Der Krankenstand ist höher, sie verbringen mehr Tage im Krankenhaus, nehmen mehr Tabletten, sind häufiger beim Arzt – und sie sterben früher: Bei Erwerbspersonen mit geringerem sozioökonomischen Status gibt es in allen Bereichen eindeutige Hinweise auf häufigere gesundheitliche Probleme und Einschränkungen. Dies zeigen Auswertungen für den Barmer Gesundheitsreport 2017, für den das Autorenteam um Dr. Thomas G. Grobe vom aQua – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen aus Göttingen verschiedene Indikatoren der Gesundheit von Erwerbspersonen untersucht hat.
Krankenkassendaten geben Aufschluss über die Schulbildung, die Ausbildung sowie den ausgeübten Beruf und lassen eine Differenzierung zum Einkommen anhand der Versicherungspflichtgrenze zu. Dadurch geben sie Hinweise zum sozioökonomischen Status der Mitglieder. „Ergänzend zu unserer kürzlich durchgeführten Befragung zur Lebensqualität liefern die Daten harte Fakten zum Gesundheitszustand. Die Abhängigkeit der Gesundheit von solchen Faktoren wie Bildung und Einkommen zeigt sich dabei drastisch. Darüber hinaus wird die Gesundheit aber auch von weiteren Faktoren wie Kinder und Familie, Flexibilität in der Arbeit oder Arbeitsplatzsicherheit beeinflusst“, erklärt Schleswig-Holsteins Barmer Landesgeschäftsführer Thomas Wortmann zu den Ergebnissen der Studie und des Reports.
Mit ihrem Leben zufrieden
Die Schleswig-Holsteiner schätzen ihre Lebenszufriedenheit weitestgehend positiv ein. Für 48,9 Prozent aller Berufstätigen entspricht das Leben in den meisten Bereichen ihren Idealvorstellungen. Weitere 29,9 Prozent stimmen dieser Aussage zumindest teilweise zu. Bei der bundesweiten Betrachtung haben dies mit 49,4 Prozent (volle Zustimmung) und 33,9 Prozent (teilweise Zustimmung) die deutschen Berufstätigen etwas höher bewertet. Das geht aus der Studie „Lebensqualität und Lebenszufriedenheit von Berufstätigen in der Bundesrepublik Deutschland“ der Universität St. Gallen hervor, die im Auftrag der Barmer durchgeführt wurde. Für die Studie wurden mehr als 8.000 deutsche Arbeitnehmer befragt.
Einkommen ist wichtig, aber vor allem Familie und Kinder machen glücklich
Eine höhere berufliche Stellung und damit ein höheres Einkommen haben laut Studienergebnissen einen positiven Einfluss auf Zufriedenheit und Gesundheit. Während nur etwas mehr als ein Drittel der Beschäftigten mit einem Nettoeinkommen von unter 1.000 Euro im Monat ihr Leben ideal empfinden, sind es bei den Topverdienern mit mehr als 4.000 Euro im Monat mehr als zwei Drittel. „Der Geld-Faktor ist aber nur ein Eckpfeiler für das Lebensglück. Ein stabiles soziales Umfeld mit Familie, Kindern und Freunden trägt ebenfalls maßgeblich zum Erhalt von Gesundheit und Zufriedenheit bei, wie die Ergebnisse dazu zeigen“, ergänzt Wortmann. Gerade Kinder seien keine Belastung, sondern Ausgleich und emotionale Stabilität.
Der Barmer Gesundheitsreport 2017 bestätigt die Studienergebnisse. Bei der Gegenüberstellung von Erwerbspersonen mit einem Einkommen unter und über der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung zeigen sich bei höherem Einkommen deutlich niedrigere Werte beim Krankenstand, bei Krankenhaustagen, täglichen Arzneimitteldosen und Arztbesuchen. Auch die Sterberate liegt deutlich niedriger (siehe Report Tabellen 27/28). Auswertungen zu Familie und Kindern bestätigen ebenfalls die Befragungsergebnisse (siehe Report Tabellen 29-32).
Zufriedene Schleswig-Holsteiner
Im Vergleich der Bundesländer sind die Schleswig-Holsteiner mit ihrer beruflichen Situation besonders zufrieden. Mit 60,5 Prozent lag die Zustimmung hier am höchsten, während sie in Bremen mit dem niedrigsten Wert nur 37,9 Prozent betrug (Bundesmittel: 56,9 Prozent). Auffällige Abweichungen zeigten die Befragungsergebnisse für Schleswig-Holstein zudem in zwei weiteren Bereichen: Schleswig-Holsteiner fühlen sich weniger durch ihre Arbeit emotional erschöpft als der deutsche Durchschnitts-Arbeitnehmer und ihre Arbeitsanforderungen beeinträchtigen seltener ihr Privat- und Familienleben. „Die Einschätzungen der Schleswig-Holsteiner spiegeln sich allerdings nicht ganz in den Krankmeldungen wider. Über alle Krankheiten hinweg und insbesondere auch bei den psychischen Erkrankungen liegt die Zahl der Arbeitsunfähigkeitsfälle und –tage bei den Schleswig-Holsteinern über dem Bundesdurchschnitt. Die gefühlten Beeinträchtigungen scheinen dann aber nicht als so belastend empfunden zu werden“, interpretiert Wortmann.
Sozioökonomischer Status und Gesundheit
Die für den Gesundheitsreport 2017 der Barmer ausgewerteten Daten belegen die Abhängigkeit der Gesundheit von sozioökonomischen Faktoren. Hinsichtlich der Schulbildung lag die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage (Krankenstand) bei Erwerbspersonen (18 bis 64 Jahre) ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulabschluss sowohl bei den somatischen als auch bei den psychischen Erkrankungen deutlich über dem Mittelwert aller Erwerbspersonen, mit Abitur deutlich darunter. Gleiches gilt für die Zahl der Krankenhaustage, die täglichen Arzneimitteldosen sowie die Zahl der Arztbesuche. Bei Betrachtung der Ergebnisse in Abhängigkeit von der Berufsausbildung zeigen sich ebenfalls in allen Bereichen deutliche Auswirkungen auf die Gesundheit. Auch höhere Sterberaten bestätigen die Zusammenhänge (siehe Report Tabellen 20-23).
Risikofaktor Arbeitslosigkeit
Ausgesprochen deutlich weisen die Ergebnisse auf gesundheitliche Probleme bei Arbeitslosen hin. Zu 17 Berufsfeldern und zu arbeitslos gemeldeten Erwerbspersonen wurden die Abweichungen von den Gesundheitsindikatoren überprüft. Insbesondere bei psychischen Störungen zeigten sich bei den Arbeitsunfähigkeitstagen, Krankenhaustagen, täglichen Medikamentendosen und Arztbesuchen mehr als deutlich höhere Werte. Die Sterberate lag doppelt so hoch wie im Mittel aller Erwerbspersonen (siehe Report Tabellen 24-26).
Risikofaktoren Leiharbeit und befristete Beschäftigung
Auch bei Beschäftigten in Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit) weisen die Analysen des Barmer Gesundheitsreports auf erhöhte gesundheitliche Belastungen hin. Bei psychischen Störungen lagen sämtliche Indikatoren (Arbeitsunfähigkeits- und Krankenhaustage, tägliche Medikamentendosis, Arztbesuche) erheblich über den Werten von den übrigen Beschäftigten, bei somatischen Erkrankungen bei Krankenstand und Krankenhaustagen (siehe Report Tabelle 37). Ebensolche Abweichungen zeigen sich auch bei Beschäftigten in befristeten Arbeitsverhältnissen. Auch hier lagen insbesondere die Indikatoren für psychische Erkrankungen erheblich höher (siehe Report Tabelle 39).
Weitere Informationen
Den vollständigen Barmer Gesundheitsreport 2017 und eine Zusammenfassung der Ergebnisse für Schleswig-Holstein finden Interessierte hier. Erkenntnisse aus der Studie zur Lebensqualität und Lebenszufriedenheit von Berufstätigen in der Bundesrepublik Deutschland finden Sie hier.