Dr. Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der Barmer in Schleswig-Holstein
STANDORTinfo für Schleswig-Holstein

Dr. Bernd Hillebrandt ist neuer Landesgeschäftsführer der Barmer für Schleswig-Holstein - Echte Vertragspartnerschaft und das Wohl der Versicherten und Patienten sind seine Prämissen

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Seit dem 01. April 2018 ist Dr. Bernd Hillebrandt (59) neuer Landesgeschäftsführer der Barmer für Schleswig-Holstein. Hillebrandt folgt damit auf Thomas Wortmann, der zu Jahresbeginn in den Ruhestand gegangen ist. Mit Dr. Bernd Hillebrandt konnte die Barmer einen ausgewiesenen Experten der deutschen Gesundheitspolitik gewinnen, der mit seiner langjährigen Erfahrung die erfolgreiche Leitung der Landesvertretung Schleswig-Holstein weiterhin garantiert.

Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler verfügt über weitreichende Erfahrungen aus unterschiedlichen Bereichen des deutschen Gesundheitssystems. Nach dem erfolgreichen Abschluss seines Studiums an der Universität Hannover sammelte Hillebrandt erste berufliche Erfahrungen als wissenschaftlicher Mitarbeiter für den Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen und beim Verband der Ersatzkassen, bevor er als Referent des Vorstandes einer Ersatzkasse und als Vorstand einer Betriebskrankenkasse in das Krankenkassenmanagement einstieg. Als Verwaltungsleiter eines Medizinischen Versorgungszentrums sowie aus der Tätigkeit und Geschäftsführung verschiedener Unternehmen der Gesundheitswirtschaft kennt Hillebrandt auch die Sichtweise der Leistungserbringer im Gesundheitssystem und verfügt über vielseitige Kontakte.

Starke GKV

Die Gesundheitsversorgung steht in Deutschland stets im Fokus der Öffentlichkeit. Aus Sicht von Hillebrandt wird dabei zu viel an Kleinigkeiten herumkritisiert und die nachweislich enormen Stärken der gesetzlichen Krankenversicherung werden zu wenig hervorgehoben: „Die Bevölkerung in Deutschland hat einen breiten Zugang zu einer sehr guten medizinischen Versorgung. Wer in Deutschland schwer krank ist, wird ohne Ansehen der Person oder des Versicherungsstatus versorgt. Auch wenn immer mal wieder Probleme auftreten, ist die Versorgung im internationalen Vergleich herausragend. Das gerät leider zu häufig in den Hintergrund“, so der Barmer Landeschef.

Gelebte Vertragspartnerschaft

Alle, die engagiert in der medizinischen und pflegerischen Versorgung der Menschen im Land arbeiten und mitwirken, sind die Stützen unseres Gesundheitssystems. Die Versorgung auf hohem Niveau sicherzustellen und sie zielgerichtet weiterzuentwickeln, kann nach Ansicht von Hillebrandt nur gelingen, wenn die Akteure im Gesundheitssystem gemeinsam agieren. „Der wichtige partnerschaftliche und ehrliche Umgang aller Player im Gesundheitssystem ist in Schleswig-Holstein vorbildlich. Nur so ist es möglich, Dinge anzupacken und auch umzusetzen, Ideen zu entwickeln oder auch einfach nur das Alltagsgeschäft gut zu bewältigen. Denn jeder weiß, was gemeinschaftlich nicht geregelt wird, ruft meist die Politik auf den Plan. Das führt meist nicht zu den besten Lösungen,“ so Hillebrandt, der ergänzt: „Im Fokus des gemeinsamen Handelns aller Beteiligten müssen die Bedürfnisse der Versicherten und Patienten stehen. Dies ist unser gemeinsamer Auftrag und die einzig richtige Sichtweise unseres gemeinsamen Handelns“, so Hillebrandt.

