Kiel, 04. April 2019 – Ist eine gute medizinische Versorgung vom Wohnort abhängig? Welche Erwartungen hat die junge Ärztinnen- und Ärztegeneration an ihren Job? Wie greifen ambulante und stationäre Versorgung besser ineinander? Diese Fragestellungen wurden beim 7. Norddeutschen Dialog der Barmer, der gestern in Lübeck stattfand, aus verschiedenen Blickwinkeln in zwei Diskussionsforen beleuchtet.
Anforderungen angehender Mediziner/innen zum Erhalt der flächendeckenden ambulanten Versorgung
Sowohl bei Hausärzten als auch bei vielen Facharztgruppen steigt der Anteil älterer Mediziner. Nachfolger zu finden, gestaltet sich zunehmend schwerer, insbesondere in ländlichen Regionen oder Problemstadtteilen. „Es müssen passgenaue Lösungen gefunden werden, die den Bedürfnissen einer jungen Ärztinnen- und Ärztegeneration gerecht werden und infrastrukturelle Defizite beseitigen. So wollen angehende Mediziner und Medizinerinnen heute nicht mehr vorrangig eine eigene Praxis betreiben, sondern setzen mehr auf Zusammenarbeit und eine ausgewogene Work-Life-Balance“, sagt Dr. Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der Barmer für Schleswig-Holstein. „Man macht das am besten, worauf man Bock hat“, brachte es eine Teilnehmerin auf den Punkt. Regionale Versorgungsverbünde mit angestellten Ärzten könnten ländliche Regionen für Ärzte attraktiver machen und in Metropolregionen zur Zentralisierung spezialisierter Leistungen und zur Schwerpunktbildung beitragen. „Ich darf einfach nur Arzt sein, die administrativen Dinge machen andere“, beschrieb ein angestellter Arzt die Vorzüge auf pragmatische Art.
Ambulante und stationäre Versorgung an der Schnittstelle zusammenführen
„Die Schnittstellen an den Sektoren des Gesundheitssystems behindern eine bedarfsgerechte und kontinuierliche medizinische Behandlung der Patientinnen und Patienten und verhindern mehr Effizienz. Die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung müssen daher dringend überwunden werden“, so Hillebrandt. Die Diskussion machte deutlich, dass die Sektorengrenzen in den Köpfen der Ärzte tief verwurzelt sind und vor allem auch dort angesetzt werden müsse. Von grundlegender Bedeutung sei, eine sektorenübergreifend organisierte Versorgungsplanung zu initiieren, die die bisherige Kapazitätsplanung für Krankenhäuser und Niederlassung durch eine gemeinsame Ausrichtung am tatsächlichen Bedarf medizinischer Leistungen ersetzt.
Grundsatz: Gleiches Geld für gleiche Leistung
Um Fehlanreize zu vermeiden, sollte für die Leistungen an der Schnittstelle zwischen allgemeiner fachärztlicher ambulanter Versorgung sowie der Grund- und Regelversorgung im Krankenhaus ein einheitliches Vergütungssystem geschaffen werden. „Die Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärzten und Krankenhausärzten muss klar definiert werden. Behandelnde Ärztinnen und Ärzte müssen sich bei definierten Leistungen an Behandlungspfaden und Leitlinien orientieren, so dass auch einheitliche Qualitätsanforderungen gelten“, fordert der schleswig-holsteinische Barmer-Chef.
Höchste Zeit zu Handeln
Das Thema sektorenübergreifende Versorgung steht auch auf der politischen Agenda der Bundesregierung. CDU, CSU und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Zusammenarbeit und Vernetzung im Gesundheitssystem auszubauen. Eine dazu eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitet nun die Vorschläge, wie ambulante und stationäre Versorgungsbereiche stärker sektorenübergreifend entwickelt werden können. Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat mehrfach Maßnahmen zur Stärkung der Koordination und Kooperation im Gesundheitssystem vorgeschlagen, zuletzt in seinem Gutachten von 2018.
Impulse der Barmer
Die Barmer begrüßt diese Initiativen. „Wenn neue Rahmenbedingen die Organisation der medizinischen Behandlung über die Sektorengrenzen des Gesundheitssystems hinweg erleichtern, komme dies den Patientinnen und Patienten zu Gute“, folgert Hillebrandt. Daher habe die Barmer mit einem „10-Punkte-Papier“ Impulse zur Weiterentwicklung der sektorenübergreifenden Versorgung gegeben.