Die Bedeutung von Heil- und Hilfsmitteln für die medizinische Versorgung wird häufig unterschätzt. Im Jahr 2016 hat jeder fünfte Versicherte der Barmer mindestens eine Verordnung eines Heilmittels erhalten. Jeder vierte Versicherte wurde mit einem Hilfsmittel versorgt. Dies zeigt der Barmer Heil- und Hilfsmittelreport 2017 auf, der die Leistungs- und Kostendaten der Versorgung in diesem Bereich analysiert und für das Bundesgebiet und im Bundesländervergleich betrachtet.
Bundesweit haben die Gesamtausgaben für Hilfsmittel bei der Barmer im Jahr 2016 erstmals die Schwelle von einer Milliarde Euro überschritten. Demnach stiegen allein die Ausgaben für Hilfsmittel um rund neun Prozent, das entspricht einem Zuwachs von rund 84 Millionen Euro. Ähnlich stellt sich die Situation bei den Heilmitteln dar. Sie stiegen im Vergleich zum Vorjahr um etwa drei Prozent, was einem Plus von rund 26 Millionen Euro entspricht. Mit Ausgabenzuwächsen von rund 3,3 Millionen Euro bei den Hilfsmitteln und 1,1 Millionen Euro bei den Heilmitteln verlief die Entwicklung in Schleswig-Holstein in einem ähnlichen Rahmen.
Die Anzahl der Versicherten, die Heil- und Hilfsmittel erhielten, blieb im selben Zeitraum jedoch nahezu identisch. „Für die medizinische Versorgung sind Heil- und Hilfsmittel ein wichtiger Teil. Dabei darf allein die medizinische Notwendigkeit das Verordnungsgeschehen bestimmen und nicht regionale Besonderheiten“, erläutert Ragnar Braun, Leiter des Bereichs Verträge der Barmer in Schleswig-Holstein zu den Auswertungen.
Enorme regionale Unterschiede bei den Ausgaben
Seine Forderung stützt sich auf die enormen regionalen Unterschiede in der Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln. In der Physiotherapie, dem mit Abstand größten Block unter den Heilmitteln, sind die Ausgaben je Versicherten in den Jahren 2015 und 2016 um jeweils fast fünf Prozent gestiegen. Betrachtet man die Physiotherapie-Ausgaben pro Versicherten nach Bundesland, fällt eine enorme Spannbreite auf. Sie reichte im Jahr 2016 von 50 Euro in Bremen über 69 Euro in Schleswig-Holstein bis zu 81 Euro in Sachsen und rund 82 Euro in Berlin. „Die regionalen Differenzen bei den Ausgaben sind derart groß, dass sie durch unterschiedliche Häufigkeit oder Schwere der Erkrankungen nicht zu erklären sind. Die Versorgung in den einzelnen Ländern fällt offenbar unabhängig von medizinischen Notwendigkeiten stark unterschiedlich aus“, so Braun.
Geschlechtsspezifische Auffälligkeiten in der Versorgung
Der Report deckt auch deutliche Unterschiede bei den Geschlechtern in der Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln auf, die sich nicht ohne weiteres erklären lassen. So erhalten Frauen häufiger als Männer Hilfsmittel (29 gegenüber 22 Prozent). Bei den Heilmitteln ist der Unterschied noch größer. Hier bekommen 26 Prozent der Frauen, aber nur 17 Prozent der Männer eine Verordnung. „Auffälligkeiten, wie sie der Heil- und Hilfsmittelreport zeigt, müssen weiter untersucht werden. Denn sie können auch ein Hinweis darauf sein, dass Versorgungsentscheidungen nicht durchgehend evidenzbasiert erfolgen“, so Reportautor Prof. Dr.-Doktor Daniel Grandt vom Klinikum Saarbrücken.