Immer mehr junge Erwachsene leiden unter Kopfschmerzen. Allein im Zeitraum von 2005 bis 2015 ist der Anteil der 18- bis 27-Jährigen mit Kopfschmerzdiagnosen um 42 Prozent gestiegen. Das geht aus dem aktuellen Barmer Arztreport hervor. Danach sind inzwischen 1,3 Millionen junge Erwachsene von einem ärztlich diagnostizierten Pochen, Klopfen und Stechen im Kopf betroffen, 400.000 mehr als noch im Jahr 2005. Die Zahl der Betroffenen in dieser Altersgruppe liegt in Schleswig-Holstein bei rund 50.000. Die Ursachen lassen sich aus den Daten leider nicht ableiten, doch vermutlich nimmt der Druck auf die jungen Leute stetig zu. „Der Alltag kann für Kopfschmerz-Patienten zur Qual werden und deren berufliche oder universitäre Existenz gefährden. Gerade junge Erwachsene brauchen bessere Präventionsangebote. Sport, Entspannungstechniken oder eine gesunde Lebensführung könnten vielen Betroffenen aus der Pillenfalle helfen“, erklärt Schleswig-Holsteins Barmer Landesgeschäftsführer Thomas Wortmann.
Unterschiedliche Betroffenenrate auch in Schleswig-Holstein
Der Anteil junger Erwachsener mit einer Kopfschmerz-Diagnose in der Altersgruppe von 18 bis 27 Jahren ist auch in Schleswig-Holsteins Städten und Kreisen unterschiedlich hoch. Die meisten Betroffenen gibt es in Neumünster (17,1 Prozent) und Flensburg (17,0 Prozent). Deutlich weniger junge Erwachsene mit einer ärztlich dokumentierten Kopfschmerz-Diagnose gibt es in Stormarn (13,0 Prozent) und Dithmarschen (13,1 Prozent).
Besorgnis erregender Tablettenkonsum schon bei Kindern
Wie wichtig präventive Maßnahmen sind, zeigt sich am bedenklichen Tablettenkonsum bereits bei Kindern. So nehmen nach einer repräsentativen Umfrage der Barmer bereits 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen neun und 19 Jahren Medikamente ein, wenn sie Kopfschmerzen haben. 42 Prozent bekämpften den Schmerz sogar jedes Mal mit Arzneimitteln. Wer Kopfschmerztabletten regelmäßig oder gar übermäßig nimmt, riskiert jedoch seine Gesundheit, warnt der Autor des Arztreports und Geschäftsführer des AQUA-Instituts für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen in Göttingen, Prof. Dr. Joachim Szecsenyi.
Dunkelziffer bei Kopfschmerzen noch höher
Der starke Anstieg der Kopfschmerzdiagnosen bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 27 Jahren ist umso bedenklicher vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Diagnosen über alle Altersklassen „nur“ um 12,4 Prozent zugenommen hat. Im Jahr 2015 waren 9,3 Prozent der Bevölkerung von Kopfschmerz betroffen. Am häufigsten wurden Kopfschmerzen im Alter von 19 Jahren diagnostiziert. „Ganz sicher haben noch viel mehr junge Menschen mit Kopfschmerz zu kämpfen, als uns aus ärztlichen Diagnosen bekannt ist. Doch diese Gruppe geht tendenziell seltener zum Arzt, weswegen wir sie auf anderem Wege erreichen müssen“, sagt Wortmann. Auch deshalb unterstützt die Barmer die Aktion „KopfHoch!“. Sie richtet sich an Studierende und soll ihnen helfen, Kopfschmerzattacken künftig deutlich zu reduzieren.
Kopfschmerzprävention via App
Erfolgversprechend in Sachen Kopfschmerzprävention ist auch eine von der Barmer geförderte Migräne- und Kopfschmerz-App. Wortmann: „Die App 'M-sense‘ ist ein digitaler Assistent für Menschen mit Kopfschmerzen. Sie macht die individuellen Ursachen aus und analysiert den Verlauf von Migräne und Spannungskopfschmerzen. Diese Dokumentationen können dem behandelnden Arzt eine wichtige Hilfe bei der Therapie sein. Nicht zufällig ist ‘M-sense‘ die einzige App zur Kopfschmerzprävention, die auf dem deutschen Markt als Medizinprodukt zertifiziert ist.“ Gemeinsam mit der Telekom wird die Barmer in Kürze ein Pilotprojekt starten, um die App weiterzuentwickeln. Betroffene Telekom-Mitarbeiter würden dabei neue Funktionen von ‘M-sense‘ wie die therapeutische und präventive Begleitung testen.
Migränemittel-Missbrauch kann zu Dauerkopfschmerz führen
Alarmierend ist laut Barmer Arztreport auch die Verordnungsrate von Migränemitteln. Die Verordnungsrate von Migränemitteln stieg bei den 18- bis 27-Jährigen in der Zeit von 2005 bis 2015 um ganze 58 Prozent an. Über alle Altersklassen hinweg betrachtet gab es lediglich einen Anstieg um 9,9 Prozent. Als Migränemittel wurden fast ausschließlich Mittel aus der Substanzgruppe der Triptane, vor allem Sumatriptan, verordnet. Sie gelten als Wundermittel für Migräne-Patienten, haben jedoch unerfreuliche Nebenwirkungen, nämlich Kopfschmerzen. „Die Dosis macht das Gift. Wer immer wieder zu Medikamenten greift, um Kopfschmerzen los zu werden, landet im schlimmsten Fall in einem Teufelskreis aus Tablettenkonsum und Dauerkopfschmerzen. Die Betroffenen sitzen dann in einer Pillenfalle“, so Barmer Landeschef Wortmann. In Schleswig-Holstein ist der Anteil junger Erwachsene, denen vom Hausarzt oder Neurologen Migränemittel verordnet werden, besonders hoch.
Weitere Informationen und den vollständigen Barmer Arztreport 2017 finden Interessierte zum Download unter www.barmer.de/p007233.