Kiel, 11. März 2021 – Bei der Verordnung von Magensäureblockern ist nach den massiven Anstiegen über viele Jahre hinweg eine Trendwende erreicht. Im Jahr 2019 verordneten Ärztinnen und Ärzte rund 450.000 Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern mindestens einmal sogenannte Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI), die vor allem gegen Sodbrennen, Magenentzündungen und -geschwüren helfen. Das sind knapp zehn Prozent weniger Betroffene als noch im Jahr 2016, aber immer noch 68 Prozent mehr als im Jahr 2006. Dies geht aus einer aktuellen Analyse der Barmer hervor. „Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, dass nicht mehr so viele Patientinnen und Patienten Magensäureblocker verordnet bekommen. Hier scheint die kritische öffentliche Debatte über sogenannte PPI endlich zu wirken. Denn deren langfristiger Einsatz kann das Osteoporose-Risiko erhöhen sowie Nierenerkrankungen, Magnesiummangel und Darminfektionen fördern“, sagt Dr. Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der Barmer in Schleswig-Holstein. Unter dem Strich würden aber immer noch zu viele Magensäureblocker verschrieben. Die hohen Verordnungsraten blieben rein medizinisch oder demografisch nicht erklärbar.
Deutliche Anstiege bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Unterteilt in Altersklassen zeigt die Barmer-Analyse, dass vor allem Heran-wachsende und junge Erwachsene zwischen den Jahren 2006 und 2019 trotz jüngster Rückgänge verstärkt Magensäureblocker verschrieben bekommen haben. So stieg der Anteil unter den 10- bis 14-Jährigen von 0,42 auf 1,15 Prozent. Das entspricht einem Zuwachs um 173 Prozent. Damit bekamen, hochgerechnet für Schleswig-Holstein, im Jahr 2019 rund 1.200 Kinder und Jugendliche in dieser Altersgruppe Magensäureblocker verordnet. Unter den 15- bis 19-Jährigen stieg der Anteil um 165 Prozent, von 1,61 auf 4,27 Prozent, was gut 4.800 Teenagern im Land entsprach. Bei den 20- bis 24-Jährigen lag das Plus bei 123 Prozent, und zwar von 2,64 auf 5,89 Prozent. Das sind rund 7.500 junge Frauen und Männer in Schleswig-Holstein.
„Die Zahl junger Menschen mit PPI-Verordnungen ist zuletzt zwar leicht gesunken. Dennoch sind die Betroffenenraten nach wie vor viel zu hoch. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich junge Menschen häufig unter Druck fühlen, was ihnen buchstäblich auf den Magen schlägt“, so Hillebrandt. Zudem sei in dieser Altersgruppe wenig bekannt über das gesteigerte Risiko für Osteoporose oder Niereninsuffizienz durch die Langzeiteinnahme der PPI.
Weniger Verordnungen, aber höhere Dosen
Bei der Analyse der Versicherten, die Magensäureblocker-Verordnungen er-halten haben, fällt eine gegenläufige Entwicklung auf. Einerseits bekommen die Betroffenen pro Jahr weniger Rezepte. Im Schnitt waren es im Jahr 2006 in Schleswig-Holstein noch 3,1 Rezepte und im vorvergangenen Jahr 2,5 Verordnungen. Das entspricht einem Rückgang um gut 17 Prozent. Allerdings ist im selben Zeitraum die Summe der pro Jahr und Patientin bzw. Patient verordneten Tagesdosen um knapp 114 Prozent gestiegen. „Es scheint, dass inzwischen verstärkt die Personen Magensäureblocker verschrieben bekommen, die sie dringend benötigen. Dabei kann es sich zum Beispiel um Menschen mit langwierigen oder chronischen Erkrankungen handeln, die pro Rezept eine größere Menge an Magensäureblockern verordnet bekommen“, sagt Hillebrandt. Das könne zu einer Zunahme der verordneten Tagesdosen pro Patientin oder Patient führen, weil der Bedarf für kurzdauernde oder niedrig dosierte PPI verstärkt durch die rezeptfreien Varianten abgedeckt würde.
Deutliche regionale Steigerungsraten trotz jüngster Rückgänge
Die Anzahl der Personen, die mindestens ein Rezept über Magensäureblocker im Jahr erhalten haben, ist zwischen den Jahren 2016 und 2019 in allen Bundesländern leicht gesunken. Schleswig-Holstein verzeichnete eine leichte Abnahme um acht Prozent, während der Rückgang in Rheinland-Pfalz mit 16,2 Prozent am stärksten war. Dennoch ist die Anzahl der Personen mit mindestens einer Magensäureblocker-Verordnung zwischen den Jahren 2006 und 2019 abgesehen von Bayern und Baden-Württemberg in allen Bundesländern um die Hälfte oder mehr gestiegen. Die größten Zuwachsraten gab es in Bremen mit 84,0 Prozent und Hessen mit 78,9 Prozent, die niedrigsten in Bayern mit 42,8 Prozent und Baden-Württemberg mit 48,7 Prozent. In Schleswig-Holstein lag die Zuwachsrate im Zeitraum 2006 bis 2019 bei 67,9 Prozent. „Tendenziell sind die Steigerungsraten in den Bundesländern größer, in denen bislang etwas weniger Magensäureblocker verordnet wurden. Damit nähern sie sich an ein Niveau an, das nach wie vor zu hoch erscheint“, sagt Hillebrandt.