Dresden,19. August 2020 – Kinder bis sechs Jahre werden in Sachsen noch zu selten einem Zahnarzt vorgestellt. Im Jahr 2018 nutzten nur etwa 40 Prozent der Familien mit Kindern zwischen zweieinhalb und sechs Jahren zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen. Mehr als die Hälfte, rund 90.500 Heranwachsende in dieser Altersgruppe, waren nicht zur Kontrolle. Diese Zahlen gehen aus dem aktuellen Zahnreport der Barmer hervor, den die Krankenkasse, gemeinsam mit der Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege des Freistaates Sachsen e.V, am Mittwoch in Leipzig, vorgestellt hat. „Eltern warten oft zu lange, bevor sie mit ihrem Kind das erste Mal zum Zahnarzt gehen“, sagt Dr. Fabian Magerl, Landesgeschäftsführer der Barmer in Sachsen. „Zahnpflege und Zahnvorsorge darf nicht erst im bleibenden Gebiss beginnen, sondern bereits bei den Milchzähnen. Es ist ein Irrglaube, dass Karies im Kindesalter nicht dramatisch wäre, weil die Milchzähne ausfallen. Milchzahnkaries oder auch ungünstige Zahnstände können lebenslange Folgen haben, denn sie wirken sich auch auf die nachwachsenden Zähne aus“, mahnt Magerl und appelliert an die Eltern, die Früherkennungsuntersuchungen mit ihren Kindern beim Zahnarzt in Anspruch zu nehmen. Er forderte auch dazu auf, dass Zahn-, Kinder- und Jugendärzte, pädagogische Einrichtungen und Eltern noch enger zusammenarbeiten und die Politik geeignete Rahmenbedingungen schafft. „Damit präventive Maßnahmen frühzeitig und bei noch mehr Kindern greifen können, sind beispielsweise verbindliche Qualitätsstandards für Essen in Gemeinschaftseinrichtungen erforderlich“, sagt Magerl.
Kinder in Bautzen sind spitze bei den Früherkennungsuntersuchungen
Der Zahnreport zeigt regionale Unterschiede. Die Inanspruchnahme-Quoten im Kita-Alter liegen bundesweit unter 50 Prozent. Allerdings hat ein Kleinkind in Sachsen größere Chance auf einen Zahnarztbesuch innerhalb der ersten sechs Lebensjahre, als Kinder im restlichen Bundesgebiet. Bundesweit besuchten nur 35 Prozent, in Sachsen rund 40 Prozent der Vorschulkinder einen Zahnarzt. Dabei sollte der erste Zahnarztbesuch bereits mit dem ersten Zahn einhergehen. “Eltern können ihn nutzen, um eine natürliche Beziehung zwischen ihren Kindern und dem Zahnarzt aufzubauen. Damit bleibt der erste Zahnarztbesuch bei Kindern in positiver Erinnerung. Außerdem können kleine Zahnschäden frühzeitig entdeckt und behandelt werden, so dass es gar nicht erst zu Zahnschmerzen kommt. Hier ist auch in Sachsen noch Luft nach oben“, sagt Magerl. Der Barmer Report zeigt auch deutliche regionale Unterschiede im Freistaat auf. Während beim Spitzenreiter, dem Landkreis Bautzen, 48 Prozent der Zweieinhalb- bis Sechsjährigen zur Früherkennungsuntersuchung waren, liegt die Quote beim Schlusslicht Chemnitz bei nur 33,8 Prozent. Bei den Kontrolluntersuchungen der Sechs- bis 12-Jährigen sieht es deutlich besser aus. Mit einer Teilnahmequote von fast 70 Prozent liegen die sächsischen Kinder hier deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 65 Prozent. Auch hier haben Heranwachsende aus Bautzen (77,8 Prozent) die Nase vorn. In der Stadt Leipzig dagegen liegt die Zahnvorsorge in dieser Altersklasse nicht so hoch im Trend. Nur 63,7 Prozent haben laut Barmer Zahnreport eine Kontrolluntersuchung der Zähne genutzt.
Immer weniger Kinder und Jugendliche haben besonders viel Karies
Zahnkaries ist ein weltweites Gesundheitsproblem. Laut Barmer Studie entfielen 2018 bundesweit auf nur etwa 10 Prozent der unter 18-Jährigen 85 Prozent aller Therapiekosten, 2010 waren es noch 79 Prozent. Das bedeutet, eine immer kleinere Gruppe von Heranwachsenden trägt eine immer größer werdende Karieslast. Oft ist bei den Betroffenen mehr als ein Zahn kariös. Der Grundstein für eine zahngesunde Entwicklung muss so früh wie möglich gelegt werden, darüber sind sich alle Experten in Sachsen einig. „Trotz des allgemeinen Kariesrückgangs in den letzten Jahrzehnten dürfen wir in unseren Aktivitäten zur Zahnpflege und -vorsorge nicht nachlassen. Unser Ziel muss es sein, möglichst alle Kinder vor schmerzenden Zähnen zu bewahren“, sagt Magerl mit dem Verweis auf die aktuellen Studienergebnisse. Bei etwa einem Drittel der zwölfjährigen Kinder sei bereits gebohrt, gefüllt oder seien Zähne sogar gezogen worden. In Sachsen hätten nach Hochrechnungen rund 12.300 Kinder eine derartige Behandlung erfahren.
