Kiel, 20. Dezember 2021 – Mehr als 17 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Schleswig-Holstein, die in der Lieferkette arbeiten, hatten im Jahr 2020 einen überdurchschnittlich hohen Krankenstand. Und das in einem Jahr, in dem die krankheitsbedingten Fehlzeiten in Schleswig-Holstein insgesamt um 2,4 Prozent gesunken sind. „Blickt man auf die gesamte Lieferkette von Einkauf, Lager, Zustellung und Verkauf, so wird deutlich, dass diese Beschäftigten komplexen gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt waren und dadurch wesentlich mehr Krankheitstage hatten als der branchenübergreifende Durchschnitt. Dabei spielt auch der Aspekt, dass sie sich nicht wie viele andere Beschäftigte ins Homeoffice zurückziehen konnten, eine wichtige Rolle“, sagt Dr. Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der Barmer in Schleswig-Holstein.
Briefträger, Paketboten und Kurierfahrer fast 80 Prozent länger krank
Zwei Berufsgruppen sind besonders starken gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt, wie aus dem aktuellen Gesundheitsreport der Barmer hervorgeht. So waren in Schleswig-Holstein Beschäftigte in der Berufsgruppe Fahrzeugführer, zu der LKW- und Busfahrerinnen und -fahrer zählen, im vergangenen Jahr knapp 50 Prozent länger krankgeschrieben als Beschäftigte anderer Berufe, Zustellerinnen und Zusteller sogar knapp 80 Prozent länger. Beschäftigte in Post- und Zustelldiensten waren demnach im Jahr 2020 in Schleswig-Holstein 32,5 Tage (Vorjahr 25,7 Tage) und in der Fahrzeugführung 27,2 Tage (Vorjahr 25,2 Tage) krankgeschrieben. Der berufsübergreifende Durchschnitt lag im nördlichsten Bundesland bei 18,1 Fehltagen. „Briefträger, Paketboten und Kurierfahrer fehlten im Jahr 2020 fast 80 Prozent länger als Beschäftigte anderer Berufe. Das entspricht einem Krankenstand von 8,9 Prozent und bedeutet, das von 1.000 Beschäftigten dieser Berufsgruppe täglich 89 krankheitsbedingt ausfielen“, stellt Hillebrandt fest. Schleswig-Holstein träfe der hohe Krankenstand in den beiden Berufsgruppen Zusteller und Fahrzeugführer besonders. Gemeinsam machten sie im hohen Norden über vier Prozent aller versicherungspflichtigen Beschäftigten aus. „Arbeitgeber sollten auch im eigenen Interesse den gesundheitlichen Belastungen am Arbeitsplatz mit Präventionsmaßnahmen begegnen. Ein betriebliches Gesundheitsmanagement lässt sich in allen Unternehmen, egal welcher Größe und Branchenzugehörigkeit mit Unterstützung der gesetzlichen Krankenversicherung umsetzten“, sagt Hillebrandt.
Muskel-Skelett-Erkrankungen Hauptursache für Krankschreibungen
Die Auswertungen des Gesundheitsreports machen deutlich, dass in der Lieferkette Beschäftigte von Post- und Zustelldiensten im vergangenen Jahr mit 35,1 Prozent am häufigsten wegen Muskel-Skelett-Erkrankungen krankgeschrieben waren. Es folgen Beschäftigten der Lagerwirtschaft (30,0 Prozent), Fahrzeugführern (29,6 Prozent), dem Verkauf von Lebensmitteln (27,1 Prozent) und dem Verkauf ohne Produktspezialisierung (25,6 Prozent). Unter dem berufsgruppenübergreifenden Durchschnittswert von 22,1 Prozent lag mit 16,5 Prozent lediglich die Berufsgruppe Einkauf, Vertrieb, Groß- und Außenhandel.
Belastungen machen sich psychisch bemerkbar
„Die zweithäufigste Krankheitsart in der Lieferkette waren psychische Erkrankungen. Zu den Ursachen zählen sehr oft starker Zeit- und Leistungsdruck. Im Pandemiejahr 2020 kam vermutlich auch die Angst um die eigene Gesundheit hinzu“, sagt Hillebrandt. Aus dem Gesundheitsreport geht weiter hervor, dass die Berufsgruppe Einkauf, Vertrieb, Groß- und Außenhandel mit 23,9 Prozent besonders stark von psychischen Erkrankungen betroffen war. Im Verkauf ohne Produktspezialisierung war noch mehr als jeder Fünfte (21,2 Prozent), im Verkauf von Lebensmitteln fast jeder Fünfte (19,2 Prozent), in der Lagerwirtschaft fast jeder Sechste (15,9 Prozent), bei den Post- und Zustelldiensten 15,2 Prozent und bei den Fahrzeugführern mit 12,7 Prozent immer noch deutlich mehr als jeder Zehnte wegen psychischer Probleme krankgeschrieben. Fahrzeugführer waren außerdem doppelt so häufig wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen arbeitsunfähig als der berufsübergreifende Durchschnittsbeschäftigte. Sie machten bei Fahrzeugführern 8,6 Prozent aller Krankschreibungen aus.
Mehr als jeder Zehnte wegen Verletzung krank
Verletzungen waren bis auf die Berufsgruppe Einkauf, Vertrieb, Groß- und Außenhandel die dritthäufigste Ursache für eine Krankschreibung. Mehr als jeder zehnte Beschäftigte der Lieferkette fiel wegen einer Verletzung aus. Auch hier waren die beiden eingangs erwähnten Berufsgruppen Zusteller und Fahrzeugführer mit 14,7 und 14,4 Prozent am häufigsten vertreten. Im Lager verletzten sich 12,6 Prozent, beim Verkauf von Lebensmitteln 11,3 Prozent, beim Verkauf ohne Produktspezialisierung immerhin noch 10,2 Prozent. Bei den Ein- und Verkäufern des Groß- und Außenhandels waren lediglich 9,0 Prozent aufgrund einer Verletzung arbeitsunfähig, dafür aber 13,5 Prozent wegen einer Erkrankung der Atemwege.
Glossar
Ergebnisse aus dem Barmer-Gesundheitsreport 2021 für Schleswig-Holstein zu Arbeitsunfähigkeiten (AU)
- Die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner liegen mit ihren Krankheitszeiten etwas über dem Bundesdurchschnitt. Hier gab es 2020 2,7 Prozent mehr AU-Fälle und 0,8 Prozent mehr AU-Tage. Während 2020 bundesweit jeder Arbeitnehmer durchschnittlich 17,9 Tage krankgeschrieben war, waren es in Schleswig-Holstein durchschnittlich 18,1 Tage (Report Seite 20 – 23).
- Im Vergleich zum Vorjahr sind die Fehlzeiten in Schleswig-Holstein geringfügig um 2,4 Prozent auf durchschnittlich 18,1 Fehltage gesunken (Vorjahr 18,5 Fehltage).
- Insgesamt wurden 2020 über 3,1 Millionen Fehltage in Schleswig-Holstein dokumentiert (Report Seite 288).
- Auf die vier relevantesten Krankheitsarten entfielen in Schleswig-Holstein 2020 insgesamt 67,2 Prozent und damit mehr als zwei Drittel der Fehlzeiten, dabei 22,3 Prozent auf Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems, 22,3 Prozent auf psychische Störungen, 11,6 Prozent auf Atemwegerkrankungen und 11,0 Prozent auf Verletzungen (Report Seite 73).
- Die geringsten Ausfallzeiten aufgrund von Erkrankungen gab es in Baden-Württemberg (15,1 AU-Tage). Die meisten AU-Tage wurden in Sachsen-Anhalt dokumentiert (21,9 AU-Tage).
- Akute Infektionen der oberen Atemwege sind die häufigste Ursache von Arbeitsunfähigkeiten (Report Seite 76 und 77).
- Arbeitsunfähigkeiten aufgrund von psychischen Störungen dauern mit durchschnittlich 50,7 Tagen am längsten (Report Seite 53).
- Frauen fehlen häufiger aufgrund von psychischen Erkrankungen – Männer wegen Rückenschmerzen.
- Die meisten Fehlzeiten hatten in Schleswig-Holstein die Post- und Paketzustellerinnen und -zusteller mit 32,5 AU-Tagen, gefolgt von Alten- (30,1) und Krankenpflegerinnen und -pflegern sowie Reinigungskräften mit jeweils 27,7 und Fahrzeugführern mit 27,2 AU-Tagen.