Kiel, 1. Oktober 2021 – Die Betreuung Schwangerer durch Hebammen mithilfe digitaler Technik hat sich in der Pandemie gut bewährt. Das zeigt ein aktueller Forschungsbericht der Hochschule für Gesundheit in Bochum in Kooperation mit dem Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung und dem Deutschen Hebammenverband. Darin wurden erstmals das Angebot und die Akzeptanz digitaler Hebammenbetreuung in einer großen Befragungsstudie untersucht. Befragt wurden Barmer-versicherte Frauen, die zwischen Mai und November 2020 geboren haben, und freiberuflich tätige Hebammen. Demnach beurteilt eine Mehrheit der Frauen, die digitale Hebammenversorgung in Anspruch genommen hat, solche Angebote mit „sehr gut“ (74,1 Prozent) und „gut“ (18,8 Prozent). „Wie vieles andere, hat Corona auch die bisher übliche Präsenzbetreuung werdender Mütter durch Hebammen aufgrund der Kontaktbeschränkungen erschwert. Wir freuen uns, dass sich die digitale Hebammenbetreuung als Ergänzung zum persönlichen Kontakt etabliert hat“, sagt Dr. Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der Barmer in Schleswig-Holstein. Für die Studie seien Antworten von 1.821 Frauen und 1.551 Hebammen ausgewertet worden. Der GKV-Spitzenverband und die Berufsverbände der Hebammen hatten schnell auf die Pandemiebedingungen reagiert und schon im März 2020 die digitale Hebammenbetreuung ermöglicht.
Klare Mehrheit wünscht Fortsetzung
In der Studie habe mehr als jede zweite Schwangere angegeben, dass ihre Hebamme ihr ein digitales Betreuungsangebot gemacht habe. „Viele Hebammenleistungen lassen sich auch digital durchführen. Dazu gehören zum Beispiel Kurse zur Geburtsvorbereitung, zur Rückbildung und Beratungen“, sagt Ursula Jahn-Zöhrens vom Deutschen Hebammenverband. 64,5 Prozent der befragten Hebammen hätten solche Angebote als sinnvolle Ergänzung angesehen. 62,7 Prozent der Hebammen würden es begrüßen, wenn es auch nach der Pandemie digitale Betreuungsmöglichkeiten gäbe. 52,3 Prozent der befragten Frauen fänden die digitalen Angebote genau richtig oder wünschten sich deren weiteren Ausbau.
Frauen nehmen Angebote gut an
Sowohl in der Schwangerschaft als auch im Wochenbett nähmen die Frauen digitale Angebote gut an. Frauen, die von einer Hebamme betreut wurden, nutzten solche Angebote zusätzlich zum direkten Kontakt zu 38,5 Prozent, im Wochenbett seien es noch knapp 29 Prozent. Dabei unterschieden sich einzelne Leistungen zum Teil deutlich. Das Kennenlernen finde zumeist im direkten Kontakt statt (84,3 Prozent). Bei Fragen nach der Geburt hole sich hingegen etwa jede Zweite auf digitalem Wege Rat. Rückbildungskurse fänden häufiger digital als in Präsenz statt (38,1 versus 32,9 Prozent). Im Wochenbett legten aber fast alle Befragten großen Wert auf die direkte Anwesenheit ihrer Hebamme (98,1 Prozent). „Nicht alle Hebammenleistungen sind gleich gut digital zu erbringen. Körperliche Untersuchungen der Frau und des Kindes sowie diagnostische Verfahren erfordern die physische Präsenz der Hebamme, da ansonsten Anzeichen von gesundheitlichen Problemen nicht erkannt werden können. Kurse und Beratungen sind prädestiniert für die Digitalisierung“, betont Prof. Dr. Nicola H. Bauer, Professorin für Hebammenwissenschaft an der Hochschule für Gesundheit in Bochum und Leiterin des Autorinnenteams der Studie.
Corona verändert Leistungsangebot der Hebammen
Die Corona-Pandemie habe, so zeige die Befragung, das Leistungsangebot der Hebammen erweitert. „Rund zwei Drittel der Hebammen schafften Geräte wie Webcams, Headsets oder Computer an, um ihre Leistungen digital anbieten zu können. Dies geschah in sehr kurzer Zeit und stellte die Hebammen aber auch vor Herausforderungen bezüglich Finanzierung, Technik und Datenschutz“, sagt Jahn-Zöhrens. Wie die befragten Frauen sähen auch die befragten Hebammen Wege- und Zeitersparnis als klare Vorteile der Digitalangebote. Das ermögliche unter anderem auch, mehr Frauen zu betreuen. Schwangere wie Hebammen sähen die digitale Hebammenbetreuung in der Schwangerschaft und im Wochenbett als sinnvolle Ergänzung zum persönlichen Kontakt. Der Ausbau der digitalen Betreuung dürfe aber nicht zu Lasten der aufsuchenden Betreuung gehen. „Die Corona-Pandemie hat sich auch in der Betreuung Schwangerer als Treiber der Digitalisierung erwiesen. Kassen und Hebammenverbände haben schnell gute Lösungen im Sinne der Schwangeren gefunden. Daraus wurden gute Erfahrungen gewonnen und Hemmschwellen abgebaut, was letztlich den Schwangeren und Hebammen gleichermaßen hilft“, resümiert Barmer-Landeschef Hillebrandt.
Hintergrund
Design der Befragungsstudie „Digitale Hebammenbetreuung im Kontext der Covid-19-Pandemie“
- Methodik: Mittels zweier, jeweils auf die Zielgruppen Frauen und Hebammen zugeschnittener Online-Fragebögen konnten erstmalig Erfahrungen mit digitaler Hebammenbetreuung bundesweit erfasst werden. Die hier gewählte Methode der explorativen Befragungsstudie bietet sich besonders an, da noch keinerlei andere Forschungserkenntnisse auf diesem Feld vorliegen.
- Umfang der Befragung: Für die Befragung wurden über 18.000 Barmer-versicherte Frauen angeschrieben, die zwischen Mai und November 2020 geboren haben. Neben 1.821 Frauen nutzen auch 1.551 Hebammen die Gelegenheit, sich an der Umfrage zu beteiligen. Die Hebammen wurden durch den Deutschen Hebammenverband und die Hochschule für Gesundheit zu der Befragung eingeladen.
Geburtenentwicklung in Deutschland im Jahr 2020
- Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2020 in Deutschland 773.144 Kinder geboren. Das waren rund 5.000 weniger als ein Jahr zuvor.
Hebammen in Deutschland
- Nach aktuell verfügbaren Daten des Deutschen Hebammenverbandes gab es in Deutschland im Jahr 2017 rund 24.000 Hebammen. Von diesen waren etwa 9.400 in Kliniken fest angestellt.
Geburten in Deutschland
- Frauen können den Geburtsort wählen. Der gewünschte Geburtsort kann aber aus verschiedenen Gründen nicht immer realisiert werden. In Deutschland werden die meisten Kinder im Krankenhaus geboren. Im Jahr 2020 kamen laut der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe 13.969 Kinder außerhalb der Klinik zur Welt, das sind 1,8 Prozent.
Der Bericht steht zum Download bereit auf der Homepage des bifg, des Deutschen Hebammenverbandes und der Hochschule für Gesundheit in Bochum.