Kiel, 13. Mai 2019 – Bei 1,3 Prozent und damit mehr als 37.000 Schleswig-Holsteinern wurde im Jahr 2017 die Diagnose Reizdarmsyndrom gestellt. Mit einer Betroffenenrate von 2,3 Prozent wird die Diagnose landesweit am häufigsten in Neumünster festgestellt, nur 0,8 Prozent sind es dagegen im Landkreis Dithmarschen. Dies zeigen regionale Datenauswertungen für den Barmer-Arztreport 2019. Die tatsächliche Zahl der Betroffenen dürfte jedoch ungleich höher liegen: „Da zahlreiche Betroffene insbesondere aus Scham den Gang zum Arzt teilweise auch über einen langen Zeitraum meiden, dürfte diese Form chronischer Verdauungsprobleme viel häufiger vorkommen, als es die Diagnosedaten belegen. Erhebungen legen nahe, dass bis zu 16 Prozent der erwachsenen Bevölkerung am Reizdarmsyndrom mit seinen Symptomen wie Durchfall, Krämpfen oder Verstopfung leiden“, erläutert Dr. Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der Barmer für Schleswig-Holstein. Das Thema müsse daher aus der Tabuzone geholt werden, auch weil zunehmend Jüngere erkrankten. So habe die Anzahl der Betroffenen im Alter von 23 bis einschließlich 27 Jahren zwischen den Jahren 2005 und 2017 bundesweit um 70 Prozent zugenommen. Über alle Altersgruppen hinweg betrug die Zunahme „nur“ 30 Prozent.
Odyssee bis zur klaren Diagnose
Bei der Behandlung des Reizdarmsyndroms ist es besonders wichtig, den ganzheitlichen Blick auf Körper und Geist zu richten. Nötig ist ein multidisziplinärer Behandlungsansatz, da meist nicht allein der Darm das Problem ist. Die Auswertungen der Barmer legen nahe, dass viele der Betroffenen eine wahre Arzt-Odyssee durchlaufen, bevor sie die richtige Diagnose erhalten. Denn wer an einem Reizdarmsyndrom erkrankt ist, verursache den Reportergebnissen zufolge bereits acht Jahre vor der Erstdiagnose deutlich höhere Kosten als Vergleichspersonen, die diese Erkrankung nicht haben. „Die Betroffenen leiden mitunter schon viele Jahre an einem Reizdarmsyndrom und suchen deswegen immer wieder Hilfe beim Arzt. Die Erkrankung wird aber lange Zeit nicht erkannt und die Betroffenen erhalten die verschiedensten Therapien, die häufig aber nicht helfen. So ist beispielsweise eine reine Gabe von Medikamenten, wie der häufige Einsatz von Magensäureblockern, nicht der richtige Ansatz“, so Hillebrandt. Wenn die Diagnose feststehe, sei unerlässlich, dass Hausärzte oder Internisten multidisziplinär eng mit Schmerztherapeuten, aber auch zertifizierten Ernährungsexperten zusammenarbeiteten. Nicht fehlen dürfe der Aspekt der Psychosomatik. Das Reizdarmsyndrom könne eben auch seelische Ursachen haben.
Ernährungsumstellung, Bewegung, Entspannung
Betroffene vermuten häufig, dass ihre Darmprobleme damit zusammenhängen, was sie essen. Viele machen tatsächlich auch die Erfahrung, dass bestimmte Lebensmittel die Beschwerden lindern oder auch begünstigen. „Es gibt zwar nicht genügend aussagekräftige Studien, die einen direkten Zusammenhang von Ernährung und Reizdarm belegen. Das bedeutet allerdings auch nicht, dass eine Ernährungsumstellung nicht doch dazu führen kann, dass sich die Symptome bessern“, erklärt Micaela Schmidt, Diplom-Ökotrophologin bei der Barmer. Zur Abklärung von Lebensmittelallergien oder –unverträglichkeiten sei ein Arztbesuch unerlässlich. Daneben hat die Ernährungsexpertin der Barmer noch weitere einfache Tipps für den Alltag parat: „Ein Ernährungstagebuch über das, was ich wann und in welchem Umfeld gegessen habe, kann Aufschlüsse über die dadurch entstandenen Probleme liefern. Auch sollte bei der Auswahl der Lebensmittel nicht maßgeblich sein, welche guten oder schlechten Erfahrungen andere damit gemacht haben. Jeder sollte für sich selbst herausfinden, was gut oder möglicherweise nicht vertragen wird“, so Schmidt. Wichtig sei vor allem auch, dem Essen genügend „Raum“ zu geben. „Bei der Nahrungsaufnahme sollte stets gelten, in Ruhe und ohne Ablenkung zu essen. Wer seine Mahlzeiten unter Zeitdruck auf die Schnelle zwischendurch verschlingt, riskiert schon dadurch Unwohlsein und Verdauungsprobleme. Bewusst zu essen und dafür Zeit einzuplanen wirkt manchmal wahre Wunder“, ergänzt die Ernährungsexpertin der Barmer. Daneben trügen sowohl Bewegung als auch Entspannung zu einem funktionierenden Darm bei.