Krankenversicherungsbeiträge: Parität und Mindestbeiträge für Selbstständige

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Beitragsentlastung der Versicherten in der Gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-Versichertenentlastungsgesetz – GKV-VEG) die paritätische Finanzierung des Zusatzbeitrags und die Senkung der Mindestbeitragsbemessungsgrenze für Selbstständige auf den Weg gebracht. „Die Einigung auf eine paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu leistende Finanzierung der Versicherungsbeiträge entlastet die gesetzlich Versicherten. Es ist sinnvoll, dass damit in Zukunft Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen nicht mehr allein von den Versicherten getragen werden müssen“, erklärt Schleswig-Holsteins Barmer-Chef. In Anbetracht der zum Teil erheblichen finanziellen Überforderung von Selbstständigen mit niedrigen Einkommen sei auch die Absenkung der Mindestbeitragsbemessungsgrenze ein richtiger Schritt. Dies könne zu einer langfristigen Entlastung für die Betroffenen und zu einer teilweisen Reduzierung der Beitragsschulden beitragen.

Gesetzlich angeordnete Beitragssenkung

Über die zuvor genannten Maßnahmen hinaus plant das Ministerium jedoch weiterreichende Regelungen: Vor dem Hintergrund der hohen Überschüsse der Krankenkassen, die sich im vergangenen Jahr um etwa 3,15 Mrd. Euro auf insgesamt 19,2 Mrd. Euro erhöhten, sollen Krankenkassen ihre Finanzreserven reduzieren und zu Beitragssatzsenkungen verpflichtet werden. „Angesichts der hohen Rücklagen der gesetzlichen Krankenversicherung ist es nachvollziehbar, dass das Bundesgesundheitsministerium Gelder mobilisieren will. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass der Koalitionsvertrag auch erheblich ausgabensteigernde Maßnahmen beinhaltet, insbesondere im Bereich der Krankenhäuser. Und muss insbesondere auch beachtet werden, dass die Rücklagen bei den Krankenkassen extrem ungleichmäßig verteilt sind. Das hat nichts damit zu tun, dass die Mitglieder einzelner Krankenkassen womöglich zu viel gezahlt haben. Es ist vielmehr das Ergebnis einer Fehlfunktion des Finanzierungssystems. Umso dringlicher ist es, zeitnah eine Reform des Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) anzugehen, um für die Zukunft eine weitere Fehlverteilung von Beitragsmitteln zu verhindern“, fordert Hillebrandt. Denn dieser Fehler im Morbi-RSA führe dazu, dass einzelne Kassen sehr hohe Rücklagen anhäufen konnten. Eine rasche Weiterentwicklung des Morbi-RSA sei notwendig, damit die Beitragsgelder der GKV-Mitglieder in Zukunft wieder dorthin fließen, wo sie für die Versorgung der Patientinnen und Patienten benötigt werden.

eHealth

Für die Sicherstellung einer hochwertigen und flächendeckenden medizinischen Versorgung bietet die Telemedizin ein großes Potenzial. Daher war es nur konsequent, dass die Ärztekammer Schleswig-Holstein kürzlich die Lockerung des Fernbehandlungsverbotes beschlossen hat. Auch der Deutsche Ärztetag hat nun bundesweit den Weg dafür bereitet, dass Ärzte Online-, Video- und Telefonsprechstunden künftig auch ohne vorherigen Praxisbesuch durchführen können. „Die Beschlüsse waren überfällig. Die Telemedizin kann und wird die klassische ärztliche Versorgung zwar nicht ersetzen können. Aber gerade für die Versorgung im ländlichen Raum werden die neuen Möglichkeiten einen nützlichen Beitrag leisten“, so Schleswig-Holsteins Barmer-Landeschef.

In punkto eHealth hat Deutschland noch erheblichen Aufholbedarf. In der Lockerung des Fernbehandlungsverbotes sieht Hillebrandt aber ein wichtiges Zeichen für mehr Tempo bei der Digitalisierung im Gesundheitssystem. „Es wird viel geredet und an allen Ecken gibt es auch punktuelle Einzelprojekte. Wir brauchen aber keine teuren Parallelstrukturen, sondern eine breite eHealth-Initiative auf der Grundlage einer flächendeckenden, interoperablen und höchsten Sicherheitsanforderungen entsprechenden Telematikinfrastruktur für ein vernetztes und digitales Gesundheitssystem. Der Nutzen für die Patienten muss das einzige Leitmotiv sein“, erwartet Hillebrandt schnelle Weichenstellungen von der Politik.

Vergütungssystem

Die Honorierung von Leistungen der ärztlichen ambulanten Versorgung ist nicht nur in den alljährlichen Budgetverhandlungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung ein Thema. Die Ärzteschaft insgesamt hält die heutige Budgetierung für völlig überholt und fordert eine schrittweise Entbudgetierung der ärztlichen Leistungen. Ein erster Schritt soll nach Ansicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung die Ausbudgetierung von pauschalen Grundleistungen sein. Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg unterstützt die Abschaffung der Budgetierung als Beitrag zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung auf dem Land und sieht in den Überschüssen der Krankenkassen den dafür nötigen Spielraum. Auf der gesundheitspolitischen Agenda steht ferner auch die Frage einer Angleichung der Honorare von gesetzlicher und privater Krankenversicherung.

Aus Sicht von Hillebrandt gilt es, den Blick auf das Große und Ganze zu richten. Denn auf der politischen To-do-Liste steht zum einen eine wissenschaftliche Kommission, die Möglichkeiten einer Angleichung der Honorare aus den beiden Versicherungssystemen GKV und PKV ausloten soll. Darüber hinaus soll sich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit Fragen der Bedarfsplanung, Zulassung, Honorierung und Qualitätssicherung befassen und wie sich die starren Grenzen der ambulanten und stationären Versorgung aufbrechen lassen. Außerdem steht noch eine Überarbeitung der internationalen Klassifikation von Krankheiten bevor. „Fasse ich alle Themen zusammen – und das sollte man tun – , geht es um weit mehr als nur um Honorarsätze. Es geht darum, im Sinne der Patienten weniger stationär und mehr ambulant zu versorgen und damit insgesamt den ambulanten Bereich zu stärken“, erläutert Hillebrandt. Dabei sieht er große Chancen für grundlegende Veränderungen: „Wir wollen gleiche Leistungen gleich vergüten. Egal, von wem sie, für wen sie und an welchem Ort sie erbracht werden. Das Ziel ist ein Preis“, so der Barmer-Landeschef. Wie die Finanzwirkung konkret aussehen würde, lasse sich nicht so einfach beantworten. Dies würde jedoch einem sinnvollen und ausgewogenen Verhältnis von ambulanter und stationärer Versorgung zu Gute kommen und der Sicherstellung der Versorgung in der Fläche dienen. Dazu gehöre auch, dass die telemedizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft würden.

Die Versorgung künftig sektorenübergreifend zu planen, insbesondere zwischen dem ambulanten und stationären Bereich, stellt für Hillebrandt ein besonders wichtiges und vorrangiges Ziel dar. „Es ist eine der größten Schwächen des deutschen Gesundheitssystems, in der Trennung der Versorgungssektoren zu verharren. Aus ökonomischer und Patientensicht sollten die Grenzen jetzt schnell überwunden werden. Es wäre wünschenswert, wenn erste Schritte noch in dieser Legislaturperiode eingeleitet werden“, fordert Hillebrandt mehr Tempo von den politischen Verantwortlichen.

Ambulante/Sektorenübergreifende Notfallversorgung

Die ambulante Notfallversorgung bedarf einer grundsätzlichen Neuorientierung. Zu häufig kommen Patienten mit allgemeinen Erkrankungsbildern in die Notaufnahmen der Krankenhäuser. Dies führt auch in Schleswig-Holstein zu überlasteten Notfallambulanzen und zur Beeinträchtigung der Versorgung von „echten“ Notfällen. Zu etwas „Entspannung“ sollen in Schleswig-Holstein die Anlaufpraxen – zum Teil in den Kliniken und mit gemeinsamen Empfangstresen – beitragen. Allerdings stehen diese nur außerhalb der normalen Praxisöffnungszeiten zur Verfügung. Besser geeignet ist daher das Modell der Portalpraxen. Diese sollen als gemeinsame Einrichtung von Krankenhäusern und Kassenärzten auch während der normalen Praxiszeiten als Anlaufstelle dienen. Patienten können dort je nach Krankheitsbild im Krankenhaus, oder durch den ärztlichen Bereitschaftsdienst versorgt oder an einen Haus- oder Facharzt verwiesen werden.

Als ersten wichtigen Einstieg in die sektorenübergreifende Versorgung ist für Hillebrandt die Notfallversorgung vorrangig. Die Barmer unterstütze daher den Antrag Schleswig-Holsteins im Bundesrat für rund um die Uhr geöffnete Portalpraxen an den Kliniken. „Das seit längerem schon feststellbare Patientenverhalten zur Nutzung der Notaufnahmen der Krankenhäuser macht den Handlungsdruck deutlich. Das Konzept der Portalpraxen würde eine abgestimmte, bedarfsgerechte und passgenaue Patientensteuerung ermöglichen“, wünscht sich Hillebrandt schnelle politische Weichenstellungen für eine Umsetzung.

Stationäre Notfallversorgung

Zu den Strukturen der Notfallversorgung in Krankenhäusern hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 19. April 2018 Regelungen für ein gestuftes System vorgelegt und darin die erforderlichen Voraussetzungen für die Zuordnung zu den Stufen sowie Kriterien für die Nichtteilnahme an der Notfallversorgung festgelegt. Die Notfallstrukturen gliedern sich danach in eine Basisnotfallversorgung, eine erweiterte Notfallversorgung sowie eine umfassende Notfallversorgung. Für alle Stufen hat der G-BA die Anforderungen an Art und Anzahl der Fachabteilungen, Anzahl und Qualifikation des vorzuhaltenden Fachpersonals, Kapazitäten zur Versorgung von Intensivpatienten, die medizinisch-technische Ausstattung sowie die Strukturen und Prozesse der Notfallaufnahme definiert.

Die vom G-BA beschlossenen Mindestanforderungen an die Notfallstrukturen sind die Grundlage dafür, dass Krankenhäuser künftig Vergütungszuschläge bekommen können, die den Umfang der vorgehaltenen Notfallstrukturen berücksichtigen. Nach Aussagen des G-BA werden von den bundesweit 1.748 allgemeinen Krankenhäusern nach der neuen Regelung etwa 1.120 (67 Prozent) Vergütungszuschläge erhalten. Die Häuser, die keinen Zuschlag erhalten, haben danach überwiegend auch in der Vergangenheit keine Notfallversorgung erbracht. Nach ersten Abschätzungen würde der Anteil von Kliniken mit Vergütungszuschlägen in Schleswig-Holstein ähnlich hoch sein, wie im Bundesmittel.

„Im nächsten Krankenhausplan für Schleswig-Holstein wird die Zuordnung der Krankenhäuser zu den einzelnen Notfall-Versorgungsstufen oder die Nichtteilnahme an der Notfallversorgung festgelegt. Ich bin sicher, dass mit dem Zuschlagssystem die Gelder dann dort landen, wo sie hingehören und für eine hochwertige Notfallversorgung gebraucht werden“, erklärt Hillebrandt.

Altenpflege

8.000 neue Fachkraftstellen sollen nach dem Willen der Bundesregierung mit einem „Sofortprogramm“ im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlungspflege in Pflegeeinrichtungen geschaffen werden. Nach dem Willen des Bundesgesundheitsministers sollen es jedoch deutlich mehr werden, wenn in jeder der 13.000 stationären Pflegeeinrichtungen in Deutschland zusätzliches Personal ankommen soll. Finanziert werden soll dies nicht durch die Pflegebedürftigen selbst oder die Sozialämter (Hilfe zur Pflege), sondern aus Mitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Darauf folgen soll in einer „Konzertierten Aktion Pflege“ die bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Situation in der Altenpflege. Dies umfasst verbindliche Personalbemessungsinstrumente mit dem Schwerpunkt auf der Verbesserung der Pflegesituation in der Nacht, eine Ausbildungsoffensive, Anreize für eine bessere Rückkehr von Teil- in Vollzeit, ein Wiedereinstiegsprogramm, eine bessere Gesundheitsvorsorge für die Beschäftigten sowie eine Weiterqualifizierung von Pflegehelferinnen und Pflegehelfern zu Pflegefachkräften.

„Zusätzliche Stellen für die medizinische Behandlungspflege lesen sich auf dem Papier gut. Aber woher nehmen? Bereits jetzt haben wir einen Fachkräftemangel der dafür sorgt, dass viele Stellen in Altenheimen und Krankenhäusern nicht besetzt werden können. Experten schätzen den Fachkräftebedarf heute schon auf 38.000 fehlende Pflegekräfte. Dies macht den dringenden Handlungsbedarf deutlich. Für die Behebung des Fachkräftemangels müssen daher die geplanten weiteren Maßnahmen schnell umgesetzt werden.“, fordert der schleswig-holsteinische Barmer-Chef. Die Alten- und Krankenpflegeberufe seien allesamt Jobs mit Zukunft.