Der diesjährige Norddeutsche Dialog der Barmer fand das erste Mal in Kiel statt. Am 5. Juni ging es im Güterbahnhof Kiel um das Motto „Ambulant vor stationär – geht da noch mehr?“. Rund 100 Gäste aus der Gesundheitsbranche erlebten neben einem wissenschaftlichen Impulsvortrag auch eine lebhafte Diskussion. Dirk Schnack moderierte die Veranstaltung in gewohnt professioneller Weise.
Nach der Begrüßung von Barmer-Landesgeschäftsführer Dr. Bernd Hillebrandt führte Gesundheits-Staatssekretär Dr. Oliver Grundei vom Ministerium für Justiz und Gesundheit ins Thema ein. Mit einem klaren „Ja“ als Antwort auf die im Motto gestellte Frage begann er sein Statement zum Ambulantisierungspotential in Schleswig-Holstein. Das Thema Ambulantisierung sei angesichts der laufenden Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene aktueller denn je. Dank der vorhandenen Ambulantisierungspotentiale „könne es endlich gelingen, den oder besser die Knoten im System zu durchschlagen, die bisher einer stärkeren Ambulantisierung der Versorgung im Wege stehen“.
Konkrete Zahlen lieferte Dr. Martin Rößler vom Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung (bifg). Das bifg ist das wissenschaftliche Institut der Barmer. Es erstellt und entwickelt selbst und in Partnerschaften Analysen und Konzepte insbesondere zu Versorgungs- und Systemfragen im Gesundheitswesen.
Das bifg kommt nach Auswertung der vollstationären Krankenhausfälle im Zeitraum 2019 bis 2022 zu dem Ergebnis, dass durchschnittlich 20 Prozent der stationären Fälle ambulantisierbar wären. Dieser Wert ist im Betrachtungszeitraum relativ konstant. Im bundesweiten Ländervergleich gibt es lediglich geringe Abweichungen.
Spannend wurde es, als es um die Ambulantisierungspotentiale ging, die sich aus den 64 Leistungsgruppen des NRW-Krankenhausplan 2022 ergeben haben. Während sich das Publikum am ehesten ambulante Operationen im Bereich der Augenheilkunde und Dermatologie vorstellen konnte, liegen die größten Ambulantisierungspotentiale mit teils über 40 Prozent laut bifg in den Leistungsgruppen der Kardiologie.
Aber auch in der allgemeinen Chirurgie könnten die stationären Fallzahlen bis 2040 um 30 Prozent reduziert werden. Insgesamt ist Dr. Martin Rößler überzeugt: „Eine Entlastung von Kliniken und des Gesundheitssystems insgesamt ist mit konsequenter Ambulantisierung möglich.“
Wie der Praxisalltag wirklich aussieht, konnte Dirk Schnack in der ersten Gesprächsrunde mit Dr. Martin Völckers, Geschäftsführer Parkklinik Kiel und Dr. Jens Beermann, praktizierender Kardiologe aus Wedel, besprechen. Es wurde schnell deutlich, dass man vom angestrebten Ziel doch ein gutes Stück entfernt sei.
In einem Filmbeitrag berichteten Prof. Dr. Jens Scholz, Geschäftsführer UKSH, Dr. Christian Frank, Geschäftsführer Sana Klinikum Lübeck und Dr. Martin Blümke, Geschäftsführer WKK Heide über das, was in ihren Häuser schon alles ambulant gemacht wird. In der Abschlussdiskussion wurde weiter engagiert diskutiert und nach Lösungen gesucht.
In seinen Schlussworten appellierte Dr. Bernd Hillebrandt: „Eigentlich könnte doch alles so einfach sein! Doch es braucht Mut und einen konkreten Plan, welche Leistungen in Zukunft ambulant erbracht werden und welche auf Station bleiben. Wir brauchen also eine konzertierte Aktion der Mutigen und Willigen mit einem festgelegten Rechtsrahmen und finanziellen Anreizen.“