Anleitung zur richtigen Mundhygiene auch in Kita und Schulen
„Mit der Gruppenprophylaxe in den sächsischen Kitas und Schulen erreichen wir einen Großteil aller Heranwachsenden bis zum 12. Lebensjahr. Hier leisten die sächsischen Zahnärztinnen und Zahnärzte mit ihren Patenschaften zu den Bildungseinrichtungen in Sachen Zahnvorsorge großartige Arbeit“, sagt Birte Eckardt, Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege des Freistaates Sachsen e. V.. Die Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege des Freistaates Sachsen e. V. ist eine Kooperation der Zahnärzte, der gesetzlichen Krankenkassen sowie der kommunalen Landesverbände in enger Zusammenarbeit und mit Unterstützung des Freistaates Sachsen. In den Einrichtungen würden Kinder auf altersgerechte und spielerische Art und Weise zur richtigen Mundhygiene angeleitet und über zahngesunde Ernährung aufgeklärt. Zahnschmelzhärtung durch Fluoride und die Motivation für frühzeitige und regelmäßige Zahnarztbesuche seien ebenfalls Kerninhalte des Prophylaxeprogramms. Die kommunalen Kinder- und Jugendzahnärzte der Gesundheitsämter würden darüber hinaus die Kinder untersuchen und bei Bedarf eine schriftliche Empfehlung für einen Zahnarztbesuch mitgeben. „Allerdings ist das noch kein Garant dafür, dass tatsächlich ein Zahnarztbesuch wahrgenommen wird, auch wenn die Kosten dafür von den Krankenkassen übernommen werden. Hier stoßen wir leider an unsere Grenzen“, bedauert Iris Hussock, niedergelassene Kieferorthopädin und Vorstandsmitglied der Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege des Freistaates Sachsen e. V. . Die Verantwortung für Zahnpflege und präventive Zahnarztbesuche, aber auch für eine zahngesunde Ernährung läge bei den Eltern. „Es müssen alle Erwachsenen an einem Strang ziehen, damit Kinder nachhaltige Kompetenzen erlangen können. Was nützt es, wenn in der Kita über tägliche Mundhygiene und gesunde Ernährung aufgeklärt wird, es aber zuhause nicht fortgeführt wird? Alle Kinder müssen die Möglichkeit der täglichen Zahnpflege erhalten, zuhause und in der Kita!“, fordert Hussock weiter.
Zahnärztlicher Vorsorgepass liegt dem Kindervorsorgepass bei
Um alle Familien gleich nach der Geburt des Kindes für die Zahnvorsorge zu sensibilisieren, hat die Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege des Freistaates Sachsen e. V.einen blauen Zahnvorsorgepass entwickelt, der Eltern zusammen mit dem gelben Kindervorsorgepass übergeben wird. „Der zahnärztliche Vorsorgepass enthält wichtige Tipps zur Zahnpflege. Außerdem sind alle Zahnvorsorgeuntersuchungen bis zum 12. Lebensjahr aufgelistet. Die absolvierten Früherkennungsuntersuchungen, sowie die Teilnahmen an gruppenprophylaktischen Maßnahmen in der Kita und Schule, sollten hier dokumentiert werden“, sagt Hussock. So behielten Familien den Überblick. Einen Appell richtet sie jedoch an die Kinder- und Jugendärzte, die Zähne ihrer kleinen Patienten immer wieder im Blick zu behalten. „Nur gemeinsam kann es gelingen, die Zahngesundheit von Kindern und Jugendlichen weiter zu verbessern“, sagt Hussock, mit Blick auf die Zahnärzteschaft, Kinder- und Jugendärzte, Eltern und pädagogische Einrichtungen. „Auch Jugend- und Kinderferienlager, müssen im Sinne der Kinder- und Jugendzahngesundheit eingebunden werden“, rät sie. Das beste Mittel gegen schmerzende, kariöse Zähne ist Prävention. Dazu gehöre neben täglicher Zahnhygiene, wie Zähneputzen auch regelmäßige Zahnarztbesuche. „Denn aus Kindern mit kaputten Zähnen werden häufig auch Erwachsene mit Zahnproblemen. Es wäre fahrlässig, wenn wir das zulassen“, ergänzt Barmer Landesgeschäftsführer Dr. Fabian Magerl.