Seit 1993 engagiert sich der Schleswig-Holsteiner aus Mönkeberg bei Kiel in der Selbstverwaltung der Barmer. Jetzt ist er zum neuen stellvertretenden Vorsitzenden des Barmer-Verwaltungsrates gewählt worden. Wir sprachen mit Dietmar Katzer und fragten ihn nach seiner Motivation für diese Tätigkeit, seinen Zielen und worin er die größte Herausforderung sieht.
Herr Katzer, welche Aufgaben bringt das neue Amt mit sich? Und was können und was wollen Sie in dieser Position bewirken?
Die Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden unseres Verwaltungsrats hebt sich nochmals deutlich von meinen bisherigen Aufgaben ab. Da ist die Vorbereitung von Beschlussvorlagen für den Verwaltungsrat und deren Prozesse bis hin zur Vorlage und eine besondere Schnittstellenfunktion zwischen Vorstand und Selbstverwaltung. Aber auch eine Vielzahl von Terminen macht eine stärkere Präsenz in Berlin erforderlich. Inhaltlich bleibe ich bei meinem alten Thema, nämlich die Versorgungssituation für unsere Versicherten. Hinzugekommen ist noch, die Aktivitäten der Barmer auf den Landesebenen durch Barmer Beiräte, zu aktivieren und zu betreuen.
Wir sind die Versorgerkasse, wir kümmern uns bundeseinheitlich um die gleichen Standards und wir sind digital innovativ. Das alles weiterentwickeln und hier und da noch etwas besser werden, dabei will ich mitwirken. Das geht nur mit einer kreativen und verantwortungsvollen Selbstverwaltung, die ich stärken möchte, da uns sonst ein staatliches Gesundheitswesen droht.
Sie sind bereits seit vielen Jahren im Verwaltungsrat der Barmer. Woher kommt Ihr Interesse für Gesundheitspolitik und die Selbstverwaltung?
Sich für die soziale Selbstverwaltung einzusetzen ist mein Gestaltungsansatz in dieser Gesellschaft seit meiner Sozialisierung. Ob in der Rolle als Gewerkschaftssekretär oder Landesleiter einer Krankenkassenart, hier in Schleswig-Holstein, brenne ich für eine Partizipation auf der Basis von Selbstverwaltung. Schleswig-Holstein ist auch deshalb stark, weil alle Beteiligten, ob gemeinsame, soziale oder auch Kommunale Selbstverwaltung, funktionieren.
Die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu bewahren und auszubauen war ein Teil meiner Lebensaufgabe und jetzt geht es mir um eine bestmögliche Gesundheitsversorgung unserer Versicherten bei der Barmer. Ich sehe natürlich eine Reihe von Verwerfungen, die wir anpacken müssen. Den Krankenkassen wird dabei allzu gerne der schwarze Peter zugeschoben, dabei wird aber vergessen, dass die jeweiligen Bundestage immer mehr Kompetenzen der Kassen eingeschränkt haben und verlässliche Finanzrahmen verweigern. Des Weiteren erhalten die Krankenhäuser nicht die Investitionsgelder von den Ländern, die sie brauchen. Denn immer mehr Milliarden fließen von den Kassen in die Krankenhäuser, die aber für die Versorgung von PatientInnen und nicht für Investitionen gedacht sind. Die ambulant tätigen Ärzte und Ärztinnen bilden in der Versorgung unsere Basis und die ist verdammt gut. Aber muss das alles immer mit noch mehr Geld verbunden sein? Geld, das wir Versicherten über unseren Beitrag bezahlen. Dieser Anriss von Problemen hat mein Interesse an Gesundheitspolitik geweckt, mit einer Selbstverwaltung, die solche Prozesse mitgestaltet.
Der neue Verwaltungsrat wurde für sechs Jahre gewählt. Welche konkreten Meilensteine hat sich der Verwaltungsrat für diese Amtszeit gesetzt?
Wir sind gerade dabei ein Motto für diese sechs Jahre zu entwickeln. Dabei geht es uns um drei Meilensteine. Da sind die andauernden Weltkrisen, aber auch die eigene Perspektive auf die Zukunft, die Verlässlichkeit einer Versorgungszusage und dies alles unter der Dachmarke Barmer.
Davon unabhängig wollen wir das Projekt „Barmer One“ zum Erfolg führen, denn wir haben so viele Erkenntnisse über die Arbeit in der Kasse und müssen sie jetzt endlich durch den Abbau von Hierarchien und Strukturen umsetzen. Arbeit in der Fläche muss der in einer Hauptverwaltung gleichgestellt sein. Der über den Verwaltungsrat festzulegende Zusatzbeitrag wird bei uns seit Wochen diskutiert und wird Ende Dezember entschieden. Diese Entscheidung - aber auch die in den kommenden Jahren - treffen alle Versicherten im Geldbeutel. Dafür brauchen wir Finanzdaten und ein gutes Gefühl für das Machbare.
Das Dilemma bei Vorhersagen von Meilensteinen für sechs Jahren ist, dass wir die Zukunft nicht kennen. Drohen uns weitere große Krankheiten, schlägt die Künstliche Intelligenz zurück, will die Politik die Finanzentwicklung der GKV durch Leistungskürzungen begegnen, führt der Kassenwettbewerb zu neuen Strukturen? Um Lösungen zu finden, brauchen wir einen aufgeweckten und mutigen Verwaltungsrat bei der Barmer.
Die größte gesundheitspolitische Baustelle ist aktuell die Krankenhausstrukturreform. Welche Position bezieht die Barmer dazu und wie kann diese Reform gelingen?
Auf einige Verwerfungen im stationären Bereich habe ich hier schon hingewiesen, deshalb brauchen wir eine Reform der Krankenhäuser mit dem Ziel einer optimalen Versorgung. Mir geht es nicht um das Schließen von Häusern, sondern um ein Angebot von Leistungen, die einem Höchstmaß an Qualität entspricht. Das kann nicht jedes Krankenhaus! Routine und Menge sind bei der Qualität wichtige Parameter und deshalb ist der Grundgedanke von Karl Lauterbach richtig, Krankenhäuser nach Qualitätsstufen einzuordnen.
Obwohl - und das scheint eine sehr große Baustelle zu sein - mir die Gemengelage zwischen einem Land mit seiner Krankenhausplanung und den Einzelinteressen der Krankenhäuser im Land bewusst ist, fordere ich zudem mehr Mut bei der Durchsetzung von Investitionsmitteln. Die Verabredung heißt, Länder zahlen für die Investitionen und wir für die PatientInnen, denen wir deutlich machen müssen, dass für eine gute Qualität bei ihrer Operation auch mal mehr Kilometer zu fahren sind.
Um all das zu meistern, brauchen wir weniger Blockaden und weniger Emotionen um diese oder eine noch bessere Krankenhausreform auf den Weg zu bringen, denn die beratende Krankenhauskommission hat eine gute Grundlage für gemeinsames politisches Handeln gelegt.
Vielen Dank für das Gespräch!