus zum anderen viele Versorgungs-Extras, die speziell mit regional tätigen Leistungserbringern vereinbart sind. Von Augenärzten bis Zweitmeinung deckt die Barmer damit ein breites Spektrum an wichtigen besonderen Versorgungsangeboten ab.
Versorgungsverbünde für die sektorenübergreifende Versorgung
Die Überwindung der Sektorengrenzen in der Medizin ist der Schlüssel für eine nachhaltig hochwertige Versorgung der Patientinnen und Patienten. Mit ihrem 10-Punkte-Papier fordert die Barmer daher einen raschen Strukturwandel in der medizinischen Versorgung in Deutschland. Wir zeigen darin konkrete Wege für eine zeitgemäße Zusammenarbeit zwischen Kliniken und Praxen auf, die künftig konsequent über Sektorengrenzen hinweg am Bedarf der Patientinnen und Patienten auszurichten ist. Dabei soll es eine einheitliche Vergütung für ärztliche Leistungen geben. Ein weiteres Element der Barmer-Vorschläge sind regionale Versorgungsverbünde, um die Leistungsanbieter optimal zu vernetzen. Die Verbünde könnten besonders in ländlichen Regionen die flächendeckende Versorgung sichern. Versorgungsverbünde können aus Ärztenetzen, Kliniken oder Medizinischen Versorgungszentren heraus gemeinsam entwickelt werden. Einbezogen werden müssen auch die Anbieter von Pflege-, Rehabilitations- und anderen Gesundheitsangeboten sowie unbedingt auch die Kommunen. Angesichts der in Schleswig-Holstein bereits vorhandenen Strukturen, bieten sich hier ideale Voraussetzungen für Modellprojekte zur Weiterentwicklung in diesem Sinne. Dabei ist die Nutzung und Entwicklung digitaler Technologien für die Zusammenarbeit über die Sektorengrenzen hinweg unabdingbar. In Schleswig-Holstein haben wir aufgeschlossene Institutionen, mit denen wir eine Vorreiterrolle einnehmen können. Die Barmer führt intensive Gespräche, um dieses innovative Potential gemeinsam zu nutzen.
Überforderung bei vollstationärer Pflege
Im Mittelpunkt politischer Diskussionen stehen derzeit auch die Belastungen bei der vollstationären Pflege. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen werden durch steigende Eigenanteile zunehmend zur Kasse gebeten. Eine Deckelung des Einrichtungseinheitlichen Eigenanteils (EEEl) für die pflegebedingten Leistungen in den Einrichtungen, wie auch von Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg ins Spiel gebracht, halte ich nicht für die optimale Lösung. Denn die Kosten sind regional sehr unterschiedlich und Anreize zur Wirtschaftlichkeit würde es praktisch nicht mehr geben. Vor diesem Hintergrund plädiere ich vielmehr dafür, die Leistungen der Pflegeversicherung künftig regelgebunden an eine gesamtwirtschaftliche Kenngröße gekoppelt zu dynamisieren. Neben dem EEE für die Pflegekosten tragen die Bewohner von vollstationären Einrichtungen auch die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen. Bezieher niedriger Einkommen werden bei der Tragung der Investitionskosten durch das Pflegewohngeld unterstützt. Hier könnte das Landesrecht sicherlich für mehr Entlastung sorgen. Mehr Steuergelder für die Pflege werden sicherlich nicht vermeidbar sein. Doch der aktuelle Vorschlag, den Solidaritätszuschlag in einen Pflege-Soli umzuwandeln, erscheint mir auch keine Lösung im Sinne eines immer wieder geforderten klaren Steuermodells.