Pressemitteilungen 2022

Barmer-Gesundheitsreport 2022 – Mehr Aufklärung über geschlechtsspezifische Medizin

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Kiel, 18. August 2022 – Während Männer bis zu mehr als 4-fach höhere Fehlzeiten aufgrund von Erkrankung der Herzkranzgefäße oder Handverletzungen aufweisen, hatten Frauen rund 60 Prozent mehr Fehltage wegen psychischer Störungen. Speziell Essstörungen sind fast ausschließlich bei Frauen fehlzeitenrelevant. Das geht aus dem aktuellen Gesundheitsreport der Barmer hervor, der sich im Schwerpunkt mit der Gesundheit von Frauen und Männern befasst. „Es gibt vielfältige geschlechtsspezifische Unterschiede, die für die medizinische Versorgung von Frauen und Männern relevant sind, denn sie sind unterschiedlich krank. Infolgedessen müssen sie auch unterschiedlich behandelt, therapiert oder medikamentiert werden. Doch das passiert leider noch viel zu wenig. Wir orientieren uns in der Medizin generell zu stark an einem Durchschnittsmenschen, den es so nicht gibt“, sagt Dr. Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der Barmer in Schleswig-Holstein.

Geschlechtstypische Erkrankungen

Laut dem Gesundheitsreport der Barmer scheinen insbesondere Handverletzungen bei jüngeren Männern „geschlechtstypisch“ zu sein, was auch mit einer häufigeren Tätigkeit von Männern im Handwerk zusammenhängen könnte. Frauen haben dagegen 15 Prozent mehr Fehltage aufgrund von Erkältungskrankheiten. Hierzu könnte beigetragen haben, dass Frauen häufiger als Männer in Berufen mit engerem Kontakt zu Menschen, beispielsweise in der Kranken- und Altenpflege sowie der Kinderbetreuung, beschäftigt sind und sich dann auch mit Rücksichtnahme auf die Betreuten bei Erkältungen eher krankschreiben lassen. 

Unterschiedliche Kreisläufe

Auch Krankheiten des Kreislaufsystems traten nach Auswertungen des Gesundheitsreports mit fortschreitendem Lebensalter gehäuft auf. So führten Kreislauferkrankungen bei Männern im Jahr 2021 mit durchschnittlich etwas über zwei Tagen zu doppelt so vielen Fehltagen wie bei Frauen mit rund einem Tag. Höhere Fehlzeiten bei Männern waren darüber hinaus insbesondere bei den Diagnosen „Chronische ischämische Herzkrankheit“ sowie „Akuter Myokardinfarkt“ zu verzeichnen. Frauen und Männer zeigen bei diversen Krankheiten allerdings unterschiedliche Symptome. Verspüren Männer bei einem Herzinfarkt häufig ein Druck- oder Engegefühl in der Brust und Schmerzen im linken Arm, gehören bei Frauen eher Übelkeit und Rückenschmerzen zu den typischen Begleiterscheinungen beziehungsweise Vorboten. Das kann zu einer verzögerten Notfallbehandlung führen, weil der Infarkt nicht gleich als solcher erkannt wird. „Es gibt zahlreiche geschlechterspezifische Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Und diese Unterschiede beeinflussen, wie Erkrankungen entstehen, diagnostiziert werden, verlaufen und behandelt werden. Frauen sind eben keine kleineren, leichteren Männer“, stellt Dr. Hillebrandt klar.

Über das Geschlecht hinausgehende Faktoren

Bei der medizinischen Versorgung spiele nicht nur das Geschlecht eine Rolle, so Dr. Hillebrandt weiter. Auch Alter, Bildung, ökonomischer Background und Wohnort oder die Arbeitsbedingungen seien Faktoren, die letztlich alle ineinandergriffen und die Einfluss darauf hätten, wie sich Krankheitssymptome äußerten und welche Behandlungen oder Therapien infrage kämen. 

Betriebe sind gefordert

„Es muss eine gendersensible Prävention in den Betrieben geben, denn Angebote im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements erreichen Männer und Frauen nicht gleich gut“, fordert Dr. Hillebrandt. Dabei dürfe es nicht heißen „one fits all“. Erforderlich seien geschlechterspezifische Angebote für den jeweiligen Arbeitsplatz. Für mehr Arbeitssicherheit bedürfe es einer Verhaltensprävention, mit deren Hilfe etwa das Verletzungsrisiko für jüngere Männer bei ihren manuellen Tätigkeiten durch vorgegebene und strikt eingehaltene Arbeitsabläufe möglichst gering bleibt. Auch der hohe Anteil an psychischen Diagnosen bereits bei jüngeren erwerbstätigen Frauen könne mit einer speziellen Verhaltensprävention reduziert werden.  

Bewusstsein für die Unterschiede

Schon der Begriff „Gendermedizin“ beinhalte eine Verkürzung. Eigentlich müsse es heißen: Sex- und Gender-spezifische Medizin. Sowohl das biologische als auch das soziokulturelle Geschlecht beeinflussten die Gesundheit. Bereits in der medizinischen Lehre werden die geschlechtsspezifischen Unterschiede vermittelt. Das Bewusstsein der Ärzte für die Unterschiede von Frauen und Männern sollte sich noch deutlich stärker auch im medizinischen Versorgungsalltag bei der Diagnostik und Therapie niederschlagen. Ärzte könnten so schon im Anamnesegespräch auf die speziellen Symptome von Frauen und Männern achten. Unwissenheit und mangelnde Sensibilität darüber könne die Heilungschancen mindern und sogar lebensbedrohlich sein. „Wir müssen das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer genderindividualisierten Medizin schärfen, die sich viel mehr auf die Unterschiede und die daraus resultierenden unterschiedlichen Bedürfnisse von Menschen konzentriert“, fordert Dr. Hillebrandt. Davon profitierten letztendlich alle.

Service für Redaktionen:
Interaktive Grafiken mit aktuellen Ergebnissen zu Arbeitsunfähigkeiten (differenzierbar nach Diagnosegruppen, Jahren, Geschlecht, Alters- und Berufsgruppen sowie Bundesländern) unter: https://www.bifg.de/Y925XN

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Torsten Nowak